Ein gutes Gefühl, sich nicht verstecken zu müssen
OBERÖSTERREICH. Wenn man nicht so richtig dazu gehört: Transgender und intergeschlechtliche Menschen haben viel gemeinsam und sind doch so unterschiedlich. Die zwei Oberösterreicher Tobias Humer, intergeschlechtlich, und Lars Schulz, transgender, über ihr Leben. Von Hanna Littich, Laura Grasböck und Carina Traxler
Ein Mann hat XY-Chromosomen, eine Frau XX-Chromosomen. Bis zu 1,7% der Bevölkerung besitzen Geschlechtsmerkmale, die nicht eindeutig dem weiblichen oder männlichen Geschlecht zuordenbar sind. Diese Menschen nennt man intergeschlechtlich. Bei Transgender hingegen stimmt das biologische Geschlecht nicht mit ihrem Identitätsgeschlecht, dem gefühlten Geschlecht, überein.
Ein steiniger Weg
Schon im Volkschulalter bemerkte der 1988 geborene Tobias Humer, dass er anders ist. „Irgendwann lernen wir als Kinder, wie der menschliche Körper aussieht, was ein Mann und was eine Frau ist. Ich habe da einfach nicht reingepasst.“ In der Pubertät wurde er zum Mädchen gemacht, er sollte als Frau leben. Erst mit Anfang 20 begann er zu verstehen, was mit ihm gemacht wurde. „Jetzt lebe ich als intergeschlechtlicher Mann, das passt sehr viel besser.“
„VIMÖ“
Im Jahr 2014 half er dabei, „VIMÖ“ (Verein Intergeschlechtlicher Menschen Österreich) zu gründen. Hauptarbeitsbereiche sind Beratungs- und Communityangebote für Betroffene und Angehörige, politische Interessensvertretung und Aufklärungsarbeit. Humer hat es besonders geholfen, andere intergeschlechtliche Menschen kennenzulernen. „Es ist so wichtig, zu wissen und zu spüren, dass du nicht alleine bist und dass du deine Fragen und Unsicherheiten mit Leuten besprechen kannst, die etwas Ähnliches erleben oder erlebt haben.“
Im falschen Körper
Der 19-jährige Lars Schulz aus Windischgarsten wurde sich erst mit 17 Jahren bewusst, dass er sich in seinem eigenen Körper nicht wohlfühlt. „Mir war immer so unwohl dabei, wie andere Leute mich behandelten. Dann machte es einen Klick und ich war mir ziemlich sicher, dass ich transgender bin.“ Er ist als Mädchen geboren, kann sich damit aber nicht identifizieren und lebt deshalb als Mann, so wie er will. Man muss nicht alle Rollen eines Mannes erfüllen, um ein Mann zu sein. Seine Familie reagierte anfangs schockiert. Sie machten sich jedoch schnell Sorgen um ihn, ob er in die Gesellschaft jemals hineinpasst. Schulz ist ihnen sehr dankbar: „Sie haben sich immer bemüht, mich zu akzeptieren und waren immer auf meiner Seite.“
Austausch mit Freunden
Die besten Anlaufstellen für Jugendliche in einer ähnlichen Situation sind für Schulz nicht Psychologe und Therapeut, sondern Freunde und Gleichgesinnte. Vor allem auf den Regenbogenparaden hat man die Möglichkeit, viele Personen innerhalb der LGBT-Community (übersetzt für Schwulen, Lesben, Bisexuelle und Transgender-Personen) kennenzulernen.
Noch Luft nach oben
Transgender ist ein Persönlichkeitsmerkmal. „Es gehört zu einem einfach dazu. Österreich ist im Umgang mit transgender und intergeschlechtlichen Personen auf gutem Weg.“ Ende Juni wurde bekanntgegeben, dass der österreichische Verfassungsgerichtshof aufgrund einer Klage von „VIMÖ“-Gründungsmitglied Alex Jürgen*, neben „weiblich“ und „männlich“ ein weiterer Geschlechtseintrag in persönlichen Dokumenten ermöglicht wird. Bei Hormontherapie und Mastektomie greifen die Krankenkassen transgender Menschen unter die Arme. Trotzdem sind Humer und Schulz sich einig, dass noch viel zu tun ist. „Durch psychosoziale Unterstützung sollen immer mehr Familien lernen, von Anfang an darüber zu sprechen. Die Problematisierung soll auch durch Maßnahmen im Bildungswesen abnehmen.“
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