Donnerstag 28. März 2024
KW 13


Weitere Angebote

Sociale Medien

Kontakt

„Mach’s gut, Jerry“ – Der Bärenwald musste sich von Jerry verabschieden

Leserartikel Eva Leutgeb, 04.06.2020 10:17

ARBESBACH. Die Freude war groß, als der von Vier Pfoten geführte Bärenwald Arbesbach endlich wieder seine Pforten für Besucher öffnen konnte. Jetzt ist diese Freude jedoch von Trauer überschattet: Der 32jährige ehemalige Zirkusbär Jerry musste vor wenigen Tagen von seinem Leiden erlöst werden. 

Jerry war bis vor kurzem ein verspielter Bär. Fotos: Bärenwald Arbesbach
photo_library Jerry war bis vor kurzem ein verspielter Bär. Fotos: Bärenwald Arbesbach

Seine Gelenke waren in Folge der tierquälerischen Haltungsbedingungen, denen Jerry vor seiner Rettung durch Vier Pfoten jahrelang ausgesetzt war, stark in Mitleidenschaft gezogen und bereiteten ihm in den letzten Tagen starke Schmerzen. „Es ist sehr traurig für uns, Jerry zu verlieren. Er ist uns so ans Herz gewachsen. Es tröstet uns aber die Tatsache, dass er 20 Jahre in unserem Bärenwald ein schönes Leben verbringen konnte“, sagt Sigrid Zederbauer, Betriebsleiterin im Bärenwald Arbesbach. Schon seit einigen Jahren nahm die körperliche Fitness von Jerry und auch von seinem Bruder Tom, der gemeinsam mit ihm von Vier Pfoten 2000 gerettet worden war, sichtbar ab. Daher nahm das Bärenwald-Team in den Gehegen der beiden auch immer wieder gezielte Adaptierungen vor, um auch den alten Bären noch eine gute Zeit unter liebevoller Betreuung zu sichern. Sie wurden beziehungsweise werden mit schmerzstillenden und entzündungshemmenden Medikamenten sowie Nahrungsergänzungsmitteln zur Stärkung der Gelenke optimal versorgt.

Weitere Behandlung wären aussichtslos gewesen

„Gerade über Jerrys Entwicklung waren wir eigentlich im vergangenen Jahr sehr erfreut“, berichtet Zederbauer. „Vor zwei Wochen zeigte sich jedoch eine markante Verschlechterung vor allem in seiner Fortbewegung. Schließlich zog er sich in eine Höhle zurück und wollte nicht mehr aufstehen. Offensichtlich schwand auch sein Lebenswille.“ Das Tierärzteteam rückte daher am Pfingstmontag an, um Jerry unter Betäubung zu untersuchen. Der Befund zeigte schnell, dass weitere Behandlungen der Gelenke aussichtslos waren und Jerry keine Aussicht mehr auf eine aktive Fortbewegung hatte. Um ihm weiteres Leiden zu ersparen, wurde beschlossen, ihn nicht mehr aus der Narkose aufwachen zu lassen.

Tom und Jerry: Bärenleid als Zirkusattraktion

Jerry wurde, ebenso wie sein Bruder Tom, 1988 im Tierpark von Ostrau in Tschechien geboren. Im Alter von vier Monaten wurde das Brüderpaar von einem Dompteur gekauft und lebte bis 1993 im kommerziell geführten Tierpark Safaripark Gänserndorf. Dort musste Jerry in der sogenannten „Bärenschule“ Kunststücke vor Publikum zum Besten geben. 1994 gründete sein Besitzer dann ein eigenes Zirkusunternehmen. Von da an lebten die beiden Bären ständig auf Rädern, sie mussten im viel zu engen Zirkuswagen quer durch Europa reisen. Auf Archivaufnahmen ist zu sehen, wie sie, auf den Hinterbeinen aufgerichtet, über Hindernisse springen, durch die Manege marschieren und andere, für die Gelenke extrem belastende Bewegungen vollführen.

Jerry gehörte zu den ersten geretteten Bären Seit 1995 versuchte Vier Pfoten, Tom und Jerry aus der Gefangenschaft zu befreien, was nach einer gütlichen Einigung zwischen dem Land Niederösterreich, ihrem Besitzer und Vier Pfoten im Frühling 2000 schließlich auch gelang. Seit Mitte September 2000 leben die Bärenbrüder im Bärenwald Arbesbach und gehören somit neben Liese, die 2017 verstarb, Vinzenz und Brumca zu den ersten Bären, die Vier Pfoten retten konnte.

Jerry und Tom waren unzertrennlich

„Ich erinnere mich gerne an den schönen Moment, als wir Jerry und seinen Bruder Tom endlich in ihr neues Zuhause bringen konnten. Dieser lange Prozess, bis wir die Bären in unsere Obhut bekamen, war schon zermürbend“, sagt Vier Pfoten Geschäftsführer Josef Pfabigan. „Die beiden waren so tapfer, obwohl der Transport zunächst viel Stress für sie bedeute. Sie haben neugierig ihr großes Gehege erkundigt, wobei sie immer dicht beieinander blieben. Seit damals blieben sie unzertrennlich. Nicht nur sein Gefährte Tom, wir alle werden Jerry sehr vermissen.“   

Ein ruhiger, aber auch verspielter Bär

Jerry war ein ruhiger, eher schüchterner Bär. Sigrid Zederbauer erzählt: „Er war kein Bär der Extreme. Sein Futter hat er immer sehr sanft und in kleinen Häppchen genüsslich verspeist. Alles wurde sachte auf die Vorderpfote gelegt, inspiziert und vorsichtig gegessen.“ Dennoch war er immer auch sehr neugierig und aktiv auf der Suche nach Futter im Gehege unterwegs, hat Kästen, Rohre und so weiter, dabei geschickt erkundet. Trotz seiner zurückhaltenden Art hat er in den vergangenen Jahren auch so viel Selbstbewusstsein entwickelt, um sich bei Gelegenheit auch mal ein Stück Gurke oder ein Ei von seinem Bruder Tom zu stibitzen. Nach der Futtersuche hat er es sich dann in seiner Höhle gemütlich gemacht, wobei er sich oft einen weichen Strohpolster vor der Höhle zurechtgelegt hat, damit ihm die Sonne auf den Kopf scheinen konnte.

Jerry war bis vor kurzem ein verspielter Bär

Mit seinem Bruder Tom teilte er sich hin und wieder auch den Schlafplatz. Früher stand er immer irgendwie im Schatten des mutigeren und aktiveren Tom. „Aber das Schöne ist, dass Jerry durch unsere Bemühungen im hohen Alter selbstbewusster, geschickter und verspielter wurde. Unser Tierpflegerteam hat bei ihm viel Einführungsvermögen an den Tag gelegt und mit unendlicher Geduld immer wieder neue Beschäftigungsobjekte und Anreize für Jerry geschaffen. Bis vor kurzem haben wir ihn immer wieder beim ausgelassenen Spielen mit Gehegekollegen Vinzenz beobachten können. Das hat uns sehr gerührt und auch bestärkt in unserer Überzeugung, dass es durchaus Sinn macht, wenn wir uns auch bei unseren alten Tieren noch um eine Verbesserung ihrer Lebensbedingungen bemühen“, fasst es Zederbauer zusammen.

14.000 Quadratmeter Auslauf

Der Bärenwald Arbesbach ist eine von mehreren Bärenauffangstationen von Vier Pfoten. Derzeit leben mit Vinzenz, Tom, Brumca, Erich und Emma hier fünf Braunbären auf insgesamt 14.000 Quadratmetern. Für Besucher gibt es täglich zwischen 10-18 Uhr die Möglichkeit, diese faszinierenden Tiere aus nächster Nähe zu beobachten. Jeden Mittwoch und Freitag um 15 Uhr, am Samstag um 16 Uhr und am Sonntag um 10:30 Uhr findet eine Führung (auch ohne Voranmeldung) statt.


Kommentare sind nur für eingeloggte User verfügbar.

Jetzt anmelden


Ottenschlag: FF Wintersdorf freut sich über erste Jungfeuerwehrgruppe der Geschichte

Ottenschlag: FF Wintersdorf freut sich über erste Jungfeuerwehrgruppe der Geschichte

OTTENSCHLAG. Die Feuerwehr Wintersdorf zählt 60 Mitglieder wobei rund 25 Feuerwehrfrauen und –-männer aktiv das Rückgrat bei Einsätzen ...

Tips - total regional Andreas Hamedinger
Tödlicher Arbeitsunfall - Landesverwaltungsgericht reduziert Strafe

Tödlicher Arbeitsunfall - Landesverwaltungsgericht reduziert Strafe

URFAHR-UMGEBUNG. Tödlicher Arbeitsunfall bei Skilift – Landesverwaltungsgericht Oberösterreich weist Beschwerden gegen Verwaltungsstrafen ...

Tips - total regional Andreas Hamedinger
Volksschüler erwecken Ritter Gundaker zum Leben

Volksschüler erwecken Ritter Gundaker zum Leben

KIRCHBERG. Die Kulturgemeinschaft Kirchberg präsentiert am 22. und 23. Juni das Ritter-Musical „Ritter Gundaker“ der Volksschule Kirchberg. ...

Tips - total regional Petra Hanner
Neue Strecken für Mountainbiker am Roadlberg photo_library

Neue Strecken für Mountainbiker am Roadlberg

OTTENSCHLAG/ALBERNDORF. Für alle Mountainbiker, egal ob Einsteiger oder Fortgeschrittene, gibt es bald ein attraktives neues Übungsgelände ...

Tips - total regional Gertrude Paltinger, BSc
Maureder: „Ich will Weine machen, die typisch für unsere Region sind“

Maureder: „Ich will Weine machen, die typisch für unsere Region sind“

KIRCHSCHLAG. Der Spitzergraben in der Wachau, die Wehlener Sonnenuhr an der Mosel oder die Lage Grenouilles im französischen Chablis. Bei diesen ...

Tips - total regional Andreas Hamedinger
Bärenwald: Geretteter Bär nimmt zum ersten Mal ein Bad photo_library

Bärenwald: Geretteter Bär nimmt zum ersten Mal ein Bad

ARBESBACH. Die Lebensgeister des aus Käfighaltung in Albanien geretteten Braunbären Mark erwachen: Zum ersten Mal hat das Sorgenkind des Vier ...

Tips - total regional Mag. Claudia Greindl
Keltische Klänge mit Spinning Wheel in Ottenschlag

Keltische Klänge mit "Spinning Wheel" in Ottenschlag

OTTENSCHLAG. Das neue Programm von Spinning Wheel weht als frische Brise durch die Konzertsäle. Das Trio Danika Ruso, Fabian Zechmeister und ...

Tips - total regional Laura Hochedlinger
Müllsammeln mit Spaßfaktor in Ottenschlag

Müllsammeln mit Spaßfaktor in Ottenschlag

OTTENSCHLAG. Am 4. April fand in Ottenschlag die Müllsammelaktion „Hui statt Pfui“ bei kalten Minus 3 Grad statt. Gestaltet wurde die Aktion ...

Tips - total regional Laura Hochedlinger