Peter Kraus im Interview: "Die Zeit war wild aber nicht so laut wie heute"
LINZ. Peter Kraus feierte am 18. März seinen 80. Geburtstag. Der ewig jung gebliebene lässt im Herbst im Brucknerhaus die Musik der 50er-Jahre nochmal aufleben. Tips hat sich vorab mit dem Geburtstagskind über die wilden Zeiten damals unterhalten.
Tips: Sie feiern ihren 80. Geburtstag – Gratulation? Wie werden Sie feieren?
Kraus: Danke, danke! Ja, in München machen wir ein größeres Fest – obwohl ich nicht der große Feste-Feierer bin – beim Schuhbeck, ein alter Freund von mir. Und ich habe viele Kollegen und Freunde eingeladen und sieh da: die Meisten kommen, es wird demnach ein großes Fest.
Tips: Für ihr Alter sind sie noch wahnsinnig fit. Was ist ihr Geheimnis?
Kraus: Ich glaube es ist einfach mein Leben, wie ich es gelebt habe, der glückliche Zustand, die richtige Frau gefunden zu haben, lange verheiratet zu sein – das kostet weniger Nerven. Es ist einfach der Erfolg, der mir beschieden ist und den ich immer wieder erkämpfe – und das macht glücklich. Ich hatte keine großen Tiefschläge, bis auf den Tod meiner Tochter, das war keine Kleinigkeit. Alles andere war eigentlich sehr schön und ich bin ein lebensfroher Mensch. Mich interessiert das, was passiert ist, sehr wenig. Ich kann sehr schnell vergessen, bin ein Verdränger. Ich schaue in die Zukunft, sehe jetzt schon die Tournee vor mir im Oktober und November. Ich sehe mich auf der Bühne stehen. Das erzeugt eine gewisse Eitelkeit, die sein muss, denn die Leute wollen ja dann im Herbst auch einen jungen, frischen Burschen sehen und nicht einen alten 80-jährigen mit dickem Bauch. Also muss man was dafür tun.
Tips: Haben Sie ein Highlight, dass Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
Kraus: Das ist schwierig zu beantworten. Ich habe Filme gemacht, habe viel Fernsehen gemacht, ich habe selber produziert… Highlight war mit Sicherheit, dass ich mit den letzten Großen des deutschen Kinos noch gefilmt habe, Heinz Rühmann, Hans Albers und so weiter. Ich habe in Amerika einen Film gemacht. Da gibt's überall etwas Interessantes, Schönes. Das größte Highlight ist die Tatsache, dass ich mit einer Musik bekannt geworden bin, die man eigentlich so schnell wie möglich wieder verschwinden lassen wollte – und heute stehe ich auf der Bühne und mache immer noch diese Musik von damals, die ich damals gar nicht machen durfte, weil sie zu wild war. Ich darf heute die richtigen, echten Rock'n'Roll-Nummern singen. Das hat man damals nicht singen dürfen, das war 'schlimme' Musik, haben die Erwachsenen gesagt. Damit hab ich natürlich nie gerechnet, ich habe mir gedacht die Rock'n'Roll-Zeit wird eine kurze Zeit, dann werde ich Theater oder Musical spielen, mit 30,35 höre ich überhaupt auf, dann werde ich ein begnadeter Filmregisseur – mich hat vorwiegend das italienische und französische Kino interessiert. Es ist anders gelaufen, aber es ist sehr schön.
Tips: Sie sagen selbst es waren wilde Zeiten damals, in den 50ern. Aus ihrem Leben sind aber keine Skandale oder wilde Geschichten bekannt…
Kraus: Es war natürlich wild und es hätte viele Geschichten gegeben – aber es gibt zwei Umstände: Erstens waren die Leute glaube ich damals auf alles andere heiß als auf schlechte Geschichten, böse Nachrichten, unangenehme Sachen. Die Leute wollten eine heile Welt haben, es war der Krieg vorbei, es war Aufbruchstimmung, alle haben sich gefreut wenn der andere etwas geleistet oder erreicht hat. Man wollte sich nicht gegenseitig immer wieder untertauchen, wie das eigentlich heute der Fall ist. Heute habe ich eher das Gefühl, wenn einer Karriere macht oder etwas Gutes leistet, dann kriegt er eine auf den Deckel. Das gab es damals nicht. Und dann kommt natürlich noch dazu, dass es diese Übermittlungsgeschwindigkeit noch nicht gab, die wir heute haben. Heute wird ja alles bekannt. Abgesehen davon, dass man auch alles publizieren kann, was man ja damals nicht getan hat. Dinge die heute von den Leuten selber publiziert werden, hätte man ja damals von Haus aus verschwiegen. Also Skandale hätte es schon gegeben (lacht). Man glaubt immer, die 50er/60er-Jahre waren prüde – und das stimmt auch nach außen hin, aber es war genauso lustig und wild wie heute (lacht).
Tips: Es hat sich auch in der Branche selbst einiges geändert – würden Sie aus heutiger Sicht, wenn sie jetzt noch mal am Anfang stehen würden, den Weg in dieses Business machen?
Kraus: Glaube ich eigentlich nicht. Damals hatte das schon was Aufregendes. Na gut, ich konnte gar nicht anders, mein Vater war in der Branche, ich bin praktisch da rein gewachsen und hab als Kind schon alles nachgespielt was Gunther Philipp und er alles gespielt haben. Es gibt heute interessantere Sachen, glaube ich. Vielleicht wäre ich Autorennfahrer geworden. Das Musik- oder Show-Geschäft ist eigentlich einseitig geworden, finde ich.
Tips: Sie sind mittlerweile knapp 50 Jahre verheiratet – eine Seltenheit! Kann man als Rock'n'Roller treu sein? Die weiblichen Fans standen und stehen ja sicher Schlange!
Kraus: (lacht) Ich habe meine Frau erst nach der wilden Zeit kennen gelernt. Das war ein Zeitpunkt, wo ich sagte: es muss etwas anderes passieren. Ich hab viel erlebt, viel gesehen und viel getrieben. Es war dann eine Sehnsucht da, nach einem Zusammensein mit einem Menschen, und nicht mehr nur 'hudi-hudi' schnell in der Nacht irgendwo treffen (lacht). Und auch Familie zu gründen, das war wirklich ein Ziel. Und da greift man natürlich zu, wenn man das Gefühl hat, das ist hundertprozentig die richtige Frau. Es war ein glücklicher Moment und ich bin auch heute der Meinung, dass jeder Lebensabschnitt einen anderen Inhalt haben muss. Unser nächster Inhalt ist zum Beispiel, dass wir einfach das was wir haben und lieben, dass wir das genießen wollen. Ich will nicht mehr die Welt erobern, ich muss nicht mehr weiß Gott wo hinreisen, ich habe alles gesehen, was ich brauche, ich will jetzt einfach das genießen, auf kleinstem Raum in Gemeinsamkeit. Das ist so das nächste Ziel, für die nächsten 30 Jahre (lacht).
Tips: Dennoch gibt's jetzt nochmal eine Tour – ihre große Jubiläumstour…
Kraus: Das musste sein, weil ich das erfüllen will, was meine Fans immer schon wollten: ein Programm nur über die 50er/60er-Jahre-Musik. Nicht mehr mit einer neuen Platte, neuen Songs, sondern einfach die Musik hochleben lassen. Es ist eine Hommage an meine großen Kollegen von damals. Da hab ich ja eine Platte gemacht, 'Schön war die Zeit', mit deren Songs, auch mit sehr vielen ruhigen Balladen von Marlene Dietrich oder von mir B-Seiten. Wir haben ein Programm gemacht, wo ich einfach ein bissl erzähl, wie ich den Rock'n'Roll entdeckt habe, wie ich als Kind zur Musik kam, wie ich für den Rock'n'Roll kämpfen musste. Und das ist sehr launig. Ich möchte ein bisschen die 50er-Jahre auch auf die Bühne zaubern und das zeigen, dass die Zeit zwar wild war, aber sie war nicht so laut wie heute.
Tips: Ihre persönlichen Lieblingssongs sind auch mit dabei – können Sie mir die wichtigsten drei nennen?
Kraus: Das wechselt ununterbrochen (lacht) – aber ich habe zum Beispiel immer schon einen Lieblingssong gehabt, das war die B-Seite meiner allerersten Platte. Die erste Platte war 'Tuti Frutti' und die B-Seite ist 'Straße der Vergessenen'. Das singe ich wahnsinnig gerne in einer neuen Form. Es ist ja so, dass ich in den 50er-Jahren viele Titel aus Amerika angeboten bekommen habe, die wir aufgenommen haben, damit sie nicht ein möglicher neu entstehender Konkurrent aufnehmen kann. Und deshalb habe ich auf den ganzen Platten von damals unheimlich schöne Songs als B-Seite. Und die habe ich auch ins Programm aufgenommen. Das schöne an meinen Konzerten und an der Arbeit die ich habe ist, dass ich zweieinhalb Stunden singen kann und trotzdem kein Lied dabei ist, dass ich nicht gerne singe. Im Gegenteil – wir kämen auf drei Stunden, aber ich muss immer streichen, weil sonst ist es zu lang. (lacht). Das ist eigentlich eine schöne Voraussetzung für eine Arbeit, wissen Sie!
Tips: Die Show wird grundsätzlich ein wenig ruhiger, aber ihren Hüftschwung wird man trotzdem sehen?
Kraus: Der Hüftschwung wird natürlich vorkommen, deshalb kommen ja die Leute zum Teil (lacht).
Tips: Wie schaut ihr Publikum heutzutage aus?
Kraus: Es ist natürlich schon älteres Publikum. Aber es ist sehr gemischt seit der vorletzten Tournee, wo ich Popsongs wie „Hammer“ und „Lila Wolken“ in meinem Stil gemacht habe. Da haben sich sehr viele Jugendliche zu mir verirrt. Und es gibt überhaupt in der Jugend eine Schicht, die auf handgestrickte Musik steht und die auch ein bissl die Nase voll hat davon, dass auf der Bühne ein Musiker oder drei Leute sind und es kommt alles aus irgendwelchen kleinen Kästchen. Diese Bewegung ist da und die wird auch immer bleiben, weil handgestrickte Musik gut dargeboten ist immer noch das Maximum, glaube ich.
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