AMS-Leiter: „Arbeitsmarkt ist derzeit noch stabil“
BEZIRK. Tips bat Harald Vetter, den Geschäftsstellenleiter des AMS, zum Gespräch über die aktuelle Arbeitsmarktlage im Bezirk.
Tips: Herr Vetter, in Österreich ist die Arbeitslosigkeit zuletzt deutlich gesunken – in Niederösterreich sind mit Ende September rund 36.000 Menschen als arbeitslos gemeldet, was einen Rückgang von 15 Prozent im Vergleich zu September 2021 bedeutet. Wie sieht die Lage diesbezüglich im Bezirk Amstetten aus?
Harald Vetter: Ende September waren beim AMS Amstetten 1.464 Personen (743 Frauen, 721 Männer) arbeitslos vorgemerkt, ein Rückgang um 13,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr und ein Minus von 16 Prozent gegenüber dem Vorkrisenjahr 2019.
Tips: Wie sieht die Arbeitslosenquote im Vergleich zu ganz Niederösterreich aus, wo sie derzeit 5,2 Prozent liegt?
Vetter: Die Arbeitslosenquote auf Bezirksebene liegt uns erst um den 20. des Folgemonats vor. Für September rechne ich mit einer niedrigeren Arbeitslosenquote als im August. Ende August hatten wir im Bezirk eine Arbeitslosenquote von 3,5 Prozent. Ganz Niederösterreich lag bei 5,6 Prozent.
Tips: Wie viele Menschen befinden sich im Bezirk derzeit in Schulungen und wie viele offene Stellen gibt es aktuell in der Region?
Vetter: Die Unternehmen im Bezirk suchen weiterhin kräftig nach Arbeitskräften. Ende September 2022 sind mit 1.783 freien Stellen um 566 (+46,5 Prozent) mehr als vor der Krise im Jahr 2019 gemeldet. Mehr als 3.500 freie Stellen konnten heuer bereits mit einer passenden Arbeitskraft über das AMS Amstetten besetzt werden.
Tips: Wie sieht es mit Lehrstellensuchenden und offenen Lehrstellen aus? Wie haben sich die Zahlen entwickelt, wenn man sich das Vorkrisenjahr 2019 ansieht?
Vetter: 36 Lehrstellensuchenden stehen 138 sofort verfügbare offene Lehrstellen gegenüber. Das ist sogar eine bessere Situation als im Vorkrisenjahr 2019 – hier hatten wir Ende September 46 Lehrstellensuchende und 116 offene Lehrstellen.
Tips: Wie hat sich die Langzeitarbeitslosigkeit gegenüber dem Vorkrisenniveau entwickelt? Wie viele Personen sind aktuell von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen?
Vetter: Aktuell sind 163 Personen im Arbeitsmarktbezirk Amstetten bereits ein Jahr oder länger auf Jobsuche. In den letzten zwölf Monaten konnte die Langzeitarbeitslosigkeit damit um mehr als die Hälfte (-50,9 Prozent) rückgebaut werden. In unserem Bezirk konnte die Zahl der langzeitarbeitslosen Personen sogar um 75 Personen beziehungsweise 31,5 Prozent gegenüber dem Vorkrisenniveau im Jahr 2019 reduziert werden.
Tips: Laut dem für den Arbeitsmarkt zuständigen Landesrat Martin Eichtinger (ÖVP) ist aufgrund der angespannten Wirtschaftslage, der hohen Energiekosten und der saisonal bedingten Zuwächse mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit zu rechnen. Wie schätzen Sie die kommende Entwicklung im Bezirk Amstetten ein?
Vetter: Der Arbeitsmarkt ist derzeit noch sehr stabil, es herrscht ein Mangel an Arbeitskräften. Für den Winter beziehungsweise für nächstes Frühjahr gibt es aufgrund der hohen Energiekosten, Lieferverzögerungen und der schwindenden Kaufkraft natürlich Unsicherheiten, die sich auch auf den Arbeitsmarkt auswirken können. Hier gibt es durchaus in den Konjunkturprognosen Anzeichen, dass im Winter die Arbeitslosigkeit über die saisonalen Effekte hinaus steigen wird.
Tips: Welche Branchen werden vor allem betroffen sein?
Vetter: Die Baubranche spürt vermehrt den starken Rückgang beim privaten Hausbau. Energieintensive Unternehmen drosseln zunehmend ihre Produktion wegen der gestiegenen Energiepreise, auch bedingt durch Materialengpässe. Natürlich wird auch der Handel den Kaufkraftverlust der Bevölkerung spüren.
Tips: Falls sich die derzeit positiven Zahlen verschlechtern sollten: Wie kann der Abfall gedämpft werden? Welche Programme gibt es seitens des AMS?
Vetter: Für Wirtschaftskrisen steht dem AMS zur Sicherung von Arbeitsplätzen wieder das Instrument der Kurzarbeit zur Verfügung. In Zeiten von Arbeitslosigkeit wird wieder versucht, Personen zu qualifizieren, um sie marktfit zu machen und sie auch wieder auf Jobs vermitteln zu können. Rund 40 Prozent der derzeit beim AMS Amstetten vorgemerkten Arbeitslosen haben keine Ausbildung, weder eine weiterführende Schule noch eine Lehre absolviert.
Tips: Der Mangel an Arbeitskräften zieht sich quer durch ganze Branchen: Womit kann man dem entgegenwirken? Wie kommen die richtigen Personen zum richtigen Platz in der Wirtschaft?
Vetter: Faktum ist, dass das Arbeitskräftepotential aufgrund der demographischen Entwicklung der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter sinkt. Es wird daher wichtig sein, das vorhandene Arbeitskräftepotential voll auszuschöpfen, indem zum Beispiel Frauen auch vermehrt Ganztagsjobs annehmen können, weil die Kinderbetreuungsangebote ausgebaut werden. Wichtig wird auch sein, junge Menschen gut auszubilden und für Zukunftsbranchen zu interessieren. Ein positives Signal ist hier sicher, dass heuer erstmals wieder die Zahl der Lehrverhältnisse in Österreich gestiegen ist.
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