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Herausfordernde Zeiten für die Jugend im Bezirk Braunau

Theresa Senzenberger, MA, 27.09.2025 11:30

BEZIRK BRAUNAU. Mit dem Schulbeginn startet für viele Jugendliche nicht nur eine Zeit des Lernens, sondern auch der Kampf mit dem steigenden Leistungsdruck. Wer Arbeit sucht, spürt zusätzlich die Unsicherheit angesichts der erhöhten Arbeitslosenzahlen im Bezirk. Immer mehr junge Menschen wenden sich daher an Streetwork Braunau. Streetworker berichten, was die Jugend im Bezirk aktuell am meisten beschäftigt.

Tamara Kaiser und Patrick Häuserer arbeiten bei Streetwork Braunau. (Foto: Streetwork Braunau)
Tamara Kaiser und Patrick Häuserer arbeiten bei Streetwork Braunau. (Foto: Streetwork Braunau)

Tamara Kaiser und Patrick Häuserer sind Sozialarbeiter bei Streetwork Braunau und erleben täglich, was Jugendliche im Bezirk bewegt. Dabei zeigt sich: Die Lebensrealitäten von Jugendlichen in der Region sind vielfältig. „Viele navigieren ihren Alltag mit bemerkenswerter Resilienz. Gleichzeitig erleben wir eine wachsende Ambivalenz zwischen Leistungsdruck, Unsicherheit und dem Wunsch nach Zugehörigkeit“, sagt Kaiser.

Streetwork Braunau ist einer von zwölf Standorten des Vereins I.S.I. in Oberösterreich und ist für den ganzen Bezirk zuständig. Das Angebot ist niederschwellig und freiwillig: Junge Menschen zwischen 12 und 25 Jahren finden hier einen sicheren Raum zum Reden – ohne Anmeldung, ohne Stigmatisierung. „Oft suchen Jugendliche in Streetwork das, was in anderen Lebensbereichen fehlt: Verlässlichkeit, Echtheit und urteilsfreie Begleitung“, sagt Häuserer. Streetwork findet in ihren Lebenswelten statt – die Streetworker sind großteils draußen auf der Straße unterwegs.

Psychosoziale Belastungen

Zu den größten Herausforderungen im Bezirk zählen etwa der Mangel an leistbarem, jugendgerechtem Wohnraum und die begrenzte Mobilität im ländlichen Raum. „Auch das Gefühl, nicht gehört oder ernst genommen zu werden, sei es in Schule, Familie oder Gesellschaft, beschäftigt viele“, berichtet Kaiser. „Isolation, Überforderung und das Gefühl des Nicht-Dazugehörens können dadurch verstärkt werden.“

Für die Streetworker ist deutlich spürbar: Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen – sei es am Arbeitsmarkt, im Bildungssystem oder im sozialen Miteinander – wirken sich auf das Wohlbefinden junger Menschen aus. Psychosoziale Belastungen gehören zum Alltag vieler Jugendlicher, erklärt Häuserer. Die Streetworker beobachten, dass immer mehr Jugendliche ihr Angebot in Anspruch nehmen. „Themen wie Angst, Druck, depressive Verstimmungen oder Identitätsfragen sind vermehrt präsent“, so Kaiser.

Hohe Arbeitslosigkeit

Eines der in Braunau aktuellen Themen ist zudem die erhöhte Arbeitslosigkeit. Für Jugendliche bis zum 19. Lebensjahr kann der Jobeinstieg derzeit eine Herausforderung sein, wie Stefan Seilinger, der stellvertretende Leiter des AMS Braunau, erklärt. Besonders junge Menschen ohne stabiles familiäres oder schulisches Netz erleben dadurch zusätzlichen Druck – oft schon aus Angst vor Arbeitslosigkeit.

Streetwork gibt hierbei eine ressourcenorientierte Unterstützung, indem die Sozialarbeiter zuhören, stärken und Orientierung geben. Gleichzeitig brauche es gesamtgesellschaftlich mehr, wie die Streetworker betonen: nämlich ein klares Bekenntnis, dass jeder Jugendliche eine Perspektive verdient, unabhängig vom Bildungsweg.

Die größten Anliegen

Was Jugendliche im Bezirk derzeit am meisten bewegt: Zugehörigkeit, Selbstwirksamkeit und Perspektiven. „Viele suchen nach einem Platz in der Welt, die oft widersprüchlich wirkt. Sie wünschen sich mehr Mitsprache, Raum zur Entwicklung und Angebote, die nicht nur fordern, sondern auch fördern“, erklärt Kaiser.

Die Braunauer Streetworker plädieren für mehr Strukturen, die echtes Mitgestalten ermöglichen, wie Häuserer betont: „Bildung, die nicht nur auf Leistung zielt, sondern Persönlichkeitsentwicklung fördert. Politik, die junge Menschen einbindet, statt über sie zu sprechen. Und Systeme, die Brücken bauen, zwischen Lebensrealität und Zukunftschancen.“

Sie sind überzeugt: Junge Menschen bringen neue Sichtweisen, Kompetenzen und digitale Affinitäten mit. „Wer ihnen Raum gibt, erlebt Innovationskraft und Engagement. Besonders in Bereichen wie Zivilgesellschaft, Umwelt und sozialem Engagement entstehen Räume, in denen Jugendliche gestalten – wenn man sie lässt“, betont Kaiser.

Unterstützung im Bezirk

Im Bezirk erhalten Jugendliche neben Streetwork auch Unterstützung durch punktuell offene Jugendarbeit, Schulsozialarbeit und andere Initiativen. Dennoch bleiben die Angebote ausbaufähig, wie die Streetworker erklären. Das betreffe gerade niederschwellige, nicht-kommerzielle Begegnungsräume außerhalb städtischer Zentren.

„Jugendarbeit, insbesondere die mobile, sieht, hört und begleitet dort, wo andere Systeme an ihre Grenzen stoßen“, sagt Häuserer. Streetwork sei aber kein Reparaturbetrieb für gesellschaftliche Versäumnisse, sondern vielmehr ein Partner für Entwicklung, Beziehung und Vertrauen. „Jugendliche brauchen kein Patentrezept – sondern Menschen, die da sind: echt, konstant, offen“, so Kaiser.

Weitere Infos:
Verein I.S.I: Initiativen für soziale Integration
www.verein-isi.at

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