
ENNS. Ein sicherer Job als Beamter – für viele ein erstrebenswertes Lebensziel. Daneben noch Vizebürgermeister sein, was will man mehr? Vor zehn Jahren ging der Ennser Manfred Voglsam allerdings einen anderen Weg: Er wechselte vom Beamtentum in die Selbstständigkeit und hat es bis heute nicht bereut.
Viele Ennser kennen Manfred Voglsam als politisches Urgestein. Bereits mit 15 Jahren trat er der Jungen ÖVP bei und war im ÖAAB aktiv. 2006 wurde Voglsam Gemeinderat, drei Jahre später Stadtrat. Von 2014 bis Dezember 2019 war er Vizebürgermeister und Referent für Straßen, Verkehr und Bauangelegenheiten. In seinem Brotberuf war er Beamter. 1988 trat er nach der Matura und Absolvierung des Präsenzdienstes in den Landesdienst ein. Beim Bezirksbauamt Linz wurde er zum amtlichen Bausachverständigen ausgebildet. Es folgte eine klassische Beamtenkarriere, Voglsam wurde Sachverständiger für die Bezirkshauptmannschaften und war zuständig für Veranstaltungsrecht und sanitätspolizeiliche Verfahren. In sein Betätigungsfeld fielen auch Apotheken, Bäder und Friedhöfe. Nach 25 Jahren im Staatsdienst als technischer Oberamtsrat und Stellvertreter des Bezirksbauamtes war ein neuer Lebensabschnitt gekommen.
Jahr der Veränderung
Ab dem Jahr 2013 begann sich die Personalsituation im Landesdienst zuzuspitzen. Aufgaben, die eigentlich drei Sachverständige erfordern, musste Voglsam alleine bewältigen. Zudem war er immer stärker in die Ennser Gemeindepolitik eingebunden und hatte die Position des Vizebürgermeisters in Aussicht. Während eines Kuraufenthaltes in Bad Zell reichte Voglsam am 17. September 2013 schließlich die Gewerbeanmeldung ein und mutierte vom Beamten zum Jungunternehmer.
Erstes Büro am Hauptplatz
Als zukünftiger Unternehmer braucht man ein Büro. Im neu renovierten Haus des Freundes und Parteikollegen Wolfgang Gruber wurde das erste Büro eingerichtet. Die zentrale Lage am Ennser Hauptplatz hatte aber nicht nur Vorteile. Da Voglsam neben seiner beruflichen Tätigkeit auch noch leitender Gemeindepolitiker war, betrachteten manche Gemeindebürger das Büro als eine Art Außenstelle des Gemeindeamtes und suchten das Büro auch in politischen Angelegenheiten auf.
Herausforderung und Erfolg
Kurz nach der Einrichtung des Büros kam der erste Auftrag, ein Gutachten für einen Betrieb, wo es um einen Versicherungsschaden ging. Danach wurde es zäh. Die erhofften Aufträge, als nichtamtlicher Sachverständiger vor allem bei Betriebsanlagenverfahren zu fungieren, scheiterten an den Behörden. Rechtsanspruch auf einen nichtamtlichen Sachverständigen gab es damals noch nicht. Es kamen aber Kunden, die Voglsam nicht für Gutachten, sondern für Beratungen engagieren wollten. Es hatte sich offensichtlich in Unternehmerkreisen herumgesprochen, dass es da einen Ex-Amtssachverständigen gibt, der sich im Baurecht und Betriebsanlagenrecht auskennt. Das war die eigentliche Geburtsstunde des Betriebsanlagencoachings, welches dann über die Fachgruppe der Ingenieurbüros in der WKO mit eigener Förderschiene und eigener Ausbildung umgesetzt wurde. Mittlerweile gibt es eine Liste mit ungefähr 60 Betriebsanlagencoaches bei der WKO, die eines gemeinsam haben: Sie helfen Betrieben bei der Abwicklung von Behördenverfahren. Ende 2019 erfolgte der Ausstieg aus der Gemeindepolitik und 2020 kam es während der Pandemie zu einem enormen Anstieg der Aufträge. Der Durchbruch bei den Behörden stellte sich 2022 ein: Wegen Personalnot wurde Voglsam von der Stadt Traun als Sachverständiger für Bauverfahren auf Dauer engagiert.
„Das Wichtigste war aber das private Glück, indem ich 2017 meine große Liebe Karin fand, die mir seit über zwei Jahren im Backoffice nicht nur den Rücken frei hält, sondern mich auch bei der täglichen Arbeit unterstützt. Diese Liebe wurde durch unsere Hochzeit 2020 vollkommen. Seit 2019 sind wir auch in unserem eigenen Wohnhaus glücklich, in dem sich gleichzeitig unser Büro befindet“, erklärt Voglsam beim zehnjährigen Firmenjubiläum im Ennser Lokal La Tavola, zu dem sich zahlreiche Weggefährten einfanden. Neben WKO-Bezirksstellenobmann Jürgen Kapeller und Architekt Christoph Haas waren auch der ehemalige Landeshauptmann-Stellvertreter Franz Hiesl, der ehemalige Präsident des Bundesrates Gottfried Kneifel und zahlreiche Ehrengäste gekommen.
„Bereut habe ich gar nichts. Mir wurde schnell bewusst, dass es in der Selbstständigkeit wenig Urlaub, keinen Krankenstand, kein Urlaubsgeld oder Weihnachtsgeld gibt. Trotzdem ist die Selbstständigkeit mit großen Vorteilen wie einer halbwegs freien Zeiteinteilung verbunden. Wenn man fleißig ist, wird man belohnt. Ich würde den Schritt sofort wieder machen und kann es jedem nur empfehlen“, erklärt der Unternehmer im Interview.