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ENNS. Die Gablonzer zählten nach dem Zweiten Weltkrieg zu den wichtigsten Arbeitgebern in der Region. Fritz Waniek wurde 1938 geboren und erlebte 1945 die Vertreibung aus der Tschechoslowakei mit. Für Tips hat er die Geschichte der Gablonzer zusammengefasst.

Historische Luftaufnahme von Neu-Gablonz (Foto: Archiv Fritz Waniek)
  1 / 2   Historische Luftaufnahme von Neu-Gablonz (Foto: Archiv Fritz Waniek)

Die Gablonzer sind Sudetendeutsche aus Nordböhmen, die bis zu ihrer Vertreibung 1945/1946 aus ihrer Heimatstadt Gablonz eine blühende Glas- und Schmuckindustrie aufgebaut hatten. Die Vertreibung von dreieinhalb Millionen Altösterreichern fand unter dem damaligen Präsidenten der Tschechoslowakei Edvard Benes (Benes Dekrete) statt. Etwa 250.000 Menschen haben bei dieser völkerrechtswidrigen Vertreibung ihr Leben verloren.

Gablonz als Glasmetropole

Die Stadt Gablonz hatte 35.000 Einwohner und war Weltmetropole für Glas- und Schmuckwaren. Die Gablonzer sind die Erfinder des Modeschmucks und deckten 60 Prozent der Weltproduktion ab. Die Industrie entstand durch Zuwanderung von Glasmeistern im 16. Jahrhundert aus dem Erzgebirge. Die ersten Erzeugnisse waren Butzenscheiben, Gläser und Flaschen, die alle mundgeblasen waren. Die Rohstoffe Holz, Quarzsand, Kalk, Soda und Pottasche waren im Iser- und Riesengebirge reichlich vorhanden. 1756 übernahm Johann Leopold Riedl eine Glashütte in Antoniwald und baute diese aus. Die Hütte expandierte und erzeugte bis zu 600 Sorten Glas. Heute gibt es die bekannte Glasmanufaktur „Riedl“ in Kufstein.

Gablonzerschmuck aus Glas

Mit der Erfindung des Glasdrückens konnten dann auch Lusterbehänge, Glasknöpfe, Perlen und Glassteine hergestellt werden. Um die Glassteine zu fassen, entstand um 1790 das Gürtlergewerbe und dies war eine neue Entwicklung hin zum Modeschmuck. Aus der reinen Glasindustrie entwickelte sich eine Glas- und Schmuckindustrie mit über 4.500 Betrieben, 500 Exporthäusern, 40.000 Beschäftigten und zehntausenden Heimarbeitern.

Vertreibung nach Österreich

Nach der Niederlassung in Oberösterreich in verschiedenen Städten, wie Kremsmünster, Bad Hall und Wels, kam eine Gruppe von ungefähr 400 Personen nach Losensteinleiten, die dort in Baracken und im Schloss Auersperg unterkam. In kurzer Zeit entwickelten sich 25 Betriebe und am 3. Juli 1947 wurde von 45 Personen die „Gablonzer Genossenschaft“ gegründet.

Ansiedlung in Enns

Im Jahr 1950/1951 übersiedelte die Gruppe nach Enns. Die Zuwanderung nach Enns war vor allem der Weitsicht von Bürgermeister Josef Ziegler und Landeshauptmann Heinrich Gleißner zu verdanken. Die Ansiedlung erfolgte in den Pferdestallungen an der alten Steyrerstraße und auf Gründen an der Forstbergstraße. Der Wohnungsmangel führte 1950 zur Gründung der Wohnbaugesellschaft (GWG), die in den folgenden Jahren 1.000 Wohnungen und Häuser baute. 1975 erfolgte die Eröffnung der neuen Ausstellungshalle und des Großraumbüros der Gablonzer Genossenschaft durch Bundespräsident Rudolf Kirchschläger. Der Gesamtumsatz der ganzen Gablonzer-Gruppe stieg im Jahr 1980 auf ungefähr eine Milliarde Schilling, was zu enormen Steuereinnahmen für die Stadt Enns führte. Am 11. Dezember 1955 konnte die neue Ennser Stadthalle eröffnet werden. Bürgermeister Josef Ziegler wies bei seiner Eröffnungsrede auf diese sehr gute Entwicklung durch die Gablonzer hin.

Enns wird Zentrum der Gablonzer Schmuckindustrie

Die 56 Betriebe mit ungefähr 1.200 Mitarbeitern in den Firmen und mehr als 1.000 Heimarbeitern waren hauptsächlich mit der Erzeugung von Modeschmuck wie Broschen, Ohrclips, Colliers, Armbänder, Gürtel, Diademe und Krönchen beschäftigt. Bei den Metallwarenerzeugern wurden Abzeichen aus Metall und Kunststoff hergestellt. Die Gablonzer- Betriebe waren damit die größten Arbeitgeber in Enns. Aufgrund der geringen Sozialleistungen war die Heimarbeit sehr willkommen und ein ideales Zubrot. Enns erlebte einen wirtschaftlichen Aufschwung, das Postamt wurde zum Einschulungspostamt, die Züge hielten vermehrt in Enns, KLM und SABENA erhöhten die Frachtflüge.

Ende der Genossenschaft

Im Jahr 2008 wurde die Gablonzer Genossenschaft aufgelöst. Heute gibt es in Enns noch sieben Gablonzer-Betriebe. Eine blühende Industrie mit hoher Wertschöpfung und geringer Umweltbelastung, die viele Familien ernährt hat, ist der Globalisierung zum Opfer gefallen.

Vortrag und Ausstellung

Am Freitag, 14. Oktober findet um 18 Uhr im Auerspergsaal von Schloss Ennsegg ein Vortrag mit Filmvorführung über die spannende Geschichte der Sudetendeutschen statt.

Am 22. April 2023 wird im Schloss Ennsegg das Enns Museum eröffnet. Dort  wird auch die Gablonzer Schmuckindustrie ihren Platz finden.


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