BAD ZELL. 152 Erdställe gibt es im Mühlviertel, fast jeden von ihnen kennt Josef Weichenberger genauso in- und auswendig wie jenen beim Gasthaus Populorum in Bad Zell. Der Experte für die heimische „Unterwelt“ hat diese nun in einem Interreg-Projekt zwischen Österreich und Tschechien dokumentiert.
Seit mehr als 40 Jahren brennt Josef Weichenberger aus Linz-Ebelsberg für die Erforschung der heimischen Erdställe, die vor rund 700 bis 900 Jahren meist unter abgelegenen Höfen gegraben worden waren. „Heute versteht man nicht mehr, warum Erdställe nötig waren, es gibt keinerlei schriftliche Aufzeichnungen darüber“, sagt der gerade erst pensionierte Archivar des OÖ. Landesmuseums. Für den Erdstall- und Höhlenforscher ist die Zufluchtstheorie jedoch am plausibelsten.
Dreh- und Angelpunkt seiner Feldforschung in Oberösterreich war Bad Zell. Hier gibt es gleich neun von Menschenhand geschaffene Erdställe. Der bekannteste Erdstall befindet sich im Gasthaus Populorum („Zum feuchten Eck“) in der Huterergasse. Anders als bei den meisten derartigen Anlagen ist diese öffentlich zugänglich. Hans Hinterreiter, der Obmann des Kulturforums Bad Zell, führt jeden zweiten Donnerstag im Monat Gruppen bei historischen Ortsführungen auch in diesen Erdstall.
Selbstversuche
Josef Weichenberger schreckt auch vor Selbstversuchen nicht zurück, wenn es um die Erforschung der unterirdischen Höhlen und Gänge geht, um die sich viele Geheimnisse und Mythen ranken. Nach einer Woche mühsamer händischer Arbeit mit der Spitzhacke im engen Erdloch war nur ein halber Meter Gang mit 60 Zentimetern Breite entstanden. „Ein großer Aufwand, absolute Schwerstarbeit. Das muss den Leuten etwas wert gewesen sein.“ Er mutmaßt, dass es eigene Grabungsmannschaften gab. „Die sind von Hof zu Hof gezogen, haben ein Jahr lang für einen Bauern gegen Kost und Logis gegraben und am Schluss noch ein Schaf für ihre Arbeit bekommen.“
Zwei Tage lang ließ sich Weichenberger in einem Bad Zeller Erdstall einschließen. „Das hält man aus“, sagt er und sieht damit wiederum die Zufluchtstheorie bestätigt. Wortreich, sodass vor dem geistigen Auge Bilder entstehen, schildert er, wie Frauen und Kinder bei Überfällen durch Räuber in die Fluchtstollen geschickt wurden. Nach dem Abzug der Gauner kamen die Hausbewohner wieder sicher zum Vorschein. „Für längere Aufenthalte wie zu Kriegszeiten waren die Erdställe sicher nicht geeignet. Im Krieg wurden Höfe oft niedergebrannt, das überlebt man im Erdstall auch nicht“, glaubt Weichenberger. Auch die Nutzung als Kultstätte ist für die Koryphäe der Erdstallforschung nicht schlüssig. Keine der vielen Überlieferungen in Sagen würden darauf hindeuten. Eher wurden die Stollen als nicht geheuer und als Sitz der Totenwelt angesehen.
In der Publikation, die im Rahmen des Interreg-Projektes entstanden ist und die Weichenberger mit Petr Kos und Elisabeth Schiffkorn herausgebracht hat, dokumentiert der Höhlenforscher die 152 Erdställe im Mühlviertel und die mündliche Überlieferung, die nach wie vor lebendig ist.
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