
LINZ-LAND. Seit 2008 besteht auf einem 13 Kilometer langen Abschnitt der Westautobahn A1 zwischen Linz und Enns eine immissionsabhängige Geschwindigkeitsbeschränkung, bekannt als „Lufthunderter“. Dieser wird aktiviert, wenn die Schadstoffbelastung einen kritischen Wert erreicht. Ziel ist der Schutz der Gesundheit der Anrainer.
Luftschadstoffe, die über die Atemwege aufgenommen werden, können schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben, von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis zu Lungenkrebs. Stick-oxidbelastung kann auch zu Reizungen und Schädigungen der Atemwege führen und in der Folge auch Erkrankungen wie Asthma auslösen und die Lungenfunktion beeinträchtigen. „Der ,Lufthunderter‘ an der Autobahn A1 ist damit eine wichtige Maßnahme zur Gesundheitsvorsorge Zehntausender Menschen im dicht besiedelten Umland von Linz“, weiß Umwelt- und Klimalandesrat Stefan Kaineder.
Verordnung bleibt bestehen
Mittlerweile haben sich die Menschen an die Maßnahme gewöhnt, obwohl es bei der Einführung einen Aufschrei gab. Dank des „Lufthunderters“ konnte die Schadstoffbelastung für die dort lebenden Menschen sukzessive verringert werden. Ohne diese Tempobeschränkung wäre es nicht möglich, dauerhaft unter dem Grenzwert zu bleiben. Diese Maßnahme sei also entscheidend für die Gesundheit der Menschen und werde in Oberösterreich daher beibehalten, stellt Kaineder nach Evaluierung der Situation von Mai 2022 bis April 2023 – deren Ergebnisse nun vorliegen – klar. „Aus umwelt- und gesundheitspolitischer Sicht ist die Verkehrsbeeinflussungsanlage ein absolutes Erfolgsprojekt. Denn diese und viele andere Maßnahmen machten es möglich, die Luftschadstoffe bereits deutlich zu verringern“, freut sich der Landesrat.
Schutz der Gesundheit
Die Schadstoffemissionen von Stickstoffoxiden (NOx) und Stickstoffdioxid (NO2) sind von 2012 bis 2022 deutlich zurückgegangen – NOx um die Hälfte und NO2 um zwei Drittel. Stickstoff ist ein Vorläufer des Feinstaubs, der weitreichende Auswirkungen hat, insbesondere bei Kindern, die anfällig für Lungenkrankheiten sind. Umwelt- und Klimalandesrat Stefan Kaineder betont die Bedeutung präventiver Umweltpolitik. Aufgrund des vorsorgenden Gesundheitsschutzes sieht er keine Möglichkeit, den 100er aufzuheben.
Zusätzlich zu den gesundheitlichen Vorteilen führt die Tempobeschränkung zu einem geringeren Treibstoff- bzw. Energieverbrauch. Die Schalthäufigkeiten betragen ca. 20 Prozent der Zeit. An 42 Tagen gab es gar keine Tempo-100-Schaltung. Die Temporeduktion beträgt laut Messungen statistisch rund 10 km/h, was zu einer Zeitverzögerung von 36 Sekunden führt (bei tatsächlicher Geschwindigkeit). Der errechnete Zeitverlust von Tempo 100 gegenüber 130 liegt auf der Strecke zwischen Linz und Enns bei nicht einmal zwei Minuten. Kaineder betont, dass dieser Zeitverlust zum Schutz der Gesundheit der Menschen durchaus zumutbar sei. Der „Lufthunderter“ werde nur dann geschaltet, wenn es notwendig ist.
Verschärfung möglich
Im kommenden Jahr wird voraussichtlich eine europäische Grenzwertsenkung um 50 Prozent stattfinden (von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter auf 20). Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt sogar einen Grenzwert von 10 Mikrogramm pro Kubikmeter (seit 2021). Wenn dies in Kraft tritt, stellt sich laut Kaineder die Frage der Aufhebung des Luft-100ers sowieso nicht mehr. Langfristig sollen die WHO-Richtwerte kommen, jetzt soll ein Zwischenschritt gemacht werden. Verkehrslandesrat Steinkellner hat darauf hingewiesen, die Situation zu evaluieren. Da die Thematik in den Umweltbereich fällt, ist Kaineder zuständig und nicht das Verkehrsressort. Kaineder hält ein generelles Tempolimit von 100 aus Belastungsgründen und zum Lärmschutz für durchaus überlegenswert. Wenn Österreich seine Klimaziele ernst nimmt, müsse man sich auf jeden Fall damit befassen. Es sei auch wichtig zu betonen, dass der 100er nicht für E-Autos gilt.
Objektive Ergebnisse
Für Landesrat Günther Steinkellner zeigt sich, dass der Fortschritt tatsächlich durch objektiv erzielte Ergebnisse messbar ist. Warum Oberösterreich aber nicht dem Salzburger Vorbild folgt – wo die Geschwindigkeitsbeschränkung von 100 km/h auf der A10 aufgehoben werden soll, da die Grenzwerte für Stickoxide seit einiger Zeit konsequent unterschritten werden –, bleibt für ihn hingegen Diskussionsgegenstand, da auch im Streckenabschnitt Enns mit einem Jahresmittelwert für 2022 von 29,7 Mikrogramm pro Kubikmeter der Grenzwert von 30 bereits unterschritten worden sei.
„Die Geschichte hat uns gezeigt, dass wir Herausforderungen nicht durch Verzicht bewältigen, sondern durch neue Ideen und Anpassungsfähigkeit. Ob es unter diesem Credo zielführend ist, unüberwindbare Hürden aufzuerlegen und die freie Mobilität der Menschen immer weiter zu drosseln, bleibt diskussionswürdig“, so Steinkellner. Für den Mobilitätslandesrat bleibt es interessant, wie sich die Werte in den kommenden Jahren weiterentwickeln werden. „Ob man eine Willensbekundung mit einer logischen oder einer ideologischen Linse betrachtet, ist eine andere Thematik“, so Steinkellner.
Zuletzt sei darauf hingewiesen, dass laut der EU-Umweltagentur allein durch dauerhafte Schadstoffbelastung in Europa jährlich 240.000 frühzeitige Todesfälle verzeichnet werden.