"Der Hausarzt, wie wir ihn kennen, ist ein Auslaufmodell"
HELFENBERG. In Zeiten wie diesen, in denen sich immer weniger Ärzte dafür entscheiden, als Hausarzt ihren Dienst zu verrichten, hat die gebürtige Steirerin Gisela Wohleser genau diesen Schritt gewagt. Was sie an ihrem Job liebt, aber auch, warum sie junge Ärzte verstehen kann, die sich das nicht antun, hat sie mit Tips besprochen.
Gisela Wohleser (53) treffe ich in ihrer Praxis in Helfenberg, wo sie seit 2010 Gemeindeärztin ist. Und das gerne, wie sie beteuert. Als Kurärztin in Windischgarsten hätte sie zuvor eine Stelle gehabt, in der sie es schön hatte, erzählt sie, doch sie wollte mal was anderes machen. Die Arbeit an der Basis reizte sie.
Vom Baby bis zum Greis
„Die Stelle in Helfenberg war ausgeschrieben und da habe ich mich einfach beworben. Und zwar deswegen, weil Hausarzt zu sein ein weites Feld ist. Man hat alle Altersgruppen vor sich, vom Baby bis zum Greis, alle beruflichen Felder von der Haut bis zum Kreuzweh. Und man lebt mit den Leuten mit, kennt ihre Schwächen, ihre Stärken, was sie vertragen und was nicht. Es reizte mich, mein eigener Herr zu sein, auch wenn das viel Verantwortung bedeutet“, plaudert die Ärztin. Und beschreibt damit, was sie so liebt am Doktor-Dasein.
Kein Zuckerschlecken
Wenn da nicht die andere Seite wäre: „Der Hausarzt ist von Montag bis Freitag von 7 Uhr früh bis 19, 20 Uhr da, selten kürzer. Wenn man mal eine Mittagspause schafft, dann kommt garantiert ein Notfall oder ein Anruf von Patienten dazwischen. Der Hausarzt muss während der Ordinationszeit ausrücken, hat Nacht- und Feiertagsdienste im Wochentakt.“
Mit Familie unmöglich
„Mit einer Familie wäre mir das viel zu stressig, Gott sei Dank hilft mir meine Schwester Gabriela so“, ist sie froh. Die Zwillingsschwester ist mit nach Helfenberg gegangen und bildet als Ordinationsassistentin und Physiotherapeutin die ideale Ergänzung zur Schwester. Die Verrechnung, Elektrotherapie, das Labor; kurz: alles, was organisatorisch notwendig ist, erledigt Schwester Gabriela – und immer geht da auch das Wochenende drauf.
Purer Idealismus
„Das ist halt so, es ist purer Idealismus, der uns antreibt“, sind sich die beiden einig. Das Modell des Hausarztes selber sei gar kein schlechtes, meint die Frau Doktor, „ich befürchte aber, so wie wir es kennen, ist es ein Auslaufmodell. Ich kann die jungen Ärzte verstehen, die sich das heute nicht mehr antun, jederzeit abrufbereit, viel Verantwortung, kaum Freizeit, kein Privatleben... Der Kassenarzt trägt die Hauptlast der medizinischen Versorgung, der Wahlarzt hingegen hat nur die positiven Aspekte des Arztberufes. Letztlich ist das der Grund, warum Kassenärzte aussterben.“
Zukunft in den Zentren
Hausärzte würden im Laufe der Zeit verschwinden, übrig würden die Ärztezentren bleiben, wie gerade in Haslach eins entsteht, meint Gisela Wohleser. Dort sieht sie die künftigen Arbeitsstellen ihrer Branche, vor allem am Land. Denn: Ärzte gebe es genug, nur die alleinige Verantwortung zu tragen, das wollen immer weniger.
Kommentare sind nur für eingeloggte User verfügbar.
Jetzt anmelden