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Interview: Roncalli-Gründer Bernhard Paul feiert Jubiläum

Karin Seyringer, 20.07.2016 11:15

LINZ. „40 Jahre Reise zum Regenbogen“: Seit 40 Jahren steht Circus Roncalli für innovativen und frischen Zirkus. Mit seiner Jubiläumsshow gastiert er ab 12. August in Linz. Tips hat sich mit dem Mann hinter dem Ausnahmezirkus, mit Gründer Bernhard Paul, unterhalten.

Bernhard Paul im Gespräch zum 40-Jahr-Jubiläum seines Circus Roncalli. Foto: www.stefanjoham.com
  1 / 4   Bernhard Paul im Gespräch zum 40-Jahr-Jubiläum seines Circus Roncalli. Foto: www.stefanjoham.com

Tips: Mittlerweile sind auch ihre beiden Töchter fixer Bestandteil des Circus Roncalli, im Jubliläumsprogramm haben beide ihre eigenen Shows ...

Paul: Ja, sie bleiben nicht stehen, und das ist auch gut so. Sie haben immer neue Ideen und wollen alles in Perfektion machen, und das ist schon eine wichtige Voraussetzung, dass man Perfektion liebt, schätzt, anstrebt und dann auch durchsteht. Die Kinder sind Beobachter. Die sehen und verstehen das alles hier. Sie verstehen genau, warum es funktioniert. Ich hab es ihnen vorgelebt. Sie haben ja auch schon verschiedenes ausprobiert und merken sofort, was funktioniert und was nicht. Das ist ganz wichtig.

Tips: Der Fortbestand des Circus Roncalli ist also gesichert?

Paul: Ja, wenn sie so bleiben. Ich habe ihnen ja nie gesagt, was sie zu tun haben. Oder gesagt: 'Ihr müsst im Zirkus arbeiten'. Sie haben von selbst angefangen. Ich kann mich noch erinnern, wie sie heimlich trainiert haben. Sie sind diesem Weg treu gebelieben und machen eigenständig ihre Dinge. Sie fragen mich zwar ab und zu, was ich denke, aber es passiert nichts auf Druck oder auf Befehl. Das ist ein Lernprozess.

Tips: Was ist das spezielle am Jubiläumsprogramm?

Paul: Naja, wenn man diese Aufgabe gestellt bekommt vom Leben – wir kriegen jetzt die 40 voll – dann fragt man sich zuerst: was machen wir da. Jetzt könnte man einen Rückblick machen oder eine Art Best of. Nur finde ich das alles nicht zukunftsorientiert. Die Zukunft interessiert mich viel mehr als die Vergangenheit – die kenn ich ja. Also gehen wir in die Zukunft, dürfen aber nicht vergessen, dass es beim Publikum bestimmte Vorlieben gibt.

Tips: Was sind die Vorlieben?

Paul: Naja, es gibt so bestimmte Elemente, die sofort 'Roncalli' signalisieren. Seifenblasen zum Beispiel. Aber die kann man natürlich weiterentwickeln. Es gibt ja im Zirkus bestimmte Elemente, zum Beispiel Jonglieren oder Seiltanzen – eine der ältesten Disziplinen, das haben sie ja früher am Dorfplatz gemacht, die Gaukler. Beim Seiltanzen haben wir jetzt eine Nummer mit einem riesigen Mond, der natürlich unstabil ist weil er wackelt und das Seil geht von Spitze zu Spitze. Das ist völlig neu, obwohl es das Element Seiltanzen beinhaltet. Und das sind die Wege, die ich gern gehe. Dinge auf der Basis des bestehenden neu zu erfinden.

Tips: Neu ist ja auch ein Beatbox-Act.

Paul: Ja, ich hab immer wieder auch Leute in den Zirkus geholt, die im Zirkus früher nichts verloren haben. Etwa von Straßenkünstler aus Paris, die mit dem Publikum improvisiert haben. Ich hab mir gedacht, das könnte eigentlich auch im Zirkus funktionieren und hab mir welche geholt, die haben wunderbar funktioniert und haben auch große Karriere gemacht. Und die haben dann natürlich Eingang gefunden in anderen Manegen und Spektakel. Und dann hab ich irgendwann mal einen Beatboxer gehört und hab mir gedacht – das könnte auch im Zirkus funktionieren. Und dieses Jahr ist er das erste mal dabei und war eigentlich gleich von Anfang an der Renner. Den lieben die Kinder und den lieben die Erwachsenen. Er ist aber mehr als ein Beatboxer, er ist auch Pantomime, er ist auch Comedian, er arbeitet auch mit dem Publikum, erzählt eine Geschichte und macht ein Kunststück das einmalig ist. Im Finale, wenn alle schon rausgehen, bleibt er stehen und bringt mit ganz wenigen Mitteln 1500 Leute dazu, „Guten Abend, Gute Nacht“ zu singen. Alle wie ein rießiger Chor – und können den Text komischerweise. Also das sind so Momente – das sind Roncalli Momente. Das ist etwas, was die Leute gut finden, und da weis ich genau: Nächstes Jahr haben das andere auch. Wir sind immer einen Schritt voraus gewesen, haben immer wieder etwas Neues erfunden, wurden immer wieder kopiert. Es wurde uns auch nachgesagt das wir die Zirkus-Szene wirklich verändert haben. Und das denkt man nicht: Da kommt einer aus Österreich und verändert die Zirkuswelt. Es ist aber genauso passiert.

Tips: Was hat sich verändert in der Zirkuswelt die letzten 40 Jahre?

Paul: Alles. Die Menagerie die da herumgereist ist, mit irgendwelchen Kamelen die im Kreis laufen und Tierschau und was weis ich was alles. Diese Zeit ist endgültig vorbei. Aber wir haben ja gernicht erst damit angefangen. Das einzige, das ich nach wie vor in der Manege sehen möchte, sind Pferde. Ich finde, das ist man der historischen Entwicklung des Zirkus schuldig. Der Zirkus hat ja als reines Pferdetheater begonnen. Deswegen hab ich das symbolträchtig immer noch drin. Es verhilft uns außerdem zum typischen Zirkusgeruch: Wenn man reingeht – es richt nach Pferd, nach Parfüm, Popcorn ... Das gehört schon dazu. Und Pferde kann man ohne Probleme halten. Seit Jahrtausenden ist der Mensch mit dem Pferd eng verbunden. Sei es die Spanische Hofreitschule oder Reitvereine und Reitsport oder auch Therapiepferde. Das Pferd ist ganz wichtig.

Tips: Sie haben ja auch eine Sammlung von Erinnerungsstücken aus dem Zirkus ... 

Paul: Ich habe vor zig Jahren das Winterquartier in Köln des Zirkus Williams, den ich als Kind schon in Österreich gesehen habe, gekauft. Und bin draufgekommen – das ist ja geborene Althoff – dass das eine Familie ist, die über Jahrhunderte quasi Gaukler waren, also sehr traditionsreich. Und ich habe versucht immer etwas zu sammeln – war ganz schwer. Aber jetzt habe ich jemanden kennengelernt, der ein Leben lang alles über Zirkus Williams gesammelt hat - und diese Riesensammlung bekomme ich jetzt.

Tips: Wo wird das gelagert?

Paul: Bei uns im Winterquartier. Wir haben zwei Winterquartiere in Köln – also das eine, das wir von Williams gekauft haben, 10.000 m2, und wir haben ein zweites jetzt dazugekauft, auch 10.000 m2. Und das eine wird jetzt langsam umgebaut zu einem Museum. Alles was technisch ist und Lager wird das eine, und das andere werden Büros, die Feinenwerkstatt - also wo wir vergolden usw. Und in die ehemaligen Stallungen dieses Zirkus kommt jetzt Ausstellung und Museum.

Tips: Gehen Sie auch beim 40-Jahr-Jubiläum wieder selbst in die Manege, treten sie auf?

Paul: Momentan hab ich soviel zu tun gehabt mit Vorbereitungen, dass ich bis jetzt die Manege geschwänzt habe. Aber eigentlich hätt ich es umgekehrt lieber gehabt. Lieber in die Manege und die Bürokratie und Organisation macht jemand anderer...

Tips: Der Circus Roncalli wird rein über Ticketverkauf finanziert?

Ja, wir bekommen keine Subventionen. Wenn wir Geld brauchen, gehen wir nebenbei arbeiten. Dann machen wir einen Weihnachtsmarkt zum Beispiel. Momentan sind wir mit drei Zirkussen unterwegs, dazu das Apollo-Varite in Düsseldorf und ein Cafehaus in Hamburg. Also wir gehen nebenbei auch fleißig arbeiten, um uns diesen Luxuszirkus leisten zu können.

Zur Person

Bernhard Paul, geboren am 20. Mai 1947 in Lilienfeld, aufgewachsen in Wilhelmsburg; 1975 gründete Paul den Circus Roncalli, die erste Show gab's 1976: „Größte Poesie des Universums“ (gemeinsam mit André Heller).


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