
BRAUNAU/SCHÄRDING. Ein offenes Ohr bei wummernden Bässen, das haben der Schärdinger Florian Baumgartner und die Braunauerin Waltraud Menghin. Die beiden sind als Festivalseelsorger für Feiernde da, die jemanden zum Reden brauchen.
Lange Nächte, Alkohol und viele Emotionen. Die Partystimmung auf Festivals sorgt nicht immer nur für Euphorie. Besonders zu späterer Stunde können Feiernde auch nachdenklich werden und sind mitunter froh, wenn sie jemanden zum Reden haben. Für sie sind die Festivalseelsorger da. „Gerade wenn Alkohol im Spiel ist oder wenn Leute zwei bis drei Tage von ihrem Alltag weg sind, können Dinge aufkommen, die einen beschäftigen“, berichtet Pastoralassistent Florian Baumgartner.
Initiative aus Schärding
Ob beim Woodstock der Blasmusik, beim Electric Love Festival, dem Free Tree Festival, dem Donauinselfest oder am Welser Volksfest. Auf all diesen Festivals und Festen waren die Festivalseelsorger heuer vor Ort. Seit Baumgartner 2018 mit seinem Team die Festivalseelsorge in Österreich ins Leben rief, gibt es immer mehr Festivals, die mit den Seelsorgern zusammenarbeiten. Träger sind die katholische und evangelische Kirche.
„Mir ist der Gedanke, als Seelsorger auf Festivals für die Leute als Ansprechpartner da zu sein, schon länger im Kopf herumgegangen“, erzählt Baumgartner. „Beim Woodstock der Blasmusik wurde mir 2017 angeboten, einen Gottesdienst zu feiern. 2018 war ich dann erstmals mit einem kleinen Team als Festivalseelsorger vor Ort.“ Inzwischen hat sich die Arbeit der Seelsorger auf mehreren Festivals etabliert. Sie haben dort einen eigenen Standort mit Zelt, sind aber auch immer wieder in Zweierteams auf dem Gelände unterwegs, um mit den Besuchern zu reden. Erkennbar sind sie durch eine gelbe Warnweste mit der Aufschrift „Festivalseelsorge – Für die Zwischentöne des Lebens“.
Tiefgehende Gespräche
Während circa zwei Drittel der Interaktionen eher kurz sind und sich vor allem um Fragen wie „Was ist Festivalseelsorge?“ drehen, geht rund ein Drittel der Gespräche laut dem Seelsorger in die Tiefe. „Es sprechen Leute über Beziehungen oder darüber, wie es im Beruf weitergehen soll. Junge Einsatzkräfte berichten über Bilder von Einsätzen, die ihnen nicht aus den Kopf gehen. Manche sprechen über Depressionen, Überlastung, Belästigungen oder Erfahrungen mit Suizidversuchen“, berichtet Baumgartner. Dabei arbeiten die Seelsorger auch teilweise mit dem Roten Kreuz zusammen. „Es sind viele schöne und berührende Momente dabei, wo man merkt, man kann den Leuten helfen.“
Ein erstes Aussprechen
„Oft ist es ein erstes Aussprechen. Und oft kommt die Aussage: Ich kenne dich nicht, deshalb habe ich dir das erzählen können“, so Baumgartner.
„Bei manchen merkt man, sie sind befreit. Bei anderen hat man das Gefühl, es bräuchte mehr Begleitung.“ In diesen Fällen geben die Seelsorger Kontaktdaten zur Telefonseelsorge mit. Auf der Karte ist auch ein QR-Code, der auf eine Website verweist, die verschiedenste Hilfseinrichtungen, wie die Krisenhilfe oder den psychischen Notdienst, aufzeigt.
Rund 70 Seelsorger im Einsatz
Aktuell sind circa 70 Personen in ganz Österreich als Festivalseelsorger im Einsatz. Sie sind zum Beispiel in der pastoralen Jugendarbeit, aber auch als Betriebs- oder Krankenhausseelsorger tätig. Auch Menschen, die Psychologie oder soziale Arbeit studieren, engagieren sich ehrenamtlich. Alle Quereinsteiger absolvieren vor ihrem Einsatz eine dreitägige Ausbildung und erhalten eine Supervision. Leute zu missionieren ist laut Baumgartner keineswegs das Ziel der Festivalseelsorge, sondern es geht darum, für die Menschen da zu sein.
Notfallseelsorgerin
Waltraud Menghin beispielsweise ist Notfallseelsorgerin, war einige Jahre in einem Kriseninterventionsteam und war die letzten 20 Jahre Jugendleiterin und Betriebsseelsorgerin im Treffpunkt mensch & arbeit in Braunau. Für sie war es daher naheliegend, auch Festivalseelsorgerin zu werden: „Als mich Florian Baumgartner gefragt hat, ob ich mitarbeiten will, habe ich gleich zugesagt.“
Sie war heuer am Woodstock der Blasmusik und beim Free Tree Festival mit dabei. „Das Angebot wird jedes Jahr von den Festivalbesuchern und auch von den Veranstaltern immer mehr angenommen. Wir hatten viel zu tun“, freut sich Menghin.
Einprägsame Erlebnisse
Auch sie hatte auf den Festivals schon viele einprägsame Erlebnisse: „Besonders berührend ist es für mich, dass die Menschen sich sofort anvertrauen und ihre momentane Lebenssituation erzählen.“ Die Arbeit ist für sie bereichernd: „Mir gefallen die Gespräche mit den unterschiedlichsten Personen. Es sind auch manches Mal sehr lustige Gespräche dabei.“
Oft kommen tolle und herzliche Rückmeldungen, dass es die Seelsorge auf den Festivals gibt. „Oftmals werden wir gefragt, was Festivalseelsorge genau ist, und nach einer Erklärung kommen wir in gute Gespräche.“ Weitere Infos unter: www.festivalseelsorge.at