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Ralf Muhr: „Ich habe mein Studium der Wiener Austria geopfert“

Thomas Lettner, 21.02.2022 08:11

ST. VALENTIN/WIEN. Nach 27 Jahren verlässt Ex-Sportdirektor und Nachwuchsleiter Ralf Muhr die Wiener Austria. Was seine Beweggründe sind und welche Pläne er für die Zukunft hat, erzählte uns der 51-Jährige, der früher für den SC St. Valentin kickte, im Tips-Interview.

Ralf Muhr (l.) mit seinem ehemaligen Schützling David Alaba (Foto: Ralf Muhr)
Ralf Muhr (l.) mit seinem ehemaligen Schützling David Alaba (Foto: Ralf Muhr)

Tips:Wie sind Sie 1994 zur Austria gekommen?

Muhr: Ich habe damals Publizistik und Theaterwissenschaften in Wien studiert. Der damalige Nachwuchsleiter der Austria kam auf mich zu, als ich gerade meine Trainerausbildung gemacht habe, und hat mich gefragt, ob ich es mir vorstellen kann, als Nachwuchstrainer zu beginnen. Ich war damals gleichzeitig auch noch U18-Nachwuchstrainer beim SC St. Valentin und habe auch in der Kampfmannschaft gespielt. Das habe ich relativ schnell bleiben lassen und habe bei der Austria die Trainerkarriere gestartet.

Tips:Haben Sie das Studium fertiggemacht?

Muhr: Nein. Ich bin dann schnell U15-Trainer im Bundesnachwuchszentrum (BNZ) geworden und Jugendleiter. Ich habe also mein Studium der Wiener Austria geopfert, wenn man so sagen will.

Tips:Waren Sie vorher schon Austria-Fan?

Muhr: Nein, das kann man nicht sagen. Ich war immer SC St. Valentin-Fan, weil ich dort aufgewachsen bin und mein Vater in dem Verein alles gemacht hat. Die Austria ist erst durch mein Engagement in dem Verein zu meinem Lieblingsverein geworden.

Tips:Sie hatten während Ihrer 27 Jahre bei der Austria so viele verschiedene Aufgabenbereiche: Nachwuchstrainer, Amateurtrainer, Sportlicher Leiter und zuletzt Leiter der Lizenzspieler-Abteilung. Wo hat es Ihnen am besten gefallen?

Muhr: Am liebsten war es mir immer, mit Menschen zu arbeiten und talentierte Spieler in ihrer Entwicklung zu begleiten. Das durfte ich in verschiedenen Rollen machen – als Akademieleiter, als Trainer und auch als Sportdirektor und in der Vertragsgestaltung. Das Erfreulichste war für mich immer, wenn unsere Eigenbauspieler in der Bundesliga eine gute Performance gezeigt haben und auch im Nationalteam ihre Leistung erbracht haben.

Tips:Welche Talente haben Sie begleitet?

Muhr: David Alaba, Alexander Dragovic, Markus Suttner, Rubin Okotie, Tomas Simkovic, Andreas Ulmer, Heinz Lindner und Alexander Grünwald waren alle Spieler, die wir in der Stronach-Akademie gehabt haben. Von der jüngeren Generation hatte ich Sascha Horvath und Peter Michorl, die beide beim LASK gerade hervorragend spielen. Huskovic, El Sheiwi und Jukic – da gibt es wirklich sehr viele, die es geschafft haben und auch Teamspieler geworden sind. Schön ist es zu sehen, wie sich die Spieler auch menschlich weiterentwickeln. Wenn ich David Alaba treffe, ist er so, wie er aufgewachsen ist. Da gibt es keine Allüren oder Berührungsängste. Es ist nach wie vor ein sehr respektvoller und ehrlicher Umgang.

Tips:Es gab in den vergangenen 27 Jahren sehr viele Auf und Abs bei der Austria. Was waren die schönsten und die negativsten Erlebnisse für Sie?

Muhr: Die schönsten Erlebnisse gab es immer in meiner Tätigkeit für die Akademie. Wenn nur ein Spieler aus dem eigenen Stall bei den Profis aufgelaufen ist, dann war das immer das lässigste Erlebnis. Dazu kommen noch alle Meistertitel im Nachwuchsbereich und alle internationalen Turniere, die wir gewonnen haben. Ein Highlight waren immer die Hallenturniere in Göttingen, die wir einige Male gegen Manchester United, Schalke 04, Ajax Amsterdam und den BVB gewinnen konnten. Aber egal wie erfolgreich man im Nachwuchs ist, ein Verein ist immer davon abhängig, was die Kampfmannschaft abliefert. Da war natürlich die Champions League-Teilnahme 2013 ein Highlight. In derselben Saison waren wir mit der U19 Premieren-Teilnehmer in der UEFA Youth League. Ich war Trainer der Mannschaft, die gegen Benfica Lissabon im Achtelfinale gespielt hat. In der letzten Phase meiner Austria-Karriere hatte ich schon viel mehr Verantwortung. Wenn es wirtschaftlich und sportlich nicht so läuft und man viel mit Krisenmanagement zu tun hat, zehrt das natürlich an der Substanz, das ist ganz normal.

Tips:Welchen Einfluss hatte die Stronach-Ära auf Sie?

Muhr: Ich war zehn Jahre lang Leiter der Stronach-Akademie. Ohne Frank Stronach gäbe es die professionelle Nachwuchsarbeit nicht, die sich in Österreich etabliert hat. Er war mit der Installierung der Stronach-Akademie in Hollabrunn die Triebfeder dafür, dass woanders auch professionelle Nachwuchsarbeit betrieben worden ist. Mit seinem finanziellen Engagement hat er es auch der ersten Mannschaft ermöglicht, dass viele Topspieler zur Austria gekommen sind, die wir uns sonst nie hätten leisten können. Das Auseinandergehen war nicht einfach und mit vielen Nebengeräuschen behaftet. Das hat der Verein aber wieder gut auf Schiene gebracht.

Tips:Sie sind mit dem Austria-Nachwuchs öfter nach St. Valentin zurückgekommen, um bei Turnieren teilzunehmen.

Muhr: Beim SC gab es immer zwei Highlights: Das Hermann Wallner-Turnier im Juni und das Michael Muhr-Gedenkturnier am 26. Dezember. Beim Hermann Wallner-Turnier habe ich Xaver Schlager, der vom SC St. Valentin kommt, öfter gesehen. Er hat bei uns mittrainiert, ist aber dann zu Red Bull Salzburg gewechselt, weil die Betreuung für ihn dort besser war.

Tips:Warum ist es zur einvernehmlichen Beendigung des Dienstverhältnisses bei der Austria gekommen?

Muhr: Nach so langer Zeit habe ich den Entschluss gefasst, etwas Anderes zu machen. Wenn man so lange in einer führenden Position bei einem Bundesligaverein ist, ist das sehr kräfteraubend. Die letzte Phase war sehr turbulent. Man kann also nachvollziehen, dass man wieder etwas Anderes machen will. Eine Veränderung tut sicher gut. Mein Ziel ist, weiterhin im professionellen Fußball zu arbeiten. Es gibt Möglichkeiten dazu und auch Gespräche in die ein oder andere Richtung.


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