„Irgendwo steht man an – als Arzt, und als Betroffener erst recht“
GMUNDEN. Nach fast 40 Jahren im Krankenhaus Gmunden trat Dr. Helmut Mittendorfer vor wenigen Monaten in den Ruhestand. Tips bat den längstdienenden Chirurgen des Hauses – und gleichzeitig Mitbegründer der regionalen Hospizbewegung – zum Interview.
Tips: Wie hat sich die chirurgische Arbeit im Lauf der Zeit verändert?
Dr. Helmut Mittendorfer: Ich habe in den 80er-Jahren angefangen. Über Primar Hofrat Bauer kam ich viel mit Krebschirurgie in Kontakt. Es war eine erfüllende Zeit, aber nicht immer ein Honiglecken. Wir haben immer bestmöglich operiert – und als dann Chemo- und Strahlentherapie mit der Zeit wirksamer wurden, konnte man in Zusammenarbeit mit der Chirurgie immer mehr ausrichten. Dennoch habe ich gemerkt, dass das Einfache oft fehlte: Das Gespräch, der Kontakt sollte nicht unterschätzt werden.
Tips: Liegen hier die Wurzeln Ihres Einsatzes für die Hospizbewegung?
Mittendorfer: Ich habe damals in Absprache mit dem Chef auch eine Nachbetreuung eingerichtet – auch hier gab es viele medizinische Entwicklungen und die Überlebensrate nach den Operationen wurde immer besser. Ich habe parallel viel operiert – vor allem Brustchirurgie – und habe immer wieder erlebt, dass man nicht alle gesund machen kann. Irgendwo „steht man an“ – als Arzt, und als Betroffener erst recht. Ich bin dann in einer Buchhandlung zufällig über ein Buch über die Idee der Hospizbewegung gestolpert, und als nach einem Vortrag in Gmunden die Idee zur Gründung einer Gmundner Hospizbewegung kam, habe ich meine Mithilfe angeboten.
Tips: Die Hospizbewegung wurde 1999 gegründet. Sie sind seit Beginn als Obmann tätig. Wie hat sich die Arbeit in diesen zwanzig Jahren entwickelt?
Mittendorfer: Es wird in diesem sensiblen Bereich sehr gute Arbeit geleistet: Wir haben rund 20 ehrenamtliche Mitarbeiter – lediglich die Einsatzleiterin ist angestellt. Unser Ziel ist es, dem Tod nahe oder unheilbar kranke Menschen – vor allem Krebs oder neurologische Erkrankungen – zu unterstützen und zu begleiten. Wobei es oft auch so ist, dass die eigentlich Betroffenen ungeheure Kräfte entwickeln – und sich vor allem um ihre Angehörigen sorgen. Diese fühlen eine „innere Verpflichtung“, immer da zu sein und sind oft schon sehr erschöpft, weil die Betreuung sehr an ihnen zehrt und viel Kraft braucht. Für sie kann es dann sehr entlastend sein, wenn sie einmal für zwei Stunden weggehen und sich mit einer Freundin treffen können. Was sich auch sehr gut entwickelt hat, ist das Angebot der Trauerbegleitung: Reden kann oft viel helfen.
Tips: In den letzten Jahren haben Sie sich verstärkt auch Fragen der Ethik gewidmet – warum?
Mittendorfer: Die Frage nach dem Sinn des Leides ist eine, die mich sehr beschäftigt. Und weil mich Philosophie und Theologie immer schon interessiert haben, habe ich vor einigen Jahren nebenberuflich das Masterstudium Medizinethik und Bioethik abgeschlossen. Daraus hat sich ergeben, dass wir im Salzkammergut Klinikum ein Ethik-Komitee gegründet haben – dort bin ich auch trotz meiner Pensionierung weiterhin aktiv. Als zwölfköpfiges Team beraten wir Kollegen im Krankenhaus bei komplexen ethischen Fragestellungen – aber wir werten nicht, geben keine Entscheidungen vor.
Tips: Wenn Sie auf ihre lange, umfangreiche berufliche Arbeit zurückblicken – was war zentral?
Mittendorfer: Es war eine tolle Zeit, und es hat sich vieles entwickelt – alleine die chirurgischen Fortschritte, die in dieser Zeit gemacht wurden. Und ich habe eine tolle Frau, die es immer verstanden hat, wenn ich manchmal nur wenig Zeit hatte.
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