Experten des Kinderschutzzentrum unterstützen bei Umgang mit Online-Inhalten
BEZIRK BRAUNAU/INNVIERTEL. Nicht erst seit dem Distance Learning und dem vermehrten Home-Office wird der Umgang mit Online-Inhalten und Social Media gerade auch für Kinder und Jugendliche immer wichtiger. Die Digitalisierung schreitet weiter mit großen Schritten voran und bietet neben vielen Chancen auch einige Problemfelder und Gefahren. Tips hat dazu mit dem fachlichen Leiter des Kinderschutzzentrums Innviertel, Christof Angsüßer, und seiner Stellvertreterin Karina Springmann gesprochen.
Tips:Wie wichtig ist der verantwortungsvolle Umgang mit Online-Inhalten und Social Media gerade auch bei Kindern und Jugendlichen?
Christof Angsüßer: Diese Thematik ist enorm wichtig, denn das Zeitalter der Digitalisierung entwickelt sich viel schneller als wir Menschen und wie wir damit umgehen, was sich auch in fehlenden Gesetzen ausdrückt. Es gibt unheimlich viel zu lernen, vor allem für uns Erwachsene. Kinder sind uns oft voraus, was Wissen und Handhabung von sozialen Netzwerken betrifft. Ein verantwortungsvoller Umgang der Eltern mit Medien bietet unseren Schutzbefohlenen die Möglichkeit am Modell zu lernen, das heißt: wie gehen Eltern mit Medien um, wie häufig wird das Handy genützt, werden gemeinsame Interaktionen mit den Kindern durch das Handy gestört, wie viel Privates wird mit der Öffentlichkeit geteilt, aber auch wie viel Wissen über soziale Medien bringt der Erwachsene selbst mit und kann dieses weitergeben. Von enormer Wichtigkeit ist es, Interesse am Kind und dem, was es an Medien spannend und wichtig findet, zu haben und auch eine Ankerfunktion zu haben, also einen Rahmen zu bieten, innerhalb welchem sich das Kind bewegen darf. Es gibt inzwischen viele Studien, die diverse negative Auswirkungen auf das Verhalten der Kinder bei vermehrtem Medienkonsum belegen. Es ist entscheidend, gemeinsam etwa Serien anzusehen oder eine App zu nutzen, denn so ist es Eltern und ihren Kindern möglich, sich darüber auszutauschen. Es gibt durchaus hochwertige pädagogische Angebote, von welchen Kinder und Jugendliche profitieren können.
Tips:Welche Anfragen erreichen Sie zur Thematik beim Kinderschutzzentrum und wie gehen Sie mit diesen um?
Karina Springmann: Der Umgang oder die Handhabung grundsätzlich mit sozialen Medien ist beinahe immer Inhalt von Elternberatungen, aber auch in den Beratungen mit Kindern und Jugendlichen. Einerseits stellen Medien eine wichtige Freizeitbeschäftigung für Jugendliche dar, andererseits resultieren dadurch mitunter Konflikte hinsichtlich unterschiedlicher Vorstellungen in der Handhabung dieser zwischen ihnen und ihren Eltern, welche mitunter in der Erziehung den Verzicht von Medien – sei es in Form von Fernseh- oder Handyverbot bzw. Playstationverbot – als Sanktion einsetzen, um gewünschtes Verhalten bei ihren Kindern zu erreichen. In unseren Beratungen versuchen wir, präventiv ein Bewusstsein zu schaffen nicht nur bei den Kindern und Jugendlichen, sondern auch bei den Erwachsenen. Wir regen an, darüber zu reflektieren, in welchen Netzwerken bewegt man sich, mit wem hat man Kontakt, welche anderen Interessen habe ich noch, aber auch bewusst zu machen, welche Wirkung es auf mich in meiner Zukunft haben kann, wenn ich gewisse Inhalte in sozialen Plattformen preisgebe. Eine andere Anfrage kann sein, dass beispielsweise ein Kind über soziale Medien dazu gezwungen wurde, ein Nacktfoto oder auch pornographisches Material von sich zu senden und es infolgedessen zu einer Anzeige gekommen ist. In Beratungen wurden uns aber auch Erfahrungen geschildert, in denen Kinder und Jugendliche im Netz zutiefst beleidigt oder verletzt wurden. Wir versuchen, für unsere Klienten einen Raum der Sicherheit und des Wohlgefühls zu schaffen, in dem sie über ihre Belastungen sprechen können und in weiterer Folge auch in der Verarbeitung des Erlebten unterstützt werden.
Tips:Gab es hier in letzter Zeit gesetzliche Neuerungen?
Angsüßer: Mit der Verabschiedung des neuen „Hass im Netz“-Gesetzes mit 1. Jänner 2021 ergeben sich nun grundlegende Veränderungen. Denn nun können Personen, die davon Opfer geworden sind, Prozessbegleitung erhalten. Was bedeutet nun konkret „Hass-im-Netz“: Dazu zählen etwa Stalking, Cybermobbing oder Verhetzung, aber auch Straftaten wie üble Nachrede, Vorwurf einer schon abgetanen gerichtlich strafbaren Handlung, Beleidigung oder Verleumdung, wenn diese zuletzt genannten Taten – vereinfacht gesagt – „im Netz“ begangen wurden.
Tips: Welche Rolle sollten etwa Lehrer, Pfarrer oder auch Vereinsverantwortliche in der Thematik im Umgang mit Kindern und Jugendlichen einnehmen?
Springmann: Wir alle, als Erwachsene, egal in welcher Profession, haben eine Verantwortung unseren Kindern gegenüber, diese in ihrer Entwicklung und in ihrem Aufwachsen mit all unseren Möglichkeiten zu unterstützen und sie nicht alleine zu lassen. Als Lehrer etwa in Form von Wissensvermittlung, aber vor allem auch, um den Kindern Raum zu geben für ihre Emotionen, wie auch zur Reflexion. Als Lehrer darauf zu achten, wie gebe ich online Feedback, wie erreiche ich die Kinder überhaupt online, das heißt wie wird der Unterricht gestaltet (Humor, Psychohygiene, Pausen etc.). Hier auch die Kinder dazu einzuladen, den Unterricht mitzugestalten. Laut Feedback unserer Klienten haben wir erfahren, dass Online-Unterricht viel anstrengender erlebt wird als persönlicher Unterricht. Es benötigt weiters fundiertes Wissen darüber, wie Online-Unterricht pädagogisch wertvoll gestaltet wird. Also vor allem auch die Stärkung der Lehrer, um ihre Schüler online gut unterstützen zu können. Die Vermittlung von Wissen über Rechte und Pflichten hat Präventionscharakter.
Tips:Müssen Kinder online noch mehr geschützt werden als Erwachsene?
Angsüßer: Ja, denn Kinder brauchen unseren Schutz besonders auch in diesem Bereich. Sie sind Kinder und brauchen uns Erwachsene, die sie begleiten, die für sie da sind, Halt und Trost schenken, aber auch Rahmen geben, aufzeigen, wo es zu weit geht oder wo es was anderes braucht, wie man mit Menschen umgeht und wie keinesfalls. Unser Leben scheint nahezu in allen Lebensbereichen digitalisiert, also erscheint es umso wichtiger, hier für Schutz oder auch Auszeit zu sorgen und unsere Kinder darin zu unterstützen, nicht blindlings auf „Zustimmen“ zu klicken.
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