Astronom Florian Freistetter im Interview: „In der Schule war ich schlecht in Mathematik“
Krems/ Jena. „Das Universum ist cool“, sagt der gebürtige Kremser Astronom Florian Freistetter. Der 40-jährige Wissenschaftler schreibt Bücher, ist Mitglied bei den Science Busters und einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Profi-Blogger. Im Tips-Interview erzählt er von seiner großen Leidenschaft, der Wissensvermittlung, und warum man nichts dagegen machen kann, dass im Internet ständig jemand falsch liegt.
Tips: Erzählen Sie unseren Lesern doch ein bisschen von Ihrem persönlichen Werdegang.
Florian Freistetter: Ich habe am Kremser BRG in der Ringstraße maturiert und in Wien Astronomie studiert. Danach war ich Astronom an der Sternwarte Jena, wo ich heute auch lebe. Als Wissenschaftler hatte ich irgendwann keine Lust mehr auf Kurzanstellungen und das Schreiben von Projektanträgen. Da mir die Öffentlichkeitsarbeit und die Wissensvermittlung schon immer sehr viel Spaß gemacht haben, habe ich mich auf das Bloggen spezialisiert.
Tips: Was hat Sie dazu veranlasst, Astronomie zu studieren?
Freistetter: Ich bin kein klassischer Astronom, der schon als Kind durch Teleskope geschaut hat und ein großer Star Trek Fan war. In Physik war ich ein mittelmäßiger Schüler, in Mathematik sogar schlecht. In der 7. Klasse habe ich dann Stephen Hawkings „Eine kurze Geschichte der Zeit“ gelesen und meine Leidenschaft für das Universum und die Kosmologie entdeckt. Während des Studiums habe ich dann noch einmal neu begonnen mit der Mathematik und die Bewegung von Himmelskörpern und extrasolaren Planeten berechnet.
Tips: Sie haben also erst später Ihre Liebe für die Mathematik entdeckt?
Freistetter: Mathematik ist für mich nicht Rechnen, das machen der Computer oder der Taschenrechner. Für mich ist Mathematik ein Weg, wie man möglichst selten falsch liegt im Leben. Man bekommt ein Gefühl, wie die Dinge funktionieren und zusammenhängen.
Tips: Warum haben Sie sich für Jena als Arbeits- und Lebensmittelpunkt entschieden?
Freistetter: Nachdem ich 2004 meinen Doktor gemacht habe, musste ich mir eine Arbeit suchen. In Jena war gerade eine Stelle frei und nach Ablauf des Vertrages bin ich dort geblieben, weil es mir sehr gut gefallen hat. Jena ist Krems sehr ähnlich, es liegt in einem Flusstal, hat viele kulturelle Angebote und ist eine klassische Studentenstadt. Mittlerweile bin ich aber auch wieder viel in Österreich, auch wegen der Science Busters.
Tips: Das Bloggen ist Ihre große Leidenschaft. Sie möchten gerne Laien die Wissenschaft erklären. Warum haben Sie sich für das Bloggen auf Kosten der Forschung entschieden?
Freistetter: Genauso wird es oft gesehen, das ist aber ein komplett falscher Blickwinkel. Die beste Forschung ist nichts wert, wenn sie nicht kommuniziert wird. Als Forscher muss ich mich fragen, ist meine Arbeit wirklich relevant, wenn ich damit nur 100 Leute erreiche. So gut wie jede Forschungsarbeit hat eine Bedeutung für den Rest der Welt. Deshalb ist es auch so wichtig, die Allgemeinheit davon erfahren zu lassen.
Tips: In Ihren Veröffentlichungen fühlen Sie oft der Pseudowissenschaft auf den Zahn. Das ist für Menschen, die ohnehin bereits eine kritische Haltung zu Granderwasser, Globuli und Horoskopen haben, eine willkommene Lektüre. Wie erreichen Sie jedoch Menschen, die von Esoterik vollkommen überzeugt sind?
Freistetter: Diese Menschen erreicht man normal gar nicht. Man kann auch durch rationale Argumente niemanden von seinem Glauben abbringen, denn es geht dabei eben um Glauben und nicht um Wissen. Der einzige Weg Esoteriker zu erreichen, ist, sie ernst zu nehmen. Wenn ich sage, du bist ein Depp und du verstehst nichts, kann ich es gleich bleiben lassen. Das sind keine blöden Leute, denn wir alle glauben Unsinn. Wenn man abergläubigen Menschen Fragen stellt, können sie beim Nachdenken feststellen, dass etwas nicht stimmen kann. Sie müssen selbst darauf kommen.
Tips: Sie schreiben: „Zur Wissensvermittlung gehört aber meiner Meinung nach auch die Beschäftigung mit dem, was so tut, als wäre es Wissenschaft, aber keine ist“ und dass es sehr oft frustrierend sei, sich mit dem „Schmarrn“ zu beschäftigen. Wie nervenaufreibend kann die Arbeit als Aufklärer sein?
Freistetter: So sehr, wie man es zulässt. Es kann nervig sein, wenn man die Vorstellung hat, dass man jeden Unsinn richtig stellen muss. Es gibt das Akronym SIWOTI (“Someone is wrong on the Internet“, Anm. d. Red.). Wenn man mit jedem diskutiert, der im Internet falsch liegt, haben sich im Endeffekt alle geärgert, aber niemand etwas gelernt. Die Welt ist voll mit Menschen, die das, was ich glaube, für Blödsinn halten. Damit muss man sich abfinden. Wenn man aber echtes Wissen vermittelt, vermindert man die Chance, dass Leute Unsinn glauben.
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