Leidenschaft für Mundartpoesie im Alter entdeckt: Ingeborg Reiter schreibt über Erlebnisse und den bäuerlichen Alltag
PREGARTEN. Die heute 83-jährige Ingeborg Reiter hat im „Betreubaren Wohnen“ der Caritas in Pregarten ihre Leidenschaft für Mundartpoesie entdeckt.
Mit dem Pensionsantritt begann für Ingeborg Reiter ein ganz neues Kapitel. Die heute 83-jährige Mutter, Großmutter und Urgroßmutter zog 2006 ins Betreubare Wohnen der Caritas in Pregarten. Seither ist sie nicht nur Teil einer herzlichen Hausgemeinschaft – sie hat dort auch ihre Leidenschaft für das Schreiben von Mundartgedichten entdeckt. „Ich habe hier meine Ruhe, aber auch das gute Gefühl, nicht allein zu sein“, erzählt Reiter. In ihrer barrierefreien Wohnung lebt sie vollkommen selbstständig. Bei Bedarf steht ihr Caritas-Mitarbeiterin Barbara Hintersteiner zur Seite. Als Hauskoordinatorin begleitet sie die Bewohner organisatorisch und sozial – mit viel Herz und Engagement. „Nach jedem Arbeitstag gehe ich mit dem Gefühl nach Hause, etwas Sinnvolles getan zu haben“, sagt Hintersteiner, die das Haus seit 18 Jahren betreut.
Gemeinsam feiern
Gemeinsam Feste zu feiern, wie vor kurzem das Fastensuppenessen vor Ostern, sind besonders schöne Teile ihrer Arbeit: „Bei den Vorbereitungen helfen alle mit: Wer mag, schneidet das Gemüse, eine Bewohnerin holt Blumen vom Garten, andere helfen beim Servieren oder decken den Tisch. Jeder und jede nach seinen Möglichkeiten und Vorlieben. Besonders schön ist es, anschließend gemeinsam beim Tisch zu sitzen und sich auszutauschen. Und am schönsten ist es, wenn danach alle zusammensitzen, plaudern und Gemeinschaft spüren.“ Einen besonderen Beitrag zu solchen Anlässen leisten die Mundartgedichte von Ingeborg Reiter, die viele Feiern bereichern und zum Schmunzeln, Nachdenken oder einfach zum Wohlfühlen einladen.
Mitglied im Stelzhammerbund
Reiter, 1941 in Braunau geboren, wuchs auf einem Bauernhof in Selker auf und blickt auf ein erfülltes Leben zurück – als Schreibkraft, Produktionsmitarbeiterin und dreifache Mutter. Nach dem Einzug ins „Betreubare Wohnen“ fand sie Zeit, eine Leidenschaft aufleben zu lassen: das Schreiben. Seit 2018 ist sie Mitglied im Stelzhammerbund, 2019 erschien ihr erstes Buch „S’Gredad auf der Gred“. Im März 2025 stellte sie bei einer gut besuchten Lesung in der öffentlichen Bibliothek Pregarten ihr zweites Werk „Wia da wö“ vor – begleitet von Musik und mit viel Applaus von ihren Mitbewohnern.
Erlebnisse aus dem bäuerlichen Alltag
In ihren Gedichten bringt Reiter den kraftvollen Mühlviertler Dialekt zum Klingen. Sie bewahrt alte Ausdrücke und schildert in liebevoller Sprache Erlebnisse aus der Nachkriegszeit und dem bäuerlichen Alltag – humorvoll, lebensnah und mit einem feinen Gespür für das Menschliche. „Ich möchte mit meinen Texten die alte Sprache lebendig halten und zeigen, dass auch das Alter eine kreative Zeit sein kann“, sagt Reiter mit einem Lächeln.
Glückliche Kindheit
Stö da vor, mei Hirn macht jetzt an SprungUnd i bin auf oamoi wieder jung.
S’Leben damals ganz bescheiden war,aba es ist besser wordn va Jahr zu Jahr.
Ma hat’s ja net anders kenntUnd hat si net in Illusionen varennt.
D’Leit warn dort froh, dass da Kriag war vorbeiUnd haben si über d Arbat g’stürzt dann glei.
I hab trotz Bescheidenheit a guate Kindheit vabrachtUnd de Schulaufgabn nu a zeitlang ba da Ölfuns’n g’macht.
Wia i s’erste Mal hab kriagt an Orang’n in d’HandHab i mi g’fühlt wia im Schlaraff’nland.
Ma kann si’s gar nimmer vorstell’n heit,wia mi si damals nu üba Kloanigkeitn hat g’freit.
Aus: „Wia da wö: Gedichte aus dem Mühlviertel“ (BoD, 2025)
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