ECHSENBACH. Stock, Dreschflegel, Dreizack und Schlagstock –das sind die Waffen, mit denen die Sportunion Bushido Echsenbach in einer Kobudo-Einheit trainiert. Doch dabei geht es um viel mehr, als etwa einen Gegner zu bezwingen. Die beiden Vorstandsmitglieder Stephan Drödthann und Manfred Zeilinger nehmen die Tips-Leser mit auf einen Ausflug in die faszinierende Welt der fernöstlichen Kampfkunst.
Jedes Mal, wenn sich an diesem Mittwochabend gegen 18 Uhr, die Tür zur Volksschulturnhalle Echsenbach öffnete, war ein und dasselbe Ritual zu beobachten: eine kurze Verbeugung. Erst dann wurde der Raum in einheitlicher Kleidung, dem Karate-Gi, betreten. „Höflichkeit und Respekt sind hier wirklich das oberste Gebot, so zeigt man die Dankbarkeit gegenüber dem Kampfsport und den Anwesenden und auch, dass man hier, im Dojo, trainieren darf“, erklärt Vorstandsmitglied Manfred Zeilinger. Mit diesem kleinen Gruß der Verbeugung beginnt und endet jedes Karatetraining, jede Übung und jede Kata (genau vorgegebener Bewegungsablauf). Nach einem gemeinsamen Ritus, samt kurzer Meditation, startet dann das Training.
„Es gibt eine gewisse Etikette und die wird eingehalten“, informiert Übungsleiter Stephan Drödthann. Und das funktioniere auch und wird von der ersten Stunde an vermittelt. Dies zeigt sich bereits an äußeren Symbolen – alle tragen dieselbe Kleidung. Heute, hier in diesem Rahmen, wird jedem geholfen, die Schwächeren von den Stärkeren mitgetragen, Auslachen oder gar Verspotten ist fehl am Platz.
Schulung für Körper und Geist
Seit 2007 werden hier im Turnsaal in Echsenbach Karate-, Kobudo-, Tai Chi-, und Qi Gong-Kurse abgehalten, Stephan ist seit der ersten Stunde, seit 2007, bei der Sportunion Bushido Echsenbach, Manfred entdeckte den Kampfsport ein Jahr später für sich. Und für beide ist er aus heutiger Sicht nicht mehr wegzudenken, denn sie profitieren auch im wirklichen Leben unheimlich davon: „Ich hätte mir früher nie zugetraut, dass ich einmal andere trainiere. Vor anderen zu stehen und Referate zu halten, war damals für mich ein Horror“, gesteht Stephan. Das hat sich nun gewandelt, mehrmals in der Woche steht er nun als Übungsleiter und Trainingshelfer parat. Ja und Manfred? „Mich bringt nichts mehr aus der Ruhe“, grinst dieser – vom einstigen Motorradfahrer mit den steifen Gliedern ist heute nicht mehr viel zu erkennen, dank seiner Kampfsporterfahrung habe er viel an Beweglichkeit dazugewonnen. Und in der Tat, die ersten pfeilschnellen Bewegungen lassen schon erahnen, wie viel hier tatsächlich dahintersteckt.
„Karate wie auch Kobudo ist Millimeterarbeit, alles hat eine ganz bestimmte Ordnung, Arme, Beine, Zehen- und Fingerspitzen, Knöchel und Knie – die Grundstellungen sind genau geregelt“, erläutert Stephan. Sagt“s und nimmt erste Fußstellungen ein, dazu kommt noch die jeweilige Armtechnik, dann erste Vorwärts- und Rückwärtsschritte. „Schaut einfach aus, ist aber anfangs gar nicht so ohne“, grinst der 30-Jährige.
In den ersten Stunden üben Anfänger beispielsweise, eine richtige Faust zu machen – mit dem Daumen außen. Dazu kommt koordinatives Training: „Gegengleiche Bewegungen mit den Händen stellt viele vor große Herausforderungen, aber irgendwann schaffst du das plötzlich“, so Stephan. So lernt man nach und nach seinen Körper kennen, nimmt die eigene Haltung, Beweglichkeit, Gelenkigkeit, Atmung, Spannung und Entspannung wahr und legt gleichermaßen auch auf das Training seiner geistigen Haltung, seines Charakters und seiner inneren Einstellung Rücksicht. „Ich kenne für mich keinen besseren Sport, weil er eben so ganzheitlich ist und alle Ebenen anspricht“, zeigt sich Stephan begeistert.
Kobudo: Waffen-Kampfkunst
Heute Mittwoch steht das Kobudo-Training, der traditionelle japanische Waffenkampf, am Programm. Eine Fertigkeit, mit der nicht viele Österreicher vertraut sind. Der Obmann des Vereins, Manuel Schüpany, brachte den Sport – ein „erweitertes Karate mit Waffen“ – ins obere Waldviertel. Von der Historie her, ist Kobudo mit Karate gewachsen. Im 16. Jahrhundert entwickelte sich die Waffen-Kampfkunst auf der Insel Okinawa, zu dieser Zeit herrschte strengstes Bewaffnungsverbot seitens der Besatzungsmächte. „Nur die Samurai hatten ihre Schwerter, und um sich gegen sie wehren zu können, funktionierte die ländliche arme Bevölkerung landwirtschaftliche Geräte und Werkzeuge zu Waffen um“, erklärte Stephan.
Auf der Turnmatte vor uns liegt ein Bo, ein 1,82 Meter langer Stab aus speziellem Holz, das nicht splittert. „Den hatte damals jeder zuhause, viele versteckten ihn einfach oberhalb des Türstockes“, so Manfred. Weiters eine Tonfa, ähnlich dem Polizeischlagstock. „Das war ursprünglich der Griff eines Mühlsteins“, erklärt der 30-jährige Trainingshelfer für Kobudo Stephan und schwingt dann den Sai, einen Dreizack aus Eisen, der Ähnlichkeiten mit einer kleinen Heugabel aufweist. Unwillkürlich kommt die Frage nach dem Verletzungsgrad auf. „Das ist gar nicht so schlimm, wenn jeder das macht, was er machen soll, tust du dir normalerweise nicht weh.“ Kleinere Verletzungen bleiben aber dann und wann nicht aus, so habe Stephan durch einen schlechten Block schon mal seinen Muskel beleidigt. Fehlt noch der Nunchaku, der Dreschflegel, „hier ist das Verletzungsrisiko für einem selbst das höchste“.
Vollkontakt vermeiden
Die große Kunst im Training sowie im Wettkampf ist es, den Vollkontakt mit dem Partner zu vermeiden, gut zu blocken und den anderen nicht zu verletzen. Trotzdem gilt es, so schnell, kraftvoll, zielgerichtet und exakt als möglich zu agieren. Am Zentimenter genau zu dosieren, um „seine Faust beispielsweise genau vor dem Kehlkopf des Gegners abzustoppen“. Und stetig die Kontrolle über dein Gegenüber zu haben.
Kampfschreie (Kiai) sind das Salz in der Suppe, Stephan zitiert eine beliebte Redewendung: „Man sagt immer, Karate ist laut schreien und schnell rennen, das ist die beste Selbstverteidigung. Aber auch das Schreien will gelernt sein, etlichen fehlt anfangs der Mut dazu, wissen die beiden Funktionäre aus Erfahrung.
Graduierungen
„Viele sind der Meinung, das Höchste ist der schwarze Gurt, dabei fangt es da eigentlich erst an. Da hast du dann vom einstigen Lehrling die Stufe eines Gesellen erreicht, und dein Körper ist so weit, dass du damit arbeiten kannst“, weist Stephan darauf hin. Im gebräuchlichen Graduierungssystem existieren neun Kyu-Grade, vom weißen (9. Kyu) bis hin zum braunen Gürtel (3. bis 1. Kyu). Danach kommen die Dan-Grade, die als Schwarzgurte bekannt sind und wieder zehn Ausprägungen haben. Manfred ist mittlerweile beim 2. Kyu angelangt, Stephan beim 1. Kyu Kobudo.
Aber selbst hohe Gürtelträger sollten immer mit den Augen eines Anfängers denken, auf Niedrige Rücksicht nehmen und ihnen Hilfestellung geben. „Darum heißt es ja so schön, nach dem Schwarzgurt wirst du wieder zum Weißgurt, da geht die Seide runter“, lacht „Braunträger“ Manfred.
Wettkämpfe stehen bei der Sportunion Bushido Echsenbach übrigens nicht im Vordergrund, das ist nur das Tüpfelchen auf dem i. Nichtsdestotrotz, sind die Mitglieder mal unterwegs, dann kommen viele als stolze Medaillenträger wieder nach Hause.
Über den Tellerrand hinausschauen, auch bei anderen Trainern üben, sich neue Inputs holen und immer an sich arbeiten, das ist ein Credo im Verein, der über konstante 130 Mitglieder verfügt. Oft müssen neue Kids aufgrund von Platz- und Zeitmangel sogar vertröstet werden. Das hätten sich die beiden Vereinsgründer Martin und Manuel Schüpany damals 2007 wahrscheinlich nicht erträumt. Für Stephan und Manfred ist es auf jeden Fall die schönste und abwechslungsreichste Sportart, mit der sie sich und ihren Körper erst so richtig kennenlernten. Ach ja: Und Japanisch lernt man nebenbei auch noch, zumindest ansatzweise!
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