Weitere Angebote

Sociale Medien

Kontakt

Einblick in eine Seele: Braunauer schreibt Buch über Depression

Theresa Senzenberger, 20.07.2022 07:00

BRAUNAU. Der Braunauer Simon Renzl beschloss während einer tiefen Krise und Depression, Erlebnisse, Ansichten und Erfahrungswerte zu verschriftlichen. Die berührenden lyrischen Texte, die dabei entstanden, wurden jetzt in einem Buch veröffentlicht.

Das neue Buch von Simon Renzl (Foto: Foto Amanda. Braunau am Inn)
  1 / 2   Das neue Buch von Simon Renzl (Foto: Foto Amanda. Braunau am Inn)

„So stehe ich da im Nebel / In der Ferne schwarzer Rauch / Stille tief ein Ozean ein dunkler Rausch / Wutentbrannt und doch so schwach / Gram verzehrt in dunkler Nacht / Keine Brücke hier und da / Im Schmerz ist manches wunderbar.“ Dieser Anfang einer der Texte lässt die Tiefe und das Gefühl der Perspektivlosigkeit bei einer Depression erahnen. Die Texte, die in „Im Antlitz einer Seele“ vereint sind, sind beklemmend, berührend, machen teils aber auch Mut.

Während das Tabu um die Krankheit Depression in vielen Bereichen der Gesellschaft noch immer nicht gebrochen ist, gibt der Autor mit seinem Werk einen einzigartigen Einblick in seine Seelenwelt und scheut sich nicht davor, verletzliche Seiten zu zeigen. Ein großes Credo, das hinter den Texten steht: Authentizität. „Ich habe mir geschworen, dass ich keine halben Sachen mache“, so der Braunauer.

Schicksalsschläge

Renzl hatte schon in seiner Kindheit mit Schicksalsschlägen und Krisen zu kämpfen. Die beruflichen Stationen waren sprunghaft und reichten von einer Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann über Arbeiten für Sicherheitsfirmen oder im sozialen Bereich bis hin zum Leiten von Führungen bei der Landesausstellung in Ranshofen. Immer wieder kamen Depressionsschübe dazwischen. Immer wieder schaffte er es aber, die Krisen aus eigener Kraft zu bewältigen. „Ich habe immer an mir gearbeitet.“ Während er in seiner Jugend die Besuche beim Therapeuten verschwieg, geht er jetzt offen damit um.

Schreiben als Therapie

Die Idee zum Buch kam ihm vor einem Jahr im Krankenhaus während seiner letzten Krise. Dort begann er auch mit dem Schreiben. „Ich wollte, dass die Situation für mich irgendeinen Sinn hat. Ich habe mir gedacht: Ich brauche etwas als Ausgleich für das Schlechte und wollte etwas Gutes draus machen.“

Entstanden sind die Texte dann innerhalb eines halben Jahres. „Großteils handelt es sich bei den Texten um eine therapeutische Aufarbeitung von Depression“, erklärt der 35-Jährige. Aber auch Weltansichten, Einstellungen, wie zu Leben und Tod, die sich über Jahre und Jahrzehnte entwickelt haben, sind zu finden. Nicht alles Geschriebene wurde selbst erlebt. „Es sind aber stets Themen, die mich beschäftigt haben.“

Nicht immer ist es während einer Depression möglich zu schreiben. „Die Krankheit kostet sehr viel Energie.“ Teils wollten die Texte aber fast schon von ihm geschrieben werden. „Bei meinem ersten Text bin ich um 4 Uhr aufgestanden und habe ihn in einem Zug geschrieben. Es gab Tage, an denen ich fünf bis sechs Texte geschrieben habe. Beim Schreiben spürte ich sowohl Erleichterung als auch Trauer. Dann gab es auch wieder Wochen, in denen gar nichts ging.“

Das Bedürfnis zu schreiben begann bei Renzl erst mit dem Start des Buches. „Früher habe ich versucht, eine Art tagebuchartige Dokumentation zu schreiben, das hat mir aber nicht wirklich geholfen.“ Dass er das Talent zum Schreiben hat, erkannte er aber schon in seiner Jugend beim Schreiben von Liebesbriefen. Dabei liegt das Künstlerische in seiner Familie, auch seine Mutter und sein Onkel waren bereits schriftstellerisch tätig.

Vorbilder vermieden

An literarische Vorbilder hielt sich der 35-Jährige beim Schreiben aber nicht. „Ich habe mich bewusst von jeglicher Inspiration ferngehalten. Ich wollte, dass die Texte unbeeinflusst sind.“ Aus diesem Grund verzichtete er auch auf Titel, um die Leser hier nicht zu lenken. „Es war mir wichtig, dass meine Texte authentisch sind – und im besten Fall Spielraum für Interpretation lassen.“

Werk als Wegbegleiter

Mit seinem Werk will Renzl auch anderen Menschen helfen. „Vielleicht können manche das Buch als Wegbegleiter sehen.“ Außerdem bieten die Texte durch den Einblick in eine Depression auch Anhaltspunkte für Menschen, die so etwas selbst noch nie erlebt haben. Vielleicht kann so das Verständnis für die Erkrankung verstärkt werden.

Angehörigen von an Depression Erkrankten rät der Autor, mit gut gemeinten Ratschlägen vorsichtig zu sein. „Manchmal ist es besser, einfach zuzuhören oder den Betroffenen Ruhe zu ermöglichen.“ Er weiß aber, dass auch Angehörige viel Geduld und einen langen Atem brauchen. „Es ist ein Kraftakt für alle Beteiligten.“

Inzwischen geht es Renzl wieder besser und der erste literarische Erfolg hat sich bereits eingestellt. Der Text am Anfang des Artikels wurde von der Frankfurter Bibliothek und der Goethe-Stiftung unter die besten Gedichte von 2022 gewählt.

Der Stoff für weitere Bücher wäre auch da. Er möchte sich aktuell aber nicht mit den Themen beschäftigen. „Weitere Projekte stehen in den Sternen.“

Das neue Buch „Im Antlitz einer Seele“ ist überall, wo man Bücher bestellen kann, erhältlich.

Simon Renzl: Im Antlitz einer Seele. Innsalz-Verlag, 99 Seiten, 18,90 Euro

Kommentare sind nur für eingeloggte User verfügbar.

Jetzt anmelden