„Das Wirtshäusersterben beobachte ich schon seit etwa 15 Jahren“
BEZIRK BRAUNAU. Über 40 Jahre war Erwin Staudinger in der Lebensmittelaufsicht der Bezirkshauptmannschaft Braunau tätig. Kaum einer kennt sich mit den Gegebenheiten und auch Problemen der Wirte und Gasthäuser im Bezirk besser aus. Mit Tips hat Staudinger über den Trend des Wirtshäusersterbens gesprochen, den er schon seit rund 15 Jahren aber nicht nur im Innviertel beobachtet.
Tips: Herr Staudinger, wie haben Sie den Trend des Wirtshäusersterbens vor und nach Ihrer beruflichen Tätigkeit in den letzten Jahren erlebt?
Erwin Staudinger: Angesprochen auf größere Investitionen oder Umbauten in gastronomischen Betrieben war während meiner aktiven Laufbahn zwischen 1973 und 2014 als Lebensmittelkontrolleur oftmals zu hören, dass diese sich nicht lohnen, da der Betrieb in nächster Generation nicht mehr weitergeführt wird. Diesen Trend des Wirtshäusersterbens erlebe ich mittlerweile schon seit etwa 15 Jahren.
Tips: Worin liegen aus Ihrer Sicht die Gründe, die zu diesem traurigen Trend geführt haben?
Staudinger: Nicht nur das gastronomische Angebot, sondern auch das Zielpublikum hat sich verändert. Ein wesentlicher gesellschaftlicher Wandel führt dazu, dass Wirtshäuser speziell in kleinen Ortschaften schließen, da es an Rentabilität fehlt. Einst sorgte geselliges Beisammensein beim Wirten täglich für lebendige Wirtshauskultur. In Zeiten des Internets sind solche Treffpunkte insbesondere bei jüngeren Gästen oft nicht mehr gefragt. Zudem tragen während der Sommermonate viele Veranstaltungen in Hallen und Bierzelten ihren Teil dazu bei, dass einheimische Gastronomiebetriebe über längeren Zeitraum mit verminderten Einnahmen zu rechnen haben. Regelmäßiger Ausschank durch diverse Vereinsheime reduziert zudem das Grundeinkommen der Wirte.
Tips: Warum denken Sie ist es für die nächste Generation in der heutigen Zeit nicht mehr rentabel oder ein zu großes Risiko, den elterlichen Betrieb weiterzuführen?
Staudinger: Wurde ohne wirtschaftliches Konzept während der letzten Jahrzehnte in bauliche oder ausstattungsmäßige Belange lediglich in begrenztem Ausmaß investiert, scheint es nicht verwunderlich, dass die Weiterführung eines Lokals selbst durch eigene Familienangehörige oder vermeintliche Pächter kaum zu bewerkstelligen ist. Zu differenziert und schwerwiegend sind zwischenzeitlich Anforderungen an Betriebsstätten in Verbindung mit einschlägigen Hygienestandards zu erfüllen.
Die Situation, dass der Betriebsinhaber seine Gastwirtschaft quasi im Familienverband führt und dieser Personenkreis sich untereinander Bewirtung und persönliche Ansprache der Gäste teilt, ist ebenfalls rückläufig. Das Wirtshaussterben ist übrigens keine lokale oder regionale Besonderheit. Bekanntlich sind gleichermaßen sämtliche Bundesländer, aber auch angrenzende Nachbarstaaten davon betroffen.
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