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Projekt #visible: Unterstützung für Kinder psychisch erkrankter Eltern

Sabrina Antlinger, 28.02.2022 17:51

BRAUNAU. Mit #visible wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Soziales ein neues Projekt ins Leben gerufen, bei dem Kinder psychisch kranker Eltern sichtbar gemacht und unterstützt werden. Seit Sommer 2021 hat #visible auch eine Anlaufstelle in Braunau.

Die ELCO/KICO-Beratungsstelle in Braunau bietet Unterstützung und Hilfe. (Foto: pro mente OÖ)
Die ELCO/KICO-Beratungsstelle in Braunau bietet Unterstützung und Hilfe. (Foto: pro mente OÖ)

Mit der österreichweiten Sensibilisierungskampagne werden die spezifischen Lebensrealitäten betroffener Kinder und Jugendlicher ins Rampenlicht gerückt und damit einer Stigmatisierung entgegengewirkt. Das Projekt #visible steht vorrangig für Armutsbekämpfung, Bekämpfung sozialer Ausgrenzung sowie zur Primärprävention von psychischen Erkrankungen bei Kindern psychisch erkrankter Eltern.

Umfangreiches Unterstützungsangebot

Auch in Braunau befindet sich seit Sommer 2021 ein Standort für betroffene junge Menschen. Das Angebot reicht von niederschwelliger Onlineberatung über Face-to-Face-Unterstützungsformate bis hin zu eigens konzipierten Ferienaktionen und Freizeitaktivitäten. Getragen und unterstützt wird das österreichweite Projekt von pro mente OÖ, HPE Österreich, JoJo Salzburg und zahlreichen Netzwerkpartnern.

Mehr Aufmerksamkeit für Tabuthemen

Jedes sechste Kind in Österreich wächst mit einem psychisch kranken Elternteil auf. Insgesamt sind mehr als 275.000 Kinder und Jugendliche bis 19 Jahre betroffen. Das entspricht 16 Prozent der jungen Generation. Trotz dieser hohen Anzahl erfährt dieses Tabuthema in der Öffentlichkeit kaum Aufmerksamkeit. „In jeder 25-köpfigen Schulklasse sitzen vier Kinder, deren Mütter oder Väter an psychischen Problemen leiden. Um dieser hohen Zahl an betroffenen Kindern und Jugendlichen Sichtbarkeit zu verleihen, mit Tabus zu brechen und Unterstützung zu leisten, wurde das Projekt #visible ins Leben gerufen“, sagt Bundesminister Wolfgang Mückstein (Grüne).

ELCO/KICO: Eltern Coaching/Kinder Coaching

Im Sommer letzten Jahres wurde deshalb in Zusammenarbeit mit pro mente OÖ, der ÖGK, dem Oö. Gesundheitsfonds sowie dem Bundesministerium für Soziales der ELCO/KICO-Standort in Braunau eröffnet. ELCO/KICO bietet Coaching und Beratung für Familien mit einem psychisch erkrankten Elternteil. Die Anlaufstelle in Braunau ist ebenfalls Partner des Projektes #visible und bietet sowohl Kindern im Alter von ungefähr vier bis zwanzig Jahren als auch den erkrankten Elternteilen beziehungsweise anderen wichtigen Angehörigen Hilfe und Unterstützung.

Corona-Krise verschärft psychosoziale Probleme

„Eltern mit psychischen Erkrankungen und deren Kinder hatten schon vor der Corona-Pandemie eine Vielzahl an Schwierigkeiten zu bewältigen. Die Pandemie verschärfte beispielsweise durch Einkommensverluste, häufigere Beziehungsabbrüche und verstärkte soziale Exklusion die Belastungen immens. Betroffenen Familien, und hier im Speziellen den Kindern und Jugendlichen, Entlastung durch spezifische Angebote zu ermöglichen, ist dringend nötig, um die Folgen drohender oder bestehender Armut und Ausgrenzung abzuschwächen“, so Bundesminister Mückstein.

Drastisch erhöhter Bedarf

Weltweit verzeichnen Beratungsstellen im Verlauf der Covid-19-Pandemie einen drastisch erhöhten Bedarf an ihren Unterstützungsmöglichkeiten. Denn die von Ängsten, finanziellen Sorgen und sozialer Isolation geprägte Zeit übt einen zusätzlichen Druck auf die Psyche aus und befördert familiäre Konflikte. „Aufwachsen mit psychisch erkranktem Elternteil ist mehr als nur ein innerfamiliäres Thema. Angesichts der hohen Zahlen handelt es sich um eine gesellschaftliche Problemstellung. Kinder und Jugendliche bleiben vielfach, aufgrund eines fehlenden Bewusstseins und der Tendenz zur Tabuisierung psychischer Erkrankungen, in ihrer unsicheren Lebensrealität und Not allein. Das birgt ein hohes Risiko bleibender psychischer Narben und erhöhter Vulnerabilität. Es braucht daher ein konsequentes, präventionsbewusstes Hinschauen auf sozial-, bildungs- und gesundheitspolitischer Ebene, insbesondere weil Corona psychische Erkrankungen deutlich ansteigen lässt“, erläutert Birgit Blochberger, Projektleiterin von #visible.

Von der Zielgruppe für die Zielgruppe

Ein wichtiger Aspekt von #visible ist, Personen mit gelebter Erfahrung einzubinden. Aus diesem Grund wird das Projekt von einer Gruppe junger Erwachsener begleitet, die selbst mit psychisch erkrankten Eltern aufgewachsen sind und retrospektiv berichten. Die Gruppe bringt sich etwa durch Beratung, das Schreiben von Texten sowie der generellen Unterstützung der Kampagne ein. So entsteht ein Projekt von der Zielgruppe für die Zielgruppe.

Eigene Erfahrung mit psychisch kranken Elternteilen

Auch Ariane Hötzer spricht als Vertreterin der Zielgruppe aus eigener Erfahrung: „20 Jahre meines Lebens habe ich mich im Alleingang mit Fragen und Problemen auseinandergesetzt, die rund 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Österreich beschäftigen. Das Wissen, nicht allein zu sein, übte eine ungeahnte Wirkung auf mich aus. Es hat mich erleichtert und gestärkt, neue Ressourcen geschaffen und mich handlungsfähiger gemacht. Aus diesem Grund setze ich mich heute als angehende Psychologin für Projekte wie #visible ein.“ #visible bedeutet übersetzt so viel wie „sichtbar“. Und genau das ist das Ziel der Kampagne: Betroffene sichtbar zu machen.


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