„Es gibt keine eindeutige Grenze zwischen Pfusch und Nachbarschaftshilfe“
GRÜNAU. Österreicher pfuschen im Vergleich zu anderen Europäern eher weniger. Das ist eines der Ergebnisse der Forschung von Friedrich Schneider, Professor am Institut für Volkswirtschaftslehre in Linz. Beim 4. Biologicum Almtal in Grünau referiert Schneider zum Thema „Schattenwirtschaft: gesellschaftliches Schmarotzertum oder gesellschaftliche Kooperation?“ Tips hat vorab mit ihm gesprochen.
Tips: Schwarzarbeit ist illegal und steht unter Strafe. Doch ein Unrechtsbewusstsein scheint es in der Bevölkerung nicht zu geben. Warum ist das so?
Professor Friedrich Schneider: Nach meiner neuesten repräsentativen Umfrage zum Thema Schattenwirtschaft und Steuerhinterziehung in Österreich meinen 60 Prozent der Befragten, dass Dinge im Pfusch erledigen zu lassen, ein Kavaliersdelikt ist. Nur zwei Prozent zeigen einen Pfuscher an und nur vier Prozent der Befragten sagen, wenn man einen Pfuscher erwischt, sollte man für diesen hohe Geldstrafen vorsehen. Daraus erkennt man, dass ein Unrechtsbewusstsein beim Pfusch völlig fehlt, da die Leute meinen, sie arbeiten und da sie auch meinen, dass die Steuerlast eh schon sehr hoch ist.
Tips: Inwiefern kann man Pfusch als gesellschaftliche Kooperation bezeichnen?
Schneider: Pfusch kann man als gesellschaftliche Kooperation sehen, weil es gerade für die unteren Einkommensschichten möglich ist, zusätzliches Einkommen zu erzielen und sich das eine oder andere zu leisten.
Tips: Pfusch bringt Anbietern und Nutzern finanzielle Vorteile, was sind die negativen Effekte der Schwarzarbeit?
Schneider: Der Staat ist der große Verlierer vom Pfusch. Die negativen Effekte der Schwarzarbeit sind die Steuer- und Sozialversicherungsbeitragsverluste in Milliardenhöhe, möglicherweise ein unlauterer Wettbewerb, sodass der Handwerksbetrieb, der nicht pfuscht, weniger Aufträge hat, und dass auch im tatsächlichen Pfusch eine schlechte Dienstleistung erbracht wird.
Tips: Wo ist die Grenze zwischen Nachbarschaftshilfe und Pfusch?
Schneider: Eine eindeutige Grenzlinie zwischen Nachbarschaftshilfe und Pfusch gibt es nicht. Pfusch ist es dann, wenn monetär entlohnt wird und dies in erheblichen Umfang geschieht. Aber was erheblich ist, ist von Situation zu Situation verschieden.
Tips: In einer Studie haben Sie herausgefunden, dass in Österreich europaweit am wenigsten gepfuscht wird. Wie sind Sie dabei vorgegangen?
Schneider: Ich habe das Ausmaß an Pfusch für alle 28 EU-Länder berechnet und da schneidet Österreich mit einem Pfuschvolumen von neun Prozent gemessen am offiziellen BIP sehr gut ab. Messen konnte ich das, indem ich das Ausmaß an Pfusch für alle 28 EU-Länder mit dem gleichen Verfahren berechnet habe.
Ausführlich ist Professor Friedrich Schneider beim 4. Biologicum Almtal zu hören, das vom 5. bis zum 8. Oktober 2017 im Pfarrhof Grünau stattfindet. Der wissenschaftliche Leiter, der Scharnsteiner Professor Kurt Kotrschal, hat renommierte Referenten aus den Bereichen Biologie, Philosophie und Wirtschaft eingeladen, um das Thema Kooperation: „Miteinander. Gegeneinander“ aus vielfältigster Sicht zu beleuchten.
Ziel der Veranstaltung ist es, wissenschaftliche Themen auf verständliche Weise zu vermitteln. Das Programm umfasst Vorträge, Exkursionen, Workshops und die Möglichkeit zur Diskussion mit den Referenten. Gesamteintritt: 360 Euro
Infos: www.biologicum-almtal.at
Frei zugängliches Abendprogramm im Rahmen des Biologicums:
- Fr., 6.10., 20 Uhr: Singen mit Regionalchorleiter Martin Kaltenbrunner und Schlagzeuger Edi Moitzi
- Sa., 7.10., 20 Uhr: „Die Zebras – Improvisationstheater mit Live Musik“
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