Nach KTM-Pleite: Maßnahmenpaket gegen die Krise geschnürt
MATTIGHOFEN/LINZ. Anlässlich der aktuell angespannten wirtschaftlichen Situation und der KTM-Insolvenz trafen sich das Land OÖ, das Arbeitsmarktservice (AMS), die Wirtschaftskammer (WKO) und die Arbeiterkammer (AK) zu einem Runden Tisch in Linz, um Unterstützungsmaßnahmen für Betroffene sowie die Umsetzung derer zu planen.
Oberösterreich als führendes Wirtschafts- und Industriebundesland steht gerade, insbesondere aufgrund der Insolvenz des Motorradherstellers KTM und seiner beiden Tochtergesellschaften, vor einer erheblichen wirtschaftlichen Herausforderung. Rund 3.500 Beschäftigte sind von der KTM-Krise betroffen, und 750 Mitarbeitern droht die Kündigung. 250 Personen haben bereits ihren Arbeitsplatz verloren, weitere 500 sollen laut Sanierungsplan folgen. Durch die angespannte wirtschaftliche Lage befinden sich viele Unternehmen in der Region im Umbruch, doch ein Bündnis aus Politik, Sozialpartnern und Wirtschaft will den betroffenen KTM-Mitarbeitern, aber auch allen anderen Unternehmen in Oberösterreich, helfen und eine Lösung für die Zukunft des Betriebs finden.
Insolvenzstiftung im Aufbau
Ein zentraler Baustein der Hilfsmaßnahmen ist die Einrichtung einer Insolvenzstiftung mit einem Budget von drei Millionen Euro, finanziert je zur Hälfte von Land OÖ und dem AMS. Eine Insolvenzstiftung ist für Personen angedacht, die aufgrund von Insolvenz des ehemaligen Arbeitgebers ihren Arbeitsplatz verloren haben und beim AMS OÖ als arbeitslos vorgemerkt sind. Das AMS prüft zunächst, ob die am Eintritt in die Insolvenzstiftung interessierten Personen am Arbeitsmarkt vermittelbar sind und entscheidet, ob ein Stiftungseintritt erfolgen kann.
Die sich gerade im Aufbau befindliche Stiftung stehe nicht nur KTM-Mitarbeitern, sondern allen von Jobverlust Betroffenen in Oberösterreich zur Verfügung, betonte Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner (ÖVP). Die ersten Eintritte in die Stiftung sollen ab Jänner möglich sein, und Betroffene können bis zu vier Jahre lang von der Stiftung unterstützt werden. Pro Person stehen durchschnittlich 10.000 Euro für Umschulungen und Weiterbildungen bereit. Erfahrungsgemäß werden rund 25 Prozent der gekündigten Mitarbeitenden in die Stiftung eintreten, das wären im Fall von KTM etwa 150 Personen. Dennoch werden in der Stiftung vorsorglich 300 Plätze eingerichtet.
Auswirkungen auf die gesamte Region
Mattighofens Bürgermeister Daniel Lang (ÖVP) weiß: „Dieser Einschnitt wird auch Auswirkungen auf die Zulieferbetriebe im gesamten Bezirk und darüber hinaus haben.“ So befürchten viele Zulieferer durch die Insolvenz tiefe Einschnitte im Umsatz, so beispielsweise auch die RT Group aus Helpfau-Uttendorf, bei der KTM noch offene Rechnungen von rund vier Millionen Euro hat. Wie viele Zuliefererfirmen genau betroffen sind, könne man laut Klaus Berer, Leiter WKO Braunau, nicht sagen, „weil die gegenseitigen Verflechtungen zu komplex und uneinheitlich sind“. Klar ist: „Die Lage ist sehr angespannt. Klarerweise gibt es in der Region viele Betriebe, die in engen Geschäftsbeziehungen mit KTM stehen/standen und jetzt schon wissen, dass sie um offene Forderungen, teilweise in Millionenhöhe, umfallen werden.“ Außerdem habe die Pleite weitreichende Auswirkungen in der gesamten Region, etwa auf die Budgeterstellung für 2025 oder die Kommunalsteuer-Einnahmen.
Auch Achleitner weiß: „Es wird nicht bei KTM bleiben“, da auch andere Betriebe von wirtschaftlichen Problemen betroffen sind. Jedoch können sich Betroffene auf Unterstützung verlassen: „Wir lassen die Mitarbeiter nicht alleine und wir lassen vor allem auch die Zulieferbetriebe nicht alleine“, so der Wirtschaftslandesrat. Daniel Lang und Schalchens Bürgermeister Andreas Stuhlberger (SPÖ) sind sich einig, sie sehen positiv in die Zukunft von KTM. Man halte zusammen und gehe gemeinsam durch die Krise. „Nach jeder Talfahrt muss es auch wieder bergauf gehen“, so Lang optimistisch.
Jobdrehscheibe und Qualifizierungsoffensive
Das AMS OÖ verstärkt zusätzlich seine Bemühungen, betroffene Mitarbeitende schnellstmöglich in neue Jobs zu vermitteln. Über die sogenannte „Jobdrehscheibe“ sollen Menschen direkt an Unternehmen vermittelt werden, die Personalbedarf haben. Alleine im Innviertel gibt es aktuell 3.000 offene Stellen, in ganz Oberösterreich rund 20.000. „Das zu matchen ist eine der wichtigsten Aufgaben, die wir jetzt haben“, so AMS-Landesgeschäftsführerin Iris Schmidt. Dafür habe das AMS eine Taskforce in Braunau eingerichtet.
Darüber hinaus wird die Zahl der Qualifizierungsplätze von 2.000 auf 3.000 aufgestockt. Mit einem Budget von 40 Millionen Euro soll eine arbeitsplatznahe Qualifizierung ermöglicht werden, die Arbeitslosen den direkten Einstieg in neue Beschäftigungsverhältnisse erleichtert.
Kritik und Forderungen an KTM-Vorstand und Politik
Neben den geplanten Unterstützungsmaßnahmen gab es bei dem Treffen auch deutliche Appelle an KTM-CEO Stefan Pierer. Andreas Stangl, Präsident der Arbeiterkammer Oberösterreich, machte klar: „Wir brauchen den Eigentümer, um die Sanierung zu schaffen“, damit die verbleibenden Beschäftigten „eine Zukunft haben“. Pierer habe bei einer Betriebsversammlung Managementfehler eingeräumt, das sei aber ein „Extrathema“. Für die angestrebte Gläubigerquote von 30 Prozent müssten 540 Millionen Euro aufgebracht werden.
Doris Hummer, Präsidentin der Wirtschaftskammer Oberösterreich, appellierte unterdessen an die Bundesregierung: „Wir brauchen ein Strukturprogramm für den Wirtschaftsstandort.“ Man sei noch mitten in der Rezession. Zwar sehe sie in der Krise keine Insolvenzwelle für Zulieferbetriebe in der Region, jedoch seien Anpassungen in der Produktion und Personalreduktionen bereits spürbar.
Ein Silberstreif am Horizont
Trotz der ernsten Lage gibt es positive Signale. „Oberösterreich hat eine Arbeitslosenquote von nur 4,9 Prozent, die niedrigste aller Bundesländer in Österreich. Wir haben 20.000 offene Stellen und viele Unternehmen, die Mitarbeitende suchen“, betonte Achleitner. Die breite Unterstützung von Land, AMS und Sozialpartnern zeigt, dass alle Kräfte gebündelt werden, um den betroffenen Menschen und Betrieben Perspektiven zu geben.
Auch Achleitner ist optimistisch und verweist auf die Erfolgsgeschichte seit der Insolvenz der Vorgänger-AG von KTM im Jahre 1991, nach der CEO Pierer KTM zu einer Weltmarke entwickelt hat: „Herr Pierer hat das Unternehmen damals am Boden liegend übernommen und hat einen Weltkonzern gemacht, der jetzt in einer Krise ist und der alles daran setzt, dass er wieder für Kunden zurückkommt. Und man sollte schon diese Gesamtleistung wirklich würdigen, weil es bringt niemanden etwas, dass man dazu spekuliert, sondern es ist wirklich das gemeinsame Ziel von allen Beteiligten, vor der Bühne oder hinter den Kulissen, dass das Unternehmen wieder erfolgreich aufgestellt wird.“
Mit einem klaren Plan und starker Zusammenarbeit hofft Oberösterreich, gestärkt aus der Krise hervorzugehen. Die kommenden Monate werden entscheidend sein – nicht nur für KTM, sondern auch für den gesamten Wirtschaftsstandort Oberösterreich.
Stimmen aus der Politik
Das vereinbarte Maßnahmenpaket für die betroffenen Beschäftigten sei ein erster, wichtiger Schritt, heißt es seitens der Grünen. Die Situation müsse aber weiter genau beobachtet werden. Die nun beschlossene Insolvenzstiftung biete eine gute Grundlage an Unterstützung all jener Menschen, die aufgrund der KTM-Insolvenz ihren Job verloren haben und verlieren werden. Damit sei ein erster Schritt getan, auf einem Weg, der sich wohl noch länger fortsetzen wird.
„Die Einigung auf das Maßnahmenpaket ist eine durchaus gute Nachricht für die Betroffenen. Mit der Aussicht auf weitere Kündigungen bei KTM und diversen Zulieferbetrieben, darf man die Situation damit aber noch nicht abhaken. Das Land OÖ, AMS, Wirtschaftskammer und Arbeiterkammer müssen die Lage genau im Blick behalten, um für etwaige weitere Hiobsbotschaften auf dem Arbeitsmarkt gerüstet zu sein“, fordert Grüne-Arbeitsmarktsprecherin Ulrike Schwarz ein genaues Monitoring der Situation im Innviertel.
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