Delogierungsbetroffener: „Es kann jedem passieren“
EFERDING/ GRIESKIRCHEN. Günther G. (Name geändert) war glücklich: eigene Wohnung, Beziehung, Traumjob. Dann folgte eine Krankheit, am Ende der Abwärtsspirale stand der 45-Jährige vor der Delogierung.
Nach seiner Diagnose Burn-out verlor G. seinen Job, aufgrund der Krankheit und der andauernden Behandlung konnte er keine neue Arbeitsstelle finden. Im März 2020 war er schließlich großteils genesen, im Mai hätte er in seinem alten Unternehmen wieder zu arbeiten beginnen können. Mit der aufkommenden Corona-Pandemie schwanden die Aussichten des 45-Jährigen auf eine Arbeitsstelle. „Meine Wohnung gehörte einem privaten Vermieter, einer Gesellschaft in Wien. Ich habe meine Miete bis zum Beginn der Corona-Krise immer pünktlich gezahlt, als die Vermieter merkten, dass ich in finanziellen Schwierigkeiten steckte, wurde der Mietvertrag nicht mehr verlängert“, erzählt G. Er müsse binnen eines Monats ausziehen, wurde ihm schriftlich mitgeteilt. Aufgrund von Zustellungsschwierigkeiten erreichte der Brief mit der Kündigung den Mieter zu spät, das Einspruchsrecht des Mannes war verwirkt. „Ich war verzweifelt“, erinnert sich der gebürtige Grazer. Über die Caritas gelangte er schließlich zum Verein Wohnplattform, der sich des Falles annahm. Ein Auszug konnte nicht mehr vermieden werden. G. zog in eine kleine Übergangswohnung, die ihm der Verein zur Verfügung stellte, um. Befristet auf zwei Jahre darf G. in dieser wohnen und verpflichtete sich vertraglich, jeden Monat Geld für eine Kaution beiseite zu legen, um später in eine eigene Wohnung ziehen zu können. Dies stelle die meisten Klienten vor große Herausforderungen, so Oliver Jungwirth vom Verein Wohnplattform. „Je mehr Personen, desto größer muss die Wohnung sein. Je teurer die Wohnung, desto höher die Einstiegskosten wie die Kaution, beschreibt der Abteilungsleiter der Wohnplattform den Teufelskreis.
Am schlimmsten ist die Abhängigkeit
G. Wohnungslosigkeit brachte zahlreiche Nebenerscheinungen mit sich. Er vermeide soziale Kontakte, um nicht über seine Situation sprechen zu müssen. Was in seinem Leben passiere, sei abhängig von anderen geworden. „Ich war immer selbstständig und habe alles alleine erreicht“, erzählt er. „Nach so langer Arbeitslosigkeit wieder einen Job zu finden, ist in meinem Alter schwierig“, erklärt G. Zusätzlich steht eine Operation an, die ihm den Wiedereinstieg in die Arbeitswelt erschwert. Er selbst habe nie damit gerechnet, seine Wohnung zu verlieren. Sein Beispiel zeigt, dass sein Fall jedem passieren könnte. Er sei dankbar für die zur Verfügung gestellte Wohnung, wohlfühlen könne er sich aber nicht. Das Gefühl, in der Wohnung fremd zu sein, bleibt. G. hadert nicht mit seinem Schicksal. „Es gibt keinen Schuldigen, ich hatte nur sehr viel Pech in den letzten Jahren“, meint er. Er hätte sich früher Hilfe suchen sollen, aber lange Zeit wusste er nicht, wohin er sich wenden sollte. Er blickt realistisch in die Zukunft, große Pläne habe er nicht mehr. Er wünscht sich eine Arbeit und eine eigene Wohnung für sich und seine beiden Katzen. Dann könne er sich auch darauf konzentrieren, wieder vollends gesund zu werden.
Kein Räumungsstopp
Eine Delogierungswelle, von der in den vergangenen Monaten oft in den Medien zu hören war, erwartet Oliver Jungwirth nicht. Mietstundungen wären nur im März, April und Mai 2020 möglich gewesen, alle danach bezahlten Mieten werden auf die älteste Forderung angerechnet. Eine Räumungsklage konnte damit bereits im September 2020 eingebracht werden. Vier Räumungen wurden 2020 in Eferding durchgeführt, acht in Grieskirchen. Einen deutlichen Rückgang im Vergleich zu den Vorjahren gibt es nicht. 60 Prozent der Betroffenen sind Mehrpersonenhaushalte, meist haben die Personen finanzielle Probleme, leben in prekären Wohnverhältnissen oder in Trennung.
Information wichtig
Wichtig sei vor allem, Betroffene zu informieren, damit sie sich bereits vor einer Räumungsklage an den Verein Wohnplattform wenden könnten, erklärt Jungwirth. Wohnungsnot, hohe Kautionen und der ständige Anstieg der Mieten im Vergleich zu den Reallöhnen seien gesellschaftliche Faktoren, die Delogierungen begünstigten. In den Bezirken Grieskirchen und Eferding soll mit dem Projekt Sozius ein Ansprechpartner zu sozialen Fragen in jeder Gemeinde entstehen. Damit könnte der schlimmste Fall, die Delogierung, vermieden werden
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