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Pilze, Market Gardening und Insekten: Innovationen in der Landwirtschaft

Susanne Winter, MA, 15.10.2024 19:10

BEZIRK KIRCHDORF. Wenn Landwirte vor der Entscheidung stehen, ob und wie sie einen Betrieb weiterführen, fällt das oft schwer. Kein Wunder: Meist ist eine größere, langfristige Investition notwendig. Ein Risiko in Zeiten von rasanten Veränderungen beim Konsumverhalten, Tierschutz und Klimawandel. Doch welche Perspektiven haben Landwirte? Innovationsberaterin Veronika Ploner von der Bezirksbauernkammer Kirchdorf Steyr und Heidi Hebesberger vom Ganslhof in Nußbach geben Antworten.

Heidi Hebesberger führt einen Ganslhof in Nußbach. (Foto: Hebesberger)
  1 / 3   Heidi Hebesberger führt einen Ganslhof in Nußbach. (Foto: Hebesberger)

Veränderungen in Ernährung und Konsumverhalten, Bestimmungen im Tierschutz und Klimawandel bringen auch Wandel in der Landwirtschaft mit sich. Wer am Betrieb etwas verändern muss oder möchte hat dabei viele Möglichkeiten. Eine „gmahde Wiesn“ ist eine Investition aber nie, denn es ist mit gewissen Investitionskosten zu rechnen. „Mit viel Vorbereitung, Planung und Vorab-Berechnung lässt sich das Risiko aber minimieren“, weiß Veronika Ploner von der Bezirksbauernkammer (BBK) Kirchdorf Steyr. Die Innovationsberaterin rät vor jedem Vorhaben zur Kontaktaufnahme mit der zuständigen Bezirksbauernkammer. Dort werden vor einer Investition Wirtschaftlichkeitsberechnungen in Form von Betriebskonzepten erstellt. Neben Wirtschaftsberatern stehen auch Experten der Bauberatung, Energieberatung und Förderungsberatung zur Verfügung.

„Was man gerne tut, macht man auch gut und erfolgreich“

Ziel ist es, laut Veronika Ploner, ein Konzept zu erstellen, bei dem das Potential und die Leidenschaft der Betriebe und der Betriebsführer miteinfließen. „Erfolgreich sind immer die, die das, was sie machen, gerne und mit Leidenschaft tun“, sagt Ploner und empfiehlt, „ein Produkt zu erzeugen, von dem sie selbst auch zu 100 Prozent überzeugt sind.“ Deshalb rät sie allen, die sich verändern möchten, sich mit den verschiedenen Möglichkeiten, die die Landwirtschaft bietet, auseinanderzusetzen. Als Innovationsberaterin hat sie immer ein Auge auf die aktuellen Trends gerichtet.

Weniger, dafür bewusster Kauf

So werde beispielsweise weniger auf Vorrat gekauft, sondern bewusster das, was man tatsächlich verbrauchen kann. Die Wertschätzung für regionale und hochwertige Lebensmittel sei in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen und das Interesse der urbanen Bevölkerung an landwirtschaftlichen Produktionsmethoden sei spürbar. „Viele Landwirte lassen sich beispielsweise mit Hilfe sozialer Medien in die Karten schauen und treten in einen offenen Dialog mit den Endverbrauchern“, berichtet Veronika Ploner: „Auch ein spürbarer gesellschaftlicher Wertewandel nimmt Einfluss. Unsere Landwirte antworten darauf bereits mit steigendem Tierwohl, Online Shops sowie CO2-Reduktion bei Flächenbewirtschaftung und Energieproduktion.“

Möglichkeiten des Pilzanbaus

Neben vielen weiteren Entwicklungen beobachtet die Innovationsberaterin aktuell ein starkes Interesse in den Bereichen von Pilz- und Insektenproduktion sowie Nachfrage bei Market Gardening (Gemüseanbau auf kleinen Flächen ohne große Maschinen).

„Es gibt sehr spannende Forschungen im Bereich der Pilzproduktion, wo man zwischen Speise- und Vitalpilzen unterscheiden muss. Vitalpilze können künftig als Grundlage von biologischen Baumaterialien und Dämmstoffen, Kakaobohnenersatz und für medizinische Zwecke eingesetzt werden. Es geht also nicht nur darum, neue landwirtschaftliche Themenfelder isoliert für die Lebensmittelproduktion zu betrachten, sondern viel mehr um die Erschließung neuer Rohstoffe, deren Herkunft künftig die landwirtschaftliche Produktion betreffen könnte. Hier Impulse zu setzen, und Pionierbetriebe zu unterstützen, die sich mit künftigen Produktionstechnologien und -lösungen jetzt schon auseinandersetzen, ist eine anspruchsvolle, aber auch sehr spannende und interessante Herausforderung, der wir uns gerne stellen“, so Ploner.

Klimawandel ermöglicht neue Produktionsbereiche

Auch mit Anpassungsmaßnahmen zum Klimawandel müssen sich die Landwirte bereits in allen Produktionsbereichen auseinandersetzen. Die klimatischen Veränderungen ermöglichen den Anbau von neuen Sorten. Das erschließt neue Produktionsbereiche. „Eiweißalternativen sind vermehrt auf oberösterreichischen Feldern zu beobachten. Weiters werden zahlreiche exotische Pflanzen in Oberösterreich bereits getestet, erfolgreich angebaut und geerntet. Auch der Weinbau hat hier bereits fix Fuß gefasst“, nennt Veronika Ploner neue Möglichkeiten durch den Klimawandel.

Kreislaufwirtschaft am Ganslhof

Ein weiteres Beispiel für innovative Ideen ist der Ganslhof Hebesberger in Nußbach. Dort werden seit mehr als 20 Jahren Weidegänse gehalten. Heidi Hebesberger wollte bei der Übernahme einen Weg finden, im Vollerwerb einzusteigen. „In vielen kleinen Schritten ist uns das auch gelungen“, berichtet die Landwirtin. „Wir haben uns vieles angesehen und sind auf Schweine, Weidegänse, Hühner und Enten gekommen. Da wir unseren Betrieb auf vielerlei Standbeine gesellt haben, ist das Risiko geringer. Seit 2017 führen wir unseren Daunenshop mit Hofladen, da wir einen geschlossen Kreislauf wollten“, erzählt Hebesberger.

Die Federn und Daunen werden nach der Schlachtung getrocknet und sortiert, die fertigen Daunendecken und -kissen anschließend im Hofladen verkauft. Mehr als 20 verschiedene Kissen und 15 verschiedene Daunendecken finden sich im Sortiment – alle Allergiker geeignet und bei 60 Grad waschbar.

Farm up Community zur Vernetzung

Die Herausforderung in ihrer Beratungstätigkeit sieht Veronika Ploner darin, dass sie bei innovativen Themen nicht auf einen breiten Erfahrungsschatz zurückgreifen kann. „Hier geht es wirklich darum, Pionierarbeit zu leisten. Es fehlt teilweise noch an gesetzlichen Rahmenbedingungen, Kennzahlen, Netzwerken und vielem mehr“, sagt die Innovationsberaterin. Bezüglich Letzterem bietet die BBK Kirchdorf Steyr in den kommenden Monaten sogenannte „Produktgruppentreffen“ an. Landwirte mit gleichartigen Produktionsthemen sind eingeladen, sich in einer Netzwerkgruppe zu treffen und gemeinsam an aufgetretenen Fragen und Problemstellungen zu arbeiten. Diese Idee orientiert sich an den bereits aus der Wirtschaft bekannten „Start-up-Communities“ und wird deshalb als „Farm up Community“ bezeichnet. Gestartet wird mit den drei Themen Pilzproduktion, Market Gardening und Insektenproduktion.


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