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Corona-Krise und Schwedens Sonderweg: Mühlviertlerinnen erzählen von ihren Erfahrungen

Mag. Michaela Maurer, 28.04.2020 18:35

BEZIRK/SCHWEDEN. Schwedens Regierung geht in der Corona-Krise einen Sonderweg und setzt mit wenigen Einschränkungen auf Herden-immunität. Die Freistädterin Viktoria Wiklicky und Lisa aus Alberndorf mit ihrem Partner Mike und zwei Kindern leben derzeit in Schweden und erzählen, wie ihr Leben momentan aussieht.

Lisa wohnt mit ihrem Partner Mike und ihren zwei Kindern in Stockholm.   Foto: privat
  1 / 2   Lisa wohnt mit ihrem Partner Mike und ihren zwei Kindern in Stockholm. Foto: privat

Die schwedische Regierung hat nur wenige Ausgangsbeschränkungen beschlossen. Universitäten und Höhere Schulen sind geschlossen, Kindergärten und Grundschulen haben geöffnet. Versammlungen mit mehr als 50 Personen und Besuche in Altenheimen sind verboten. Geschäfte und Restaurants haben geöffnet, aber das Bestellen an der Theke ist verboten und es gibt keine Buffets mehr. Man bestellt bei der Bedienung am Tisch und hält Abstand.

Respekt vor dem Virus ist da

„Sehr viele Firmen bieten Home Office an. Es wird sehr liberal gehalten und sehr individuell. Es gibt Geschäfte, die offen haben, andere nicht. Manche haben Bodenmarkierungen für den Abstand und Plastikglaswände zur Sicherheit“, erzählt Lisa, die mit ihrem Mann und zwei Kindern in der schwedischen Hauptstadt Stockholm lebt.

„Respekt vor dem Virus ist definitiv da, aber medizinische Versorgungskapazitäten in Stockholm sind gegeben.“ Für ihre Familie wäre es möglich, ihren Alltag nahezu unverändert zu gestalten. Nur ihre dreijährige Tochter schicken sie nicht in den Kindergarten und der Gymnastikkurs wurde ausgesetzt. Ihr Partner Mike arbeitet an der Universität in Stockholm im Labor. Er hat schon früh eine Sondererlaubnis bekommen, damit er als Staatsangestellter, auch wenn ein Lock-down kommt, in die Arbeit kann.

„Hier ist alles relaxed. Im schönen Frühlingswetter machen viele Sport und gehen spazieren, die Kinder sind auf den Spielplätzen. Man sieht nicht mehr Leute mit Mund-Nase-Masken als vor dem Virus. Unsere Familie vermeidet es allerdings, in die Stadt zu gehen, Öffis zu nutzen und Freunde zu treffen.“

Mehr Abstand auch vor Corona

„In Schweden setzt die Regierung auf Freiwilligkeit, dass die Einwohner von selbst Abstand halten“, sagt Viktoria Wiklicky, die seit drei Jahren in Uppsala lebt und dort als Biologin an der Universität arbeitet. „Die Schweden halten generell eine Ellenlänge Abstand und Begrüßungs-Bussis sind hier eher selten, auch schon vor Corona. Wenn man aber die Gefahr durch Verbote nicht ständig vor Augen gehalten bekommt, werden die Beschränkungen manchmal im Alltag vergessen.“ Die Universität ist für Studenten geschlossen, das Personal darf im Labor arbeiten.

„Auf den Straßen in Uppsala, in den öffentlichen Verkehrsmitteln und in den Restaurants ist viel weniger los“, sagt Wiklicky. „In Stockholm arbeiten ebenfalls viele Leute von zuhause aus, spürbar ist dies im Pendlerverkehr in der U-Bahn“, sagt Lisa. „Bewusstes Abstand halten nehmen wir nicht wahr. Abgesehen davon, dass keine Touristen hier sind, fällt es nicht auf, dass weniger Leute unterwegs sind oder in Downtown shoppen sind.“

Sorgen und Ängste

„Viele meiner Bekannten und auch ich halten sich freiwillig an Ausgangsbeschränkungen. Wir hatten zum Beispiel einen Ausflug in eine Hütte geplant und diesen abgesagt. Ich gehe derzeit auch in keine Restaurants und Einkaufen nur, um das Notwendigste wie Lebensmittel zu besorgen.“ Ihre Heimreise nach Freistadt zu Ostern hat sie abgesagt. „Meine Eltern sind über 60, mein Opa über 90. Ich wollte niemanden gefährden.“ Corona ist auch in Schweden täglich das Hauptgesprächsthema.

„Anfangs gab es viele Sorgen, wenn man die Lage in Italien beobachtet und die Beschränkungen in Österreich mitbekommen hat. Die schwedische Regierung kommuniziert die Sachlage gut und überlegt auch härtere Maßnahmen, sollte die Situation schlimmer werden. Es gibt auch hier Menschen, vor allem Jüngere, die die Ernsthaftigkeit nicht begreifen und nicht Abstand halten“, sagt Wiklicky.

Vier Mal mehr Tote

Kritik an den wenigen Beschränkungen gibt es von einigen Virologen und Medizinern, die diese Maßnahmen nicht ausreichend finden. In Schweden sind bisher zirka 2.000 Menschen bei 10,2 Millionen Einwohnern gestorben, in Österreich sind es bei knapp 8,8 Millionen Einwohnern 549 Tote (Stand: 27. April).

„Wir denken, dass die Maßnahmen in Österreich sehr extrem sind im Vergleich zu Schweden ... damit wird Angst gemacht. Hier wäre das schwer möglich, da die Schweden sehr sozial und liberal sind. Strenge Vorgaben würden nicht gut ankommen. Den Schweden ist die wirtschaftliche Lage sehr wichtig und sie wollen diese so wenig wie möglich schwächen. Aber wenn man sich die Zahl der Todesopfer anschaut, haben wir in Schweden vier Mal so viele, das ist verheerend. Wir denken, dass man sich speziell hier in Stockholm mehr an die Empfehlungen der Regierung halten sollte, damit keine strengeren Maßnahmen kommen“, sagt Lisa.


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