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Tandem-Abenteuer trotz Blindheit: Pensionisten aus Weng erkunden Südeuropa

Theresa Senzenberger, 12.04.2025 08:00

WENG. Reinhold Friedl aus Weng verlor wegen einer Erkrankung sein Augenlicht. Das hält den Pensionisten aber nicht davon ab, sich auf Abenteuer-Reisen zu begeben. Gemeinsam mit Anna Schwarz fuhr er vier Monate mit dem Tandem durch Europa.

Reinhold Friedl und Anna Schwarz machten vier Monate lang eine Tandemreise. (Foto: Privat)
  1 / 4   Reinhold Friedl und Anna Schwarz machten vier Monate lang eine Tandemreise. (Foto: Privat)

Es sind vor allem Geräusche, Gerüche und Erzählungen von seiner Partnerin Anna Schwarz, die Bilder der Reise in Friedls Kopf entstehen lassen: Meeresrauschen, der Geruch von Verbranntem in Olivenenhainen oder Gitarrenklänge in Santiago. Die Fahrt führte an Küsten entlang, durch Moorlandschaften, Pinienwälder, Nobelviertel und an Salzgewinnungsseen vorbei. Insgesamt radelten die beiden 6.580 Kilometer.

Statt Fotos zu machen, nimmt Friedl Audioaufnahmen von der Reise mit. Im Ohr hat er jetzt noch beispielsweise das Glockenläuten in Salamanca oder die Trommelmusik eines Ritterfestes in Rothenburg. Außerdem wurde vieles berührt und verkostet. Felsformationen und Korkeichen wurden ertastet, reife Oliven und Orangen geschmeckt. Auf der Reise aß er auch zum ersten Mal Muscheln.

Seine Sehkraft verlor Friedl durch eine Erkrankung. „Sie macht sich mit circa zehn Jahren bemerkbar. Mit ungefähr 50 Jahren führt sie zu Blindheit“, berichtet der Wenger.

Der 62-Jährige lässt sich davon aber nicht abhalten, die Welt zu bereisen. Gemeinsam mit Anna Schwarz war er schon öfter unterwegs – so fuhren die beiden bereits mit dem Tandem nach Barcelona. Jetzt machten sie aber eine besonders große Abenteuerreise: Sie durchquerten mit dem Tandem Europa.

Von Weng nach Sardinien

Von Weng ausgehend fuhr das Paar im September zuerst den Flüssen in Deutschland entlang und dann nach Luxemburg, Belgien, Frankreich und Spanien. „Wir fuhren mitten durch Spanien bis kurz vor Sevilla und dann rüber nach Portugal bis nach Faro und zum westlichsten Punkt Europas. Dann ging es zurück, quer durch Spanien an die Ostküste und von dort mit einer Fähre nach Mallorca“, erzählt Friedl.

„Wir wollten zu Weihnachten nach Sardinien und machten auf dem Weg einen Zwischenstopp in Barcelona. Dummerweise wurde die Fähre nach Sardinien wetterbedingt abgesagt – und so verbrachten wir elf Tage in Barcelona. Ich könnte jetzt Fremdenführer im gotischen Viertel der Altstadt sein“, schmunzelt die 67-Jährige. Silvester konnten sie dann aber gemeinsam mit Sohn und Schwiegertochter in Sardinien feiern.

Reisestopp wegen Handyvertrag

Und dort war dann auch das Ende ihrer Reise. Eigentlich wollten die Abenteurer bis ins Frühjahr rund um Europa fahren. Ihr Mobilfunkanbieter machte ihnen aber einen Strich durch die Rechnung. „Nach vier Monaten im Ausland konnten wir von dort aus nicht mehr telefonieren“, berichtet Schwarz. Deshalb brachen sie die Reise frühzeitig ab und fuhren von Sardinien aus nicht mehr wie geplant bis nach Sizilien. Stattdessen ging es zurück nach Hause.

Viel Spontanität

Während der Reise hatten die Pensionisten wenig geplant. So konnten die beiden beispielsweise auf die Wetterbegebenheiten gut reagieren.

Manchmal kamen sie deswegen aber auch in Bedrängnis. „In der Normandie hätten wir fast kein Zimmer gefunden. Und auch das Navi hatte keinen Strom mehr. Zum Glück ist eine Frau mit dem Rad vorbeigekommen, die uns geholfen hat.“ Immer, wenn die beiden Hilfe brauchten, kam Unterstützung von Fremden.

Auf der Grimaldi-Fähre schliefen sie zwischen den Sitzen auf dem Boden. „Das nächste Mal nehmen wir eine Kabine“, meint Schwarz. Wegen Navigationsproblemen ging es auch einmal durch ein Rübenfeld. Bis auf diese paar Schwierigkeiten sowie ein kaputtes Navi und Fahrradsitz, hatten sie aber kein einziges schlechtes Erlebnis.

Nette Begegnungen

Im Gegenteil: Die Reise war geprägt von vielen netten Begegnungen und hilfsbereiten Menschen. „Wir sind zwei Musikanten und machen daheim zu viert Musik“, sagt Schwarz. „Reini hat auf der Reise Mundharmonika gelernt – und so mehrere Leute kennengelernt und mit ihnen gespielt, wie am Weihnachtsmarkt in Barcelona.“

Vor der Reise hatte er sich mithilfe von Podcasts selbst Spanisch beigebracht. Vor allem in den Waschsalons kam es zu vielen Gesprächen. „Sie sind wie ein Kommunikationszentrum.“

Auch mit dem Wetter hatten sie Glück. Nur zweimal erwischte sie der Regen. „Überall, wo wir hinkommen, ist schönes Wetter.“

Viele Höhepunkte

Die beiden nehmen viele schöne Erlebnisse mit nach Hause. Eine besondere Erfahrung war beispielsweise ihr Stopp in Santiago de Compostela. „Wir sind genau zur Messe angekommen, als der riesige Weihrauchkessel in der Kathedrale geschwenkt wurde.“ Besonders eindrucksvoll für sie auch: Portugals Küste.

Mit Mut und Empathie

Dass seine Partnerin bei der Reise an seiner Seite war, ist für Friedl ein großes Glück: „Ihr Mut, ihre Empathie, ihre Abenteuerlust, ihre Resilienz und ihre Kontaktfreudigkeit haben wesentlich zum Gelingen dieses Abenteuers beigetragen.“

Eine weitere Abenteuerreise wollen sie unbedingt wieder machen. Anderen, die eine ähnliche Reise machen möchten, raten sie: „Nicht zu viel planen und nicht zu viel Gepäck mitnehmen – einfach fahren – es ergibt sich alles.“


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