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Die Geschichte der jüdischen Bevölkerung im Horner Bezirk

Olivia Lentschig, 24.02.2016 08:00

BEZIRK HORN. Im Rahmen einer Veranstaltung des Stammtisches der Horner Museen in Kooperation mit dem Bildungs- und Heimatwerk St. Bernhard-Frauenhofen informierte Heide Manoutschehri über die bevölkerungsmäßige Ausbreitung der ehemaligen jüdischen Mitbürger in den Gemeinden des Horner Bezirkes.

  1 / 2   Geschichtlich sehr versiert: Heide Manoutschehri (Mitte) umringt von zahlreichen interessierten Zuhörern  Fotos: Reinhard Hörmansdorfer

„Seit meiner Pensionierung befasse ich mich als Heimatforscherin mit der Geschichte des Horner Bezirkes. Im Zuge der Recherchen für die in Buchform erschienene Chronik von Frauenhofen entdeckte ich auch jüdische Einwohner in unseren Dörfern und befasse mich seither mit jüdischer Geschichte“, erläutert die Vortragende ihr Interesse für die geschichtlichen Abläufe.

In ihrer Eigenschaft als Restauratorin der Textiliensammlung der Horner Museen entdeckte Manoutschehri inzwischen einige verloren geglaubte Textilien aus der seinerzeitigen Synagoge von Horn und zeigte einen Auszug der fotografierten Stoffexemplare auch in ihrem Vortrag.

Erste Nachweise bereits in der Römerzeit

Wie Manoutschehri anhand von Lichtbildern berichtete, wird das erste Auftauchen von Juden auf österreichischem Boden belegt durch den Fund eines aus Goldblech hergestellten Amuletts aus der Römerzeit. Auf dem Fundstück ist die jüdische Gebetsformel „Schma Jisrael“ in altgriechischen Buchstaben vermerkt. Der Ausdruck „Schma Jisrael“, hebräisch für „Höre, Israel“, ist zentraler Bestandteil des täglichen Gebets.

Die nächste Erwähnung von Juden findet sich erst in der „Raffelstetter Zollordnung“ aus den Jahren 903 und 906. Diese Zollordnung regelte die zu entrichtenden Abgaben wie Maut und Zoll beim Befahren der Donau auf bestimmten Abschnittsstrecken. Hier wird ausdrücklich auf die Abgabenpflicht der Juden Bezug genommen und somit bewiesen, dass die jüdischen Händler damals schon einen großen Anteil am Handel zwischen dem fränkisch-bairischen Reich und den Slawengebieten hatten.

Auch später, als es zur Zeit der deutschen Besiedlung unseres Raumes zu vielen Stadtgründungen unter den Babenberger Herrschern kam, waren Juden als Geld- und Kreditgeber sehr gefragt und standen bei ihrer Herrschaft hoch im Kurs.

Mythos „reiche Juden“

Weil es den Christen untersagt war, Geldgeschäfte mit Zinsen zu tätigen und man den Juden sämtliche Berufe außer dem Geldgeschäft verboten hatte, bildete sich in der Bevölkerung die Ansicht vom „reichen Juden“, dem man seinen Reichtum neidete. Dass aber Juden mit höheren Steuern und Abgaben zu leben hatten als alle anderen Bürger, wusste niemand.

Hostienschändung

Im Jahr 1338 ereignete sich die erste große Judenverfolgung auf unserem Gebiet in Pulkau. Aufgrund von Anschuldigungen wegen eines angeblichen Hostienfrevels (Missbrauch von konsekrierten Hostien) ermordete und vertrieb man die ganze jüdische Ansiedlung. Die Häuser wurden daraufhin abgerissen und an deren Stelle die Pulkauer Blutkirche errichtet. Dieser Pogrom (gewaltsame Ausschreitung gegen Menschen) setzte sich auch in anderen niederösterreichischen Gemeinden fort.

100 Jahre später gab es den nächsten Pogrom, der in der Geschichte als „Wiener Gesera“ bekannt ist. Damals wurde die gesamte jüdische Gemeinde in Wien vernichtet – diese Vertreibungen setzten sich in Niederösterreich fort.

Ein dritter Pogrom ereignete sich 1669-1670 unter Kaiser Leopold I. Seit damals war bis 1848 eine Ansiedlung in unserem Raum verboten.

Freiere Religionsausübung für diskriminierte Minderheiten

Erst das „Toleranz-Patent“ Kaiser Josephs II. von 1782 erlaubte wieder jüdische Ansiedlungen. Doch erst im Jahre 1857 ließ sich die erste Familie in der Kleinstadt Horn nieder. Ihr folgten weitere nach – vor allem aus Böhmen und Mähren. Zuvor hatten sich nur jüdische Wanderhändler aus Mähren zeitweilig in Horn aufgehalten. Mitte der 1860er-Jahre bildeten die nur wenigen jüdischen Familien Horns eine „Betgenossenschaft“; ein verpflichteter Religionslehrer aus Mähren übernahm auch die Funktionen des Vorbeters und Schächters. 1874 konstituierte sich dann offiziell die „Israelitische Cultus-Gemeinde in Horn“; zu dieser gehörten später auch die Gerichtsbezirke Eggenburg, Gera, Haugsdorf, Oberhollabrunn, Ravelsbach und Retz.

Organisierte und gelenkte Gewaltmaßnahmen

Einen Schlusspunkt der „Judenfrage“ setzte der Nationalsozialismus hier in unserem Gebiet, indem man am 19. September 1938 die noch bestehende restliche jüdische Bevölkerung aus Horn nach Wien entfernte und sie dann weiter in die Vernichtungslager deportierte, wo sie umkamen.?


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