Starautor Thomas Sautner im Gespräch: "Literatur ist dazu da, Grenzen zu erweitern und aufzuwecken"
GMÜND. Das ist er also. Der Mann, der die Figuren erschaffen hat, mit denen ich mitgefühlt, mitgelitten und mitgelacht habe. Thomas Sautner sitzt mir in Arbeitshose und kariertem Hemd gegenüber und wärmt seine Hände an einer Tasse Kaffee. Sympathisch unprätentiös, mit strahlendem Lächeln erzählt mir der bekannte Schriftsteller nicht nur von seinem neuesten Werk, sondern gibt mir auch einen Einblick in seine Welt - eine literarische, lebensbereichernde Welt, die Staunen lässt und die Sinne streichelt.
Werke wie „Fuchserde“, „Die Älteste“, „Der Glücksmacher“, „Milchblume“, „Fremdes Land“ und „Das Mädchen an der Grenze“ sind mir nicht nur ein Begriff- sie haben ihren festen und wohlverdienten Platz in meinen Bücherregalen. Gelesen, geliebt, gehegt und gepflegt. Entsprechend war mir auch deren Schöpfer, Thomas Sautner, wohlbekannt. Anlässlich der Veröffentlichung seiner Neuerscheinung „Großmutters Haus“ durfte ich den gebürtigen Gmünder (heute lebt er nahe Heidenreichstein) persönlich kennenlernen.
Wenn Thomas spricht - das Du-Wort war sofort vereinbart - ist es, als würde man in einem seiner Bücher lesen. Das ist nicht nur Eloquenz, sondern zeigt seine große Liebe zur Sprache, zur Welt, zur Literatur. Genau so habe ich ihn mir vorgestellt, denke ich zufrieden.
Tips: Schon das Cover von „Großmutters Haus“ regt die Phantasie an: was hat Oma mit den Hanfpflanzen vor?
Thomas Sauter: Das ist natürlich provokant und durchaus gewollt (schmunzelt). Die Oma produziert Kräuterzigaretten. Sie pflanzt in ihrem lieblichen Gärtlein allerlei Gemüse, Kräuter und Blumen an. Bunt eingemischt in dieser Pflanzenvielfalt sind besondere Kräuter, die es buchstäblich in sich haben und die sie zu Spezialmischungen dreht. Der allegorische Sinn dahinter: sie will mit diesen Erzeugnissen die Perspektive, die Sinne erweitern, das eigene Ich, das Sein. Man darf sich also nicht erwarten, dass dieses Buch Drogenrezepte erläutert - es ist philosophisch zu betrachten.
Tips: In deinem neuen Werk trifft der Leser erneut auf Malina (Hauptfigur aus „Mädchen an der Grenze“). Ist das Buch als Fortsetzung gedacht?
Thomas Sautner: „Großmutters Haus“ kann als Nachfolgebuch von „Das Mädchen an der Grenze“ gelesen werde, es kann aber auch völlig unabhängig davon gelesen werden.
Tips: Hast du zu einem deiner Bücher eine spezielle Verbindung?
Thomas Sautner: „Das Mädchen an der Grenze“ - es ist mein wichtigstes Buch bis jetzt, ich weiß aber auch, dass es das Schwierigste ist. Der Leser kippt dabei in die schwierige Gedankenwelt der Malina, das macht das Buch so herausfordernd. Aber genau das ist Literatur. Literatur soll nicht Mainstream sein, sie ist dazu da, aufzuwecken, die Grenzen zu erweitern. Nicht nur örtliche, sondern auch gedankliche Grenzen. Genau das muss Literatur machen: Perspektiven erweitern und damit lebensbereichernd sein.
Tips: Ist es für dich als Schöpfer der Charaktere traurig, wenn du ein Buch vollendet hast und die Figuren somit „verlassen“ musst?
Thomas Sautner: Das Schöne ist doch, dass man Bücher und deren Figuren nicht abschließen muss. Als Leser kann ich ein Buch immer und immer wieder lesen. Und gerade bei Großmutters Haus schließt sich der Kreis auf besondere Weise. Es beginnt mit den Worten „Großmutters Haus lag mitten im Wald. Gleich einer einsamen Wolke am weiten Himmel.“ Und es endet damit, dass sich Malina nach ihrem Besuch mit dem Auto vom Haus entfernt und dabei denkt „wenn ich wollte könnte ich jetzt die Augen schließen und sähe es klar vor mir: Großmutters Haus, mitten im Wald, gleich einer einsamen Wolke am weiten Himmel.“ Das ist ein Hinweis darauf, dass man das Leben als Kreis lesen kann. Als Schriftsteller beginnt nach der Veröffentlichung meiner Bücher die Lesereise, so bleibe ich also unmittelbar verbunden mit meinen Büchern. Auch dadurch leben sie auf wunderbare Weise weiter.
Tips: Hand aufs Herz, welche Interviewfrage nervt?
Thomas Sautner: Als Autor ist mir das Werk das Wichtigste. Ich beantworte gerne jede Frage zum Buch, nicht aber zu meiner Person. Aus dem einfachen Grund weil ich nicht interessant bin - und das empfinde ich mit aller Ehrlichkeit. Wirklich interessant sind hoffentlich meine Werke. Sie sind viel klüger und haben viel mehr zu bieten, als ich zu bieten hätte. Das ist der Grund warum ich mir meine Bücher selber schenke - das Schreiben verhilft mir zu einer Erweiterung meiner selbst. Lesen und Schreiben sind Mittel um reicher zu werden - in der menschlichen Tiefe, in der Erfahrung, im Lebensgenuss. Im besten Fall passiert beim Schreiben dieser Zauber, dass du über dich hinausgehen kannst und etwas zu Papier bringst, das du im Normalfall nicht wissen kannst. Das sind diese magischen Momente. Letztlich vollendet aber erst der Leser das Werk: durch das Lesen wird es fertig. So entsteht es bei jedem Leser anders und dadurch ergibt sich wieder eine große Weite, die das Buch durch den Leser erst abdeckt - durch seine Sicht- und Leseweise. Das Buch ist konzentriertes Leben.
Tips: Kann man kreatives Schreiben lernen?
Thomas Sautner: Jein. Die Basis ist sicher das Talent, aber so wie bei allen Dingen steht das Training an vorderster Stelle. Das passiert zum Großteil einfach durch das Lesen. Autoren lesen sehr viel. Das ist die beste Schule meiner Meinung nach - gute Bücher zu lesen.
Tips: War die Veranlagung für die Lust am Schreiben schon immer da?
Thomas Sautner: Ja, eigentlich immer schon. Aus diesem Grund wurde ich auch Journalist. Ich bin den Dingen schon immer gerne auf den Grund gegangen, habe gerne recherchiert. Das mache ich auch nach wie vor für meine Bücher. Dabei lernt man wahnsinnig viel und beim Schreiben lernt man dann nochmal zusätzlich. Durchs Formulieren und Festhalten auf dem Papier lernt man die Dinge neu kennen. Die journalistische Arbeit war mir aber bald schon zu wenig, sowohl inhaltlich als auch stilistisch. Also war der logische nächste Schritt das Buch, da kann man stilistisch tiefer gehen und auch inhaltlich.
Tips: Was bedeutet das Waldviertel für dich?
Thomas Sautner: Heimat - und das wird es immer bleiben. Aber auch Rückzugsort, Besinnung und der Ort, an dem ich meine Bücher schreibe. Für viele meiner Werke ist es auch Ort der Handlung.
Verlosung
Der Roman „Großmutters Haus“, im Picus Verlag erschienen, umfasst 252 Seiten und ist ab sofort im Handel erhältlich. Gemeinsam mit dem Verlag verlost Tips ein Exemplar.
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