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Tanzpädagogin Gerlinde Roidinger gibt dem Tanz am Land eine Bühne

Susanne Winter, MA, 22.12.2021 08:11

NUSSBACH. Gerlinde Roidinger holt Tanz und Kunst am Land mittels Radiosendung und Veranstaltungen vor den Vorhang und spricht regelmäßig mit Tanz- und Kulturschaffenden über deren Arbeit. Für Tips hat die 37-jährige Nußbacherin die Rolle gewechselt und stellt sich nun selbst den Fragen der Redaktion.

  1 / 3   Gerlinde Roidinger setzt sich für die tänzerische Kunstvermittlung im Kremstal und Oberösterreich ein, wo sie seit 2015 als Sendungsmacherin und freischaffende Kulturmanagerin tätig ist. (Foto: Bernhard Roidinger)

Tips: Wann hat bei Ihnen die Begeisterung für das Tanzen begonnen?

Gerlinde Roidinger: Mich hat es immer schon beglückt, mich tänzerisch zu bewegen. Mit dem regelmäßigen Tanzunterricht in der Landesmusikschule Micheldorf habe ich 1992 begonnen, das professionelle Tanztraining begann ich erst viel später.

Tips: Was fasziniert Sie an der Tanzkunst?

Roidinger: Die tänzerische Bühnenkunst eröffnet für mich einen sehr spannenden Aspekt von Tanz: die Auseinandersetzung mit dem Menschen in seiner Ganzheit, das Spannungsfeld von innen und außen, Körper und Raum, Individuum und Gesellschaft. Die Tanzkunst ermöglicht es, mittels Physikalität und tänzerischer Komposition in Frage zu stellen – nicht nur, um persönliche Themen und gesellschaftliche Entwicklungen kritisch unter die Lupe zu nehmen, sondern um diese auch für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Tips: Was ist Ihr Lieblingstanz?

Roidinger: Improvisation! Und im Kontext von Paartanz auch Lindy Hop, Jive und Rock'n'Roll.

Tips: Sie sind Tanzpädagogin, welche Ausbildung haben Sie?

Roidinger: Meinen Bachelor-Abschluss der zeitgenössischen Tanzpädagogik habe ich an der MUK Wien gemacht. Zuvor machte ich das Diplom zur Tanz- und Bewegungspädagogin. Ich war an der Anton Bruckner Privatuniversität im Lehrgang „Tanz und junge Tänzer“.

Tips: Sie haben den Verein „tanzland“ zur Förderung von künstlerischem Tanz und zeitgenössischer Performancekunst im ländlichen Raum gegründet. Was versteht man darunter?

Roidinger: Tanz als Kunstform war im vergangenen Jahrhundert meist gebunden an eine Oper, ein Ballett, als Einlage, und entwickelte sich ab den 20er Jahren als eigenständige Kunstform. Damit einher ging eine Loslösung vom Ballett als Form hin zu Ausdruckstanz und Modern Dance. Zeitgenössischer Tanz oder Tanz als Kunstform heute vereint viele Bewegungsformen und Bewegungssprachen – dem Ausdruck sind keine Grenzen gesetzt. Der Begriff ‚Performance‘ meint eine situationsbezogene und handlungsbetonte künstlerische Darbietung. Die zeitgenössische Performance im Bereich der darstellenden Kunst kann als Kunstform verstanden werden, die sich keinem eindeutigen Genre zuordnen lässt, sich verschiedener Darstellungsformen bedient und zeitgemäße Themen auf der Bühne verhandelt.

Tips: Um den Menschen am Land Tanz und Kunst zugänglicher zu machen, informieren Sie im virtuellen Tanzkalender „tanzmelder“ über Tanztermine und Workshops in der Region. Zudem sprechen Sie seit 2015 regelmäßig mit heimischen Tanz- und Kulturschaffenden in Ihrem Podcast „tanztalk“. Warum ist es Ihnen wichtig, diese Akteure vor den Vorhang zu holen?

Roidinger: Tänzer werden oft gefragt: Welche Art von Tanz machst du, wo machst du das und kannst du davon leben? Mit den tanztalk-Interviews möchte ich einige dieser Fragen beleuchten und aufzeigen, welche Aufgaben und Herausforderungen Künstler im Bereich Tanz und Theater haben, und dass es viele professionelle Bühnenmenschen auch hier in der Region gibt. Meist sind diese nicht so sichtbar, weil sie international arbeiten, in einer Nische tätig sind oder ihre Arbeit schlichtweg nicht kommerziell ausgerichtet ist.

Tips: Welcher tanztalk ist Ihnen besonders in Erinnerung und warum?

Roidinger: Da gibt es mittlerweile sehr viele. Erwähnenswert ist das schöne Gespräch mit dem Schauspieler Josef Forster, der am Magdalenaberg das Theater mit Weitblick gründete. Zu Gast im tanztalk war auch die studierte Tanzwissenschafterin Isolde Reichl, gemeinsam mit ihr habe ich 2018 den ersten Kirchdorfer Tanztag organisiert, der seither in Inzersdorf fortgeführt wird. In Erinnerung ist mir auch das Interview mit dem Tänzer Philipp Stummer aus Scharnstein, der viele Jahre lang weltweit tourte und heute mit seiner Familie in England lebt, sowie der tanztalk mit Inge Gappmaier aus Adlwang, die in Wien lebt und zu den hervorragendsten Tänzern der österreichischen Szene zählt oder das Interview mit der Tanzpädagogin Lena Pirklbauer aus Wartberg, die Tanz für sehbeeinträchtigte Menschen erfahrbar macht. Hörenswert sind außerdem die Interviews mit der Tanztrainerin Marion Ferreira Pereira-Kogler, die hier im Kremstal recht umtriebig ist, als auch jenes mit dem mobilen Tanzlehrer Bernhard Prühlinger sowie die tanztalks mit Josef Braunreiter und Martina Hebesberger von der Volkstanzgruppe Micheldorf, mit der Mollner Tänzerin Edith Hickl sowie Barbara Hager, die lange Zeit in Graz künstlerisch tätig war und heute ihre Praxis in Kirchdorf hat. Erwähnen möchte ich noch das Interview mit meinem langjährigen Tanzlehrer und Mentor aus Paris, Bruno Genty, der sagt: Ich plane das Leben nicht. Es kommt.

Tips: Ende November wäre die Veranstaltung „open stage“ in Kremsmünster geplant gewesen, diese musste coronabedingt abgesagt werden. Die im Kremstal von Ort zu Ort ziehende Wanderbühne wurde 2017 von Ihnen ins Leben gerufen. Was ist die Intention dahinter?

Roidinger: Die Kunst kann sehr vieles. Ob kritisch, humorvoll oder einfach nur schön, sie ist für alle da, völlig unabhängig von Sparte, Stil und künstlerischer Ästhetik. Für mich eröffnet die Kunst Räume, bringt Gedanken in Bewegung, ermöglicht Gespräche, Austausch und Diskussion – auf Augenhöhe. Es gibt viele spannende Künstler und tolle Bühnen in der Region. Mein Anliegen ist es, diese inspirierenden Menschen und Orte immer wieder zusammenzubringen, um Neues zu schaffen, Schönes zu erleben und Spiel und Leichtigkeit zu kultivieren.

Tips: Abschließend würde ich noch gerne wissen, was Sie interessierten Tanzanfängern raten?

Roidinger: Erst tanzen, dann denken.

Tips: Und was sagen Sie zu Menschen, die meinen, sie hätten zwei linke Füße?

Roidinger: Das kenne ich nur zu gut.


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