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„Hinschauen statt Wegsehen" – Leonding stärkt Nachbarschaft gegen häusliche Gewalt

David Ramaseder, 23.07.2025 11:42

LEONDING. Mit dem bundesweiten Präventionsprojekt „StoP – Stadt ohne Partnergewalt“ startet nun auch in der viertgrößten Stadt Oberösterreichs eine Initiative, die gezielt im Wohnumfeld gegen Partnergewalt vorgeht. Koordiniert wird das Projekt von der Frauenberatungsstelle BABSI in enger Zusammenarbeit mit der Stadtgemeinde.

Die Projektkoordinatorinen Nikola Gringinger (l.) und Nagihan Celepci (r.) mit Leondings Bürgermeisterin Sabine Naderer-Jelinek. (Foto: Stadt Leonding)

Der Ansatz ist einfach, aber wirkungsvoll: StoP setzt nicht auf reaktive Maßnahmen, sondern auf Prävention durch Zivilcourage. Im Mittelpunkt stehen Nachbarn – Menschen, die vielleicht als Erste bemerken, wenn in einer Wohnung etwas nicht stimmt. „Es geht darum, hinzuhören, nachzufragen und im Notfall auch zu handeln“, sagt Projektkoordinatorin Nagihan Celepci, die seit 2002 in Leonding lebt und fest in der Stadt verwurzelt ist. Das kann schon bedeuten, in heiklen Situationen kurz anzuläuten oder die Polizei zu verständigen. „Gewalt passiert oft hinter geschlossenen Türen – und dort müssen wir hinschauen.“

Bürgermeisterin Sabine Naderer-Jelinek betont, wie dringend das Projekt ist: „Das eigene Zuhause ist leider noch immer der gefährlichste Ort für viele Frauen.“ Als Vorstandsmitglied des Linzer Frauenhauses sei ihr das Thema besonders wichtig. „Jede dritte Frau ist im Laufe ihres Lebens von psychischer Gewalt betroffen, jede fünfte von körperlicher. Meist durch Männer, die ihnen nahestehen.“

Niederschwellige Anlaufstellen und Aktionen

Der offizielle Projektstart in Leonding erfolgte am 23. Juli im Stadtteilbüro am Harter Plateau. Von nun an gibt es dort jeden ersten Mittwoch im Monat einen offenen Nachbarschafts-Frauentisch, an dem Informationen ausgetauscht, Erfahrungen geteilt und kleine Workshops besucht werden können. „StoP lebt vom Mitmachen“, sagt Nikola Gringinger, Leiterin des Standorts BABSI Leonding-Linz seit 2019. „Jede und jeder kann einen Beitrag leisten – sei es durch Zuhören, Mitreden, Unterstützen oder einfach durch Präsenz.“

Neben den regelmäßigen Treffen im Stadtteilbüro setzt das Team auf kreative Formen der Sensibilisierung: So sollen etwa Parkbänke gemeinsam mit Anwohnerinnen bemalt werden – als sichtbares Zeichen gegen Gewalt. Auch Aktionen bei Stadtfesten und im öffentlichen Raum sind geplant, ebenso wie der symbolträchtige Beitrag zur internationalen „One Billion Rising“-Kampagne im Februar 2026: eine getanzte Kundgebung gegen Gewalt an Frauen.

Jugendarbeit und Schulkooperationen

Ein besonderer Fokus liegt auf der Arbeit mit Jugendlichen. In Zusammenarbeit mit der Produktionsschule des BFI, Jugendzentren und dem Jugendcafé werden junge Menschen für das Thema sensibilisiert. Denn: Kinder und Jugendliche sind oft mitbetroffen – durch das Miterleben von Gewalt oder weil sie selbst zu Opfern werden. „Wir müssen ihnen Werkzeuge in die Hand geben, um früh zu erkennen, was Gewalt ist und wo sie beginnt“, so die Projektleiterinnen.

In Workshops wird auch diskutiert, wie Kontrolle in Beziehungen beginnt – etwa, wenn ein Junge seiner Freundin vorschreiben will, was sie anzieht. „Das sorgte teilweise für ein Aha-Erlebnis, das das bereits Machtausübung ist“, so Gringinger.

Zivilcourage lernen – ohne sich selbst zu gefährden

Ergänzend zum Nachbarschaftsfokus werden Schulungen für Erwachsene angeboten. Dabei geht es um rechtliche Grundlagen, den Umgang mit Cybergewalt oder ganz konkret um die Frage: „Einmischen – aber wie?“ Denn nicht immer sei klar, wann und wie man eingreifen soll. Die klare Botschaft des Projekts: Hinschauen, nicht wegsehen – aber auch auf die eigene Sicherheit achten.

Die Finanzierung des Projekts erfolgt über das Bundesministerium für Soziales gemeinsam mit der Stadt Leonding, die 8.000 Euro sowie Räumlichkeiten zur Verfügung stellt. BABSI fungiert als Trägerin und baut auf langjährige Erfahrung in der Gewaltprävention.

„Schuld hat nicht das Opfer“

Ein zentrales Anliegen aller Beteiligten ist es, mit Mythen aufzuräumen. Dass Frauen nicht „einfach gehen“, hat meist viele Gründe – emotionale, wirtschaftliche, gesellschaftliche. Die Schuld aber liegt nicht bei den Opfern. „Es gibt tausend Gründe zu streiten“, sagt Bürgermeisterin Naderer-Jelinek, „aber keinen einzigen hinzuschlagen.“


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