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Gefährdete Demokratie als Thema der Braunauer Zeitgeschichte-Tage

Theresa Senzenberger, 19.09.2023 17:30

BRAUNAU. Wie gefährdet ist die Demokratie? Dieser und anderen Fragen gehen Experten und das Publikum bei den Braunauer Zeitgeschichte-Tagen von 29. bis 30. September im Raiffeisen-Dienstleistungszentrum auf den Grund.

Florian Kotanko ist der Obmann des Vereins für Zeitgeschichte (Foto: Verein für Zeitgeschichte)
  1 / 2   Florian Kotanko ist der Obmann des Vereins für Zeitgeschichte (Foto: Verein für Zeitgeschichte)

Enden Demokratien, so passiert das meist nicht mit einem Knall, sondern sie verlieren schleichend an Zustimmung und werden an der Wahlurne abgewählt – so die Harvard-Professoren Daniel Ziblatt und Steven Levitzsky. Die Krisen der letzten Jahre beeinflussten die Demokratie, sagt Florian Kotanko, der Obmann des Vereins für Zeitgeschichte. Der Wert der Demokratie, die Wege und Methoden demokratischer Entscheidungsfindung sowie die Zukunftschancen eines demokratischen Staates werden zunehmend hinterfragt. Das Gefühl der Unsicherheit ist wiederum ein Nährboden für politische Verhetzung.

„Emotional vorgebrachte pauschale Kritik am ‚System‘, zuspitzende Polarisierung‚wir gegen die anderen‘, das Gefühl der mangelnden Chancen und Möglichkeiten zur Selbstwirksamkeit und Selbstverwirklichung, dazu der Geringschätzung beziehungsweise Vernachlässigung durch ‚Eliten‘ können eine gefährliche Spaltung der Gesellschaft bewirken – ihr da oben, wir da unten“, so Kotanko.

Österreich, und auch Braunau seien in Hinblick darauf keine „Insel der Seligen“: „Die Einflüsse sind auch bei uns spürbar.“

Mehr Einbindung gefordert

Rein formal habe es den Anschein, dass alles in Ordnung ist. „Aber das Engagement, der Wille zur aktiven Beteiligung an politischen und gesellschaftlichen Prozessen im Rahmen demokratischer Institutionen wird zunehmend durch Aktivismus überlagert, der von der Überzeugung getragen wird, die eigene Meinung sei richtig und deshalb augenblicklich umzusetzen“, erklärt Kotanko. Der Rahmen einer Demokratie, in dem die Wahl von Volksvertretern zur Entscheidungsfindung ein Kernelement ist, werde zunehmend in Frage gestellt. „Das Gefühl, nicht wirklich vertreten, sondern eher den Interessen anderer ausgeliefert zu sein, verbreitet sich meiner Meinung nach.“

Paradoxe Reaktionen darauf seien Bezüge zu autoritären Vorbildern. Andererseits gebe es Strömungen, die eine wesentlich stärkere Einbindung des ‚Volkes‘ durch Abstimmungen und Befragungen fordern. „Demokratien sterben langsam – wenn aber auch noch Entscheidungsträger ihrer Vorbildfunktion nicht gerecht werden, kann es schneller gehen.“ Kotanko zufolge ist ein nicht geringer Prozentsatz der in Österreich lebenden Personen von politischer Teilhabe ausgeschlossen. „In ihrem Fall wird tatsächlich ‚über die Köpfe hinweg‘ entschieden. Die bisherige Praxis, dass Volksbegehren mit einer bestimmten Unterstützung zwar im Parlament behandelt werden, aber meist konsequenzenlos bleiben, sollte geändert werden – ab einer bestimmten Unterstützung sollte eine verpflichtende Volksabstimmung eingeführt werden.“

Zerstörung der Demokratie

Mit vielen dieser Aspekte befassen sich die Zeitgeschichte-Tage, die am 29. September um 19.30 Uhr starten. Peter Huemer, der ehemalige Leiter der ORF-Sendung Club 2, thematisiert beim ersten Vortrag etwa die Frage: „Wie man eine Demokratie zerstören kann: gestern – und heute?“

Am Tag darauf spricht Florian Wenninger, der Leiter des Instituts für historische Sozialforschung, ab 9 Uhr zum Thema „Polizei in Diktaturen“. Darauf folgt ein Vortrag von Felix Butzlaff zu verschiedenen Möglichkeiten der demokratischen Beteiligung. Jonas Schaible behandelt ab 12 Uhr die Frage, wie wir das Klima, die Freiheit und demokratische Prozesse gemeinsam schützen können.

Martin Kreutner, der ehemalige Leiter der Österreichischen Anti-Korruptionsbehörde, gibt ab 14.30 Uhr einen Einblick in die Gefährdung der Demokratie durch Korruption. Zum Abschluss hält die Demokratieberaterin Tamara Ehs ab 16 Uhr die Rede „Verteidigung der Demokratie“.

Neue Ausstellung

Auch heuer ist wieder eine Ausstellung Teil der Zeitgeschichte-Tage. Diese wird um 18 Uhr im Kunstraum Valentinum eröffnet. Hier sind bis 23. Dezember Werke von Recha Kohn zu sehen. Die Tochter polnisch-jüdischer Einwanderer entging der Deportation durch die Nationalsozialisten nur knapp. Nach der erzwungenen Flucht überlebte sie den Weltkrieg in England und siedelte 1946 mit ihrer Familie nach Wien, wo sie als „Spätberufene“ an der Akademie der Bildenden Künste studierte. Die Werke der mittlerweile 103-Jährigen wurden international ausgestellt.

Kotanko freut sich, dass auch heuer wieder kompetente Redner zu den Zeitgeschichte-Tagen kommen: „Ihre Teilnahme trotz ihrer gefüllten Terminkalender beweist den Stellenwert und die Anerkennung, die wir mittlerweile genießen.“

Der Eintritt zu den Zeitgeschichte-Tagen ist frei. Aus Platzgründen ist eine Anmeldung, für jeden der drei Abschnitte Freitag, Samstag ab 9 Uhr und Samstag ab 14.30 Uhr, unter www.zeitgeschichte-braunau.at erforderlich.


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