Internationaler Tag des Drogenmissbrauchs: "Typischen Süchtigen gibt es nicht"
BEZIRK KIRCHDORF. Drogenmissbrauch ist auch im Bezirk Kirchdorf ein Thema. Tips sprach zum internationalen Tag des Drogenmissbrauchs am 26. Juni mit Wolfgang Klima von der Suchtberatung X-Dream, einem Angebot von pro mente OÖ. Er macht Mut: Der Weg von der Sucht zurück ins Leben kann gelingen.
Tips: Herr Klima, sind Drogen in Kirchdorf ein Thema?
Wolfgang Klima: Derzeit nimmt zwar die Zahl der Drogenkonsumenten eher ab, doch leider ist es für Jugendliche immer selbstverständlicher, Cannabis zu probieren oder regelmäßig zu rauchen. Ein Konsum von Cannabis bedeutet nicht gleich eine Abhängigkeit. An einem Cannabiskonsum ist auch noch niemand gestorben, doch speziell am Land, wo viele auf das Auto angewiesen sind, gibt es viele Verkehrsunfälle im Zusammenhang mit Drogen. Cannabis ist von der Problematik her mit Alkohol vergleichbar. Alkohol ist ein Zellgift und macht körperlich abhängig. Das tut Cannabis zwar nicht, es kann aber psychisch abhängig machen. Vor allem die heutigen Züchtungen mit starkem THC-Gehalt. Jugendliche können in eine Psychose kippen, die mitunter Jahrzehnte anhält.
Tips: Wie viele Beratungen führt das Team von X-Dream im Monat in Kirchdorf?
Klima: Zirka 40 bis 45 Gespräche – meist Einzelgespräche, es können aber auch Paar- und Familiengespräche sein.
Tips: Welche Drogen sind bei uns im Umlauf?
Klima: Cannabis hat das Begleitproblem, dass es zum Dealer führt, der auch andere Substanzen an den Mann bringen will. In Kirchdorf sind Kokain und Crystal Meth weniger ein Thema, doch neben Cannabis werden auch Opiate und Schlafmittel häufig konsumiert. Viele, auch ältere Menschen, wissen nicht, dass sie von Schlafmitteln abhängig sind, denn schon nach wenigen Wochen kann man davon abhängig werden.
Tips: Gibt es den klassischen Süchtigen?
Klima: Nein. Solange jemand eine regelmäßige Versorgung mit der Droge hat, kann sein Leben nach außen völlig normal wirken. Erst Versorgungslücken bewirken sichtbare Entzugserscheinungen. Drogenabhängigkeit gibt es in jeder Gesellschaftsschicht und Altersgruppe ab 13, 14 Jahren. Auch in „geordneten“ Familien, wobei hier das Tabu oft eine hohe Hemmschwelle schafft, sich Hilfe zu suchen.
Tips: Gibt es soziale Faktoren, die eine Abhängigkeit begünstigen?
Klima: Zum einen das Vorbild der Familie, etwa wenn Eltern stark rauchen. Mitunter ist auch ein Trauma wie Missbrauch der Grund von Drogenkonsum. Betroffen sind z.B. aber auch Kinder mit leichtem Hang zur Depression oder einer hohen psychischen Sensibilität. Sie scheitern am gesellschaftlichen Ist-Zustand oder setzen sich selbst einem zu hohen Druck aus. Der Probierkonsum tut sein Übriges. Bei Frauen ist es häufig so, dass sie mit dem Partner mitkonsumieren. Zwei Drittel bis drei Viertel der Drogenabhängigen sind männlich.
Tips: Welche Anliegen haben Hilfesuchende an Sie?
Klima: Wer selbst Beratung sucht, steht meist an einem Wendepunkt in seinem Leben: ein Kind, ein Beruf, persönliche Reife, der Verlust von Freunden, finanzielle Nöte etc. Wir erörtern jede Situation individuell. Als Therapie gibt es die Abstinenz, wo gänzlich von der Droge Abstand genommen wird. Hier ist die Rückfallrate relativ hoch. Bei der hingegen recht erfolgreichen Substitution wird ein Ersatzmedikament verschrieben, mit genau kontrollierter Dosierung. Im ländlichen Raum haben viele, die substituiert sind, weiterhin ihren Job. Ziel ist es, dass der Süchtige einem Beruf nachgehen kann, gesundheitlich stabil bleibt und am Leben teilnehmen kann. Die Entscheidung über die Therapie liegt beim Abhängigen. Wir bekommen aber auch Menschen zugewiesen, z.B. von der Justiz.
Tips: Und Sie beraten auch die Familien?
Klima: Wir beraten auch die Angehörigen, Partner, Arbeitgeber. Wir unterliegen strengster Verschwiegenheit. Jeder bekommt bei uns vertrauliche Hilfe. Kein Problem ist zu klein. Wir helfen zum Beispiel weiter, wenn jemand einen Verdacht auf Drogenmissbrauch hegt. Bei der Therapie selbst sollte das familiäre Umfeld nach Möglichkeit immer eingebunden werden.
Tips: Was raten Sie dem nahen Umfeld, wenn es Drogenmissbrauch wahrnimmt?
Klima: Am besten bei uns melden. Zunächst geht es um eine Analyse der konkreten Wahrnehmung. Den Betroffenen direkt ansprechen ist gut, aber nicht mit Schuldzuweisung. Besser ist es, Fakten aufzuzeigen: „Ich habe den Eindruck, du bist oft schläfrig. Mir fällt auf, du kommst oft zu spät.“ Falsch wäre zu sagen: „Ich glaube, du nimmst Drogen.“
Tips: Kann der Weg aus der Sucht bei jedem gelingen?
Klima: Eine Sucht sitzt tief. Aber es gibt definitiv Wege, damit umgehen zu lernen – für ein gutes Leben. Ob ohne Drogen oder durch die Substitution.
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