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Interview mit Florian Aigner: "Lässt sich nicht die Mehrheit impfen, wird es weiter Lockdowns geben"

Mag. Susanne Überegger, 02.02.2021 16:02

BEZIRK. Florian Aigner ist Quantenphysiker, Wissenschaftspublizist und Buchautor. Tips sprach mit dem gebürtigen Freistädter (41) darüber, was aus wissenschaftlicher Sicht von Coronaleugnern und der Covid-19-Impfung zu halten ist – und wann wir endlich wieder zur Normalität zurückkehren können.

Der Physiker und Wissenschaftspublizist Florian Aigner stammt aus Freistadt und lebt in Wien. Foto: Gregor Hofbauer
Der Physiker und Wissenschaftspublizist Florian Aigner stammt aus Freistadt und lebt in Wien. Foto: Gregor Hofbauer

Tips: Was entgegnet der Wissenschafter Coronaleugnern, welche die Pandemie verharmlosen, oder sich nicht an die verordneten Maßnahmen halten?

Florian Aigner: Man muss da unterscheiden: Es gibt erstens Menschen, die wissenschaftliche Fakten über die Pandemie leugnen – die etwa behaupten, es gibt überhaupt keine Coronaviren, oder die Krankheit sei harmloser als die Grippe. Das ist naturwissenschaftlich gesehen einfach falsch. Dann gibt es zweitens aber auch Menschen, die zwar die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse akzeptieren, aber die Maßnahmen für überzogen halten – zum Beispiel mit dem Argument, man müsse die Wirtschaft stärker schützen. Der ersten Gruppe muss man klarmachen: Das sind einfach Fakten, über die man nicht diskutieren kann. Dass wir es mit einer gefährlichen Krankheit zu tun haben, dass sie über Viren von Mensch zu Mensch übertragen wird und dass sie vielen tausend Menschen das Leben gekostet hat, lässt sich genauso wenig bestreiten wie die Tatsache, dass sich die Erde um die Sonne bewegt. Bei der zweiten Gruppe ist es schwieriger: Wieviel wirtschaftlichen Schaden wir in Kauf nehmen, um unsere Sicherheit zu erhöhen, ist eine politische Abwägung. Es gibt keine mathematische Formel, die uns das eindeutig beantwortet. Allerdings zeigt sich: Auch wirtschaftlich stehen Staaten besser da, die rasche und harte Maßnahmen gegen die Pandemie ergriffen haben.

Tips: Viele Leute machen sich Sorgen, weil die neuen Covid-Impfungen schneller zugelassen wurden als andere Impfstoffe. Ist das nicht verständlich?

Florian Aigner: Natürlich sind Bedenken in so einem Fall verständlich – aber diese Bedenken konnten inzwischen alle ausgeräumt werden. Viele Schritte konnten einfach schneller durchgeführt werden als sonst, auch weil bürokratische Hürden aus dem Weg geräumt wurden und weil Geld in diesem Fall eine untergeordnete Rolle spielte. Es ist nicht so, dass die Impfstoffe weniger genau untersucht wurden als andere – ganz im Gegenteil: Die Studien über die Impfstoffe, die nun im Einsatz sind, wurden mit Sorgfalt durchgeführt, mit zehntausenden Testpersonen. Daher können wir uns mit gutem Gewissen impfen lassen, und das ist wichtig.

Tips: Nicht alle Fragen rund um die Covid-19-Impfung sind schon ausreichend geklärt, z.B. wie lange der Impfschutz vorhält und ob Geimpfte das Virus trotzdem weitergeben können. Wie kann man den Menschen das offensichtlich vielfach gegebene Misstrauen gegenüber der Wissenschaft nehmen?

Florian Aigner: Ja, genau auf diese Fragen hätte ich auch gerne endlich mal zuverlässige Antworten. Die werden wir auch bekommen – aber das dauert eben seine Zeit. Was wir jetzt schon sagen können: Der Nutzen ist jedenfalls größer als das Risiko. Natürlich gibt es manchmal Nebenwirkungen – sie sind normalerweise harmlos. Das nehme ich gerne in Kauf, wenn ich dafür vor einer Krankheit geschützt bin, die schlimme Langzeitfolgen haben kann und im schlimmsten Fall tödlich verläuft. Auch wenn wir noch nicht alles wissen: Dass es klug ist, sich impfen zu lassen, können wir heute bereits eindeutig sagen. Ich selbst würde mich am liebsten schon heute impfen lassen.

Tips: Wieviele Menschen müssen sich in Österreich impfen lassen, damit das Coronavirus hierzulande in Schach gehalten wird und wann spricht man von einer „Herdenimmunität“?

Florian Aigner: Zumindest zwei Drittel der Bevölkerung müssen immun sein, damit wir die Ausbreitung des Virus stoppen können. Sind es weniger, kann es immer noch passieren, dass nach dem Lockdown eine neue Krankheitswelle kommt, die das Gesundheitssystem an die Grenzen der Belastbarkeit bringt – nicht mehr ganz so schnell wie ganz ohne Impfung, aber immer noch mit einer bedrohlichen exponentiellen Ausbreitung.

Tips: Gibt es eine Alternative zur Impfung?

Florian Aigner: Nicht wirklich. Einige Länder haben gezeigt, dass man mit einem beherzten Durchgreifen und gut organisiertem Contact-Tracing viel erreichen kann. Aber auf exakt null Fälle zu kommen und gleichzeitig sicherzustellen, dass kein einziger mehr aus dem Ausland hereinkommt – das dürfte langfristig unmöglich sein. Und schon ein einzelner Fall kann plötzlich wieder zu einem exponentiellen Anstieg der Neuinfektionen führen. Wir haben also nur die Wahl: Entweder lassen sich die meisten von uns impfen, oder wir haben weiterhin immer wieder Lock-downs.

Tips: Werden wir mit der Impfung zur Normalität zurückkehren können und wenn ja, wann wird es nach Ihrem Ermessen so weit sein?

Florian Aigner: Wüsste ich das, wäre ich wohl weltberühmt. Wir können es derzeit einfach nicht sagen: Wie schnell können wir weite Teile der Bevölkerung durchimpfen? Wie viele Leute wollen sich überhaupt impfen lassen? Wirkt die Impfung auch bei allen Mutationen? Und wenn nein – schaffen wir es, rasch neue, bessere Impfungen zu entwickeln und zu verteilen? Ich hoffe jedenfalls, dass es bald wieder ein Leben gibt, wie wir es von früher kennen – mit Familien-festen, Partys und Konzerten. Ob das dann wieder dieselbe Art von Normalität sein wird wie früher, ist die Frage. Vielleicht wird es in Zukunft auch ganz abgesehen von Corona normal sein, in der Straßenbahn eine Maske aufzusetzen, wenn man sich ein bisschen krank fühlt. Und das wäre wohl gar nicht dumm.


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