"Ich bin eigentlich überall, wo ich auftrete, sehr aufgeregt"
BAD ISCHL. Nach einer ungeplant langen Konzertpause kommt Hubert von Goisern mit seinem neuen Album „Zeiten & Zeichen“ zu einem Open Air in den Ischler Kaiserpark. Tips hat mit dem Liedermacher und Weltmusiker gesprochen: Über den Zusammenhang von Heimat und Sprache, über sein neues Album und über das, was er persönlich aus der Corona-Zeit gelernt hat.
Tips:Sie waren zuletzt viel in Deutschland zu hören. Macht ein Konzert fast „dahoam“ für Sie einen Unterschied?
Hubert von Goisern: Ich bin eigentlich überall, wo ich auftrete, sehr aufgeregt. Wenn ich in Mitteldeutschland spiele, etwa in Oldenburg, ist natürlich ein anderes Spielfeld für mich. Ich bin dort ein Exot, gewisse Ausdrucksweisen – nicht nur der Dialekt – sind dort anders, man hat eine andere Art, sich auszudrücken. Daher finde ich es sehr reizvoll, bei einem Auftritt auch im Dialekt reden zu können. Es fallen einem die volksmusikalischen Sachen mehr ein, wenn im Publikum viele Leute sitzen, die zum Beispiel auch Jodler kennen. Aber aufgeregt bin ich immer, hoffe, dass es gut geht. Ein bisschen anders ist es schon im Salzkammergut – da sind mehr Freunde im Publikum, Menschen die man kennt. Tips:Sie haben ja seit 2016 „Bühnenpause“ zum Schreiben gemacht, der Tourstart 2020 zum neuen Album fiel dann der Pandemie zum Opfer. Wie war es, nach so langer Zeit wieder auf der Bühne zu stehen?
Hubert von Goisern: Ich habe schon einmal siebenjährige Bühnenpause gehabt – vom Ende der Alpinkatzen bis 2001. Bei Bühnenpausen ist es eigentlich egal, wie lang sie dauern: Es ist ein Neustart, und es ist aufregend. Diesmal besonders: Wir sind zu sechst auf der Bühne – und vier der Musiker sind zu Tourbeginn nacheinander an Covid erkrankt, sodass wir beim ersten Konzert nur zu zweit waren. Dann kam noch ein externer Musiker dazu. Das war ein unglaublicher Stress: Wie kann man das, was man geplant hat, in total reduzierter Form über die Bühne bringen? Es war eine echte Feuertaufe.
Tips:Nach so einem Start kann einen wahrscheinlich nicht mehr viel überraschen.
Hubert von Goisern: Das war Stress pur, es geht nur ums Überleben. Es war aber auch ein Augenöffner – zu merken: Es geht. Das hat uns die Pandemie vielleicht auch gezwungen, zu akzeptieren: Dass nicht immer alles perfekt sein muss. Wie beim Kochen: Wenn man Spaghetti macht und man hat nicht alles zu Hause, was man normalerweise verwendet – dann kann man immer aus dem, was man hat, etwas machen. Demütig sein – auch das haben wir in der Pandemie gelernt. Und es hat auch einen anderen Reiz, etwas zu mobilisieren, von dem man nicht gewusst hat, dass man es hat.
Tips:Ihr aktuelles Album heißt „Zeiten & Zeichen“. Gleich zu Beginn findet sich mit „Freunde, das Leben ist lebenswert“ ein Stück über den mit Bad Ischl eng verbundenen Fritz Löhner-Beda, der in der Nazizeit im KZ ermordet wurde. Was bedeutet das Lied für Sie – und wird es in Bad Ischl zu hören sein?
Hubert von Goisern: Ich habe es vor. Seit wir wieder komplett sind, habe ich es immer gespielt. Es ist nach wie vor ein unglaublicher Willensakt, eine Überwindung, diese Geschichte zu erzählen – es schnürt einem beim Singen und Rappen die Kehle zu. Bis jetzt ist es aber immer gelungen, und ich werde es auch in Bad Ischl singen. Tips:Allgemein ist ihr neues Album ausgesprochen vielfältig – vom Nachdenken über die menschliche Dummheit bis zum schwungvollen Lied über einen Eiweiß verschlingenden Eisbären mit Sombrero. Wie passt das alles zusammen?
Hubert von Goisern: Das ist sehr lebensnah. Wenn man nur einen einzigen Tag hernimmt: Wir erleben so viel verschiedene Sachen, wir treffen so viele unterschiedliche Leute, jeder Tag ist so vielfältig. Es hat mich gereizt, dies Vielfalt auch bei meinem Album zuzulassen, Ja zu sagen, zu den Dingen, die daher kommen. Ein zweiter Grund war sicher auch, dass ich das Album nach einer langen musikalischen Pause produziert habe – ich habe ja an meinem Roman gearbeitet. Ich war daher in keinem Musikstil drin und habe einfach auf einem weißen Papier meine Ideen skizziert. Und da kam nach der langen Zeit einfach sehr viel. Es waren an die 40 Ideen – von denen sind dann 15 übrig geblieben, zwei weitere sind dann noch später dazugekommen. Tips:Auf der Bühne werden wohl auch einige alte Hits zu hören sein – worauf können sich die Besucher freuen?
Hubert von Goisern: Das wechselt je nach Konzert. Wir spielen natürlich die Nummern vom neuen Album, das sind allein zwei Stunden – mit Moderation noch länger. Nach 2,5 Sunden sind die Leute meistens am Ende ihrer Aufmerksamkeitsspanne. Daher nehme ich meistens zwei oder drei Lieder raus, die ich nicht spiele. Und wir haben auch viele alte Sachen im Programm, von Brenna tuats guat bis zur Afrika Overtüre. Was wir genau spielen, ist bei jedem Konzert ein bisschen anders, das entscheide ich, wenn ich dort bin, nach Gespür.
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