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Für mich ist alles sehr spannend

Leserartikel Online Redaktion, 29.03.2016 08:08

HEIDENREICHSTEIN. Vor einigen Jahren hat Gerda Formanek ihre Liebe zur Geschichte entdeckt. Genau genommen zur geschichtlichen Vergangenheit der stolzen Burg der Stadt. Seit sie beruflich als Burgführerin tätig ist, dreht sich viel in ihrem Leben um das steinerne Wahrzeichen.
von ERICH SCHACHERL

  1 / 5   Burgführerin Gerda Formanek vor dem gedeckten Esstisch in der Ritterburg Heidenreichstein. Das Besteck fehlt nicht, damals gab es noch keines. Fotos: Schacherl

Das Angebot zu einer Führung durch die Heidenreichsteiner Wasserburg, eine der schönsten und beeindruckendsten ganz Österreichs, kam selbstredend von Gerda Formanek während des interessanten Gesprächs, um das ich sie gebeten hatte. Ihr Beruf als Burgführerin in Heidenreichstein war das Thema. Zu einer ordentlichen Recherche gehört eine Burgbesichtigung dazu, auch mein Interesse war da und so fand ich mich einige Zeit später beengt, keuchend und sehr auf jeden Schritt bedacht in dem kaminartigen, mit hohen, abschüssigen Stufen ausgestatteten Abschnitts des berühmten Geheimgangs in der Burg wieder, mich irgendwo hinter, zwischen und innerhalb der Mauern bewegend. Eine spannende Angelegenheit, abenteuerlich und irgendwie fühle ich mich in eine andere Zeit zurück versetzt.

Es begann 2014

Es sind höchst interessante, außergewöhnliche und oftmals witzige Anekdoten aus früheren Jahrhunderten, die die berufliche Burgführerin zu erzählen weiß. Seit 2014 ist sie zwischen März/April und Oktober an sechs Tagen der Woche in der Burg unterwegs, um Schulgruppen, Pensionisten, Firmenangestellte, Hobbyhistoriker und allerlei aus anderen Gründen interessierten Menschen die Entwicklung der Burg zu erzählen, während sie mit ihnen in den, der Öffentlichkeit zugänglichen Teilen der Festung unterwegs ist.

Geheimgang

Er ist vermutlich für jeden Besucher ein Höhepunkt, der Geheimgang in der Burg. Das kurze zu besichtigende Stück hat es in sich und lässt nicht jeden rein. Eine Besichtigung ist auch nur auf Anfrage möglich. „Der Geheimgang ist sicherlich eine interessante Sache“, sagt die Burgführerin dazu. „Aber eigentlich ist für mich alles sehr spannend“, fährt sie fort. „Die Burg wurde nie eingenommen, deshalb ist vieles noch darin vorhanden, was über die Jahrhunderte reingestellt wurde“, erzählt sie weiter. „Hier gibt es Möbel von der Romanik (begann ca. 1000 n. Chr.) bis in die Barockzeit (1575 bis 1770)“.

Den Löffel abgeben

Das ist wirklich außergewöhnlich und bei der Besichtigung der Bergfrieds – dem ersten Teil der Burg – und der im Laufe der Jahrhunderte an- und zugebauten Burgeteile sind viele dieser einzigartigen und historisch äußerst wertvollen Stücke nicht nur zu sehen, sondern Gerda hat auch feine Geschichten dazu. Der gedeckte Esstisch im zweiten Stock der Burg, an dem scheinbar das Besteck vergessen wurde beispielsweise. Nein, dem ist nicht wirklich so. Gerda kann schildern, was es damit wirklich für eine Bewandtnis hat. „Im Mittelalter gab es kein Besteck, da wurde mit den Fingern gegessen. Ein Messer war in erster Linie eine Waffe, die Gabel war noch nicht erfunden, einen Löffel hatte jeder bei sich“. Deshalb also kein besteck am gedeckten Rittertisch. Gleich darauf folgt eine weitere aufschlussreiche Erklärung: „Ein Löffel war damals sehr wichtig im Leben, den hatten die Menschen immer dabei. Wenn sie starben, gaben sie ihn an ihre Kinder weiter. Daher kommt das Sprichwort Den Löffel abgeben“. Erzählungen hat Gerda noch viele auf Lager. Da wäre beispielsweise der Hund im Damenbett, der Wärme wegen. Oder die breiten Sessel, um die eher kleinwüchsigen Menschen früherer Zeiten im sitzenden Schlaf zu halten. Und dann ist da noch die Sache mit dem Alkohol. „Alkohol wurde nicht nur getrunken, um Spaß zu haben, sondern auch um die Kälte besser zu ertragen“, klärt die Burgspezialistin auf.

Gut geführt

Die Kälte ist tatsächlich spürbar unangenehm, auch jetzt noch, weil die Burg nicht umfassend beheizbar ist. Wir verlassen das beeindruckende Mauerwerk. Wegen der Kälte gibt es Führungen auch nur in der wärmeren Jahreszeit, heuer haben sie Mitte März begonnen. Gerda freut sich auf die kommenden Touren durch die alten Mauern, die so etwas wie ein zweites Zuhause für sie geworden sind. Wenn sie durch die Räume gleitet und über die Schönheit und Einzigartigkeit der Burg, ihrer Räume, Einrichtung und Bewohner erzählt, ist sie in ihre Element. Sie kann begeistern, weil sie selbst begeistert ist. Jeder Besucher kann sich auf eine höchst interessante und spannende knappe Stunde freuen. Woche für Woche vertieft Gerda sich mehr in die Details der Übelieferungen, liest viel, erkennt Zusammenhänge und bereichert ihr Spezialwissen. Das was viele Jahre wegen anderer Lebensprioritäten hinanstehen musste, die Geschichte, lebt sie jetzt voll und ganz. Engagiert sich dafür, bildet sich weiter, tut, schafft und ist somit einem wesentlichen Lebensprinzip nahe gekommen. Wie sie selbst sagt: „Wenn einem etwas Spaß macht, macht man das ja gerne“.

Burg Heidenreichstein

02862/52268

www.kinsky-heidenreichstein.at


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