"Orbáns Ungarn": Paul Lendvai (92) liest im Central
LINZ. Viktor Orbáns Lebensweg und das ambivalente Verhältnis anderer europäischer Länder zu seiner Politik, zeichnet Paul Lendvai in seinem Buch „Orbáns Ungarn“. Im Rahmen einer Literaturschiff-Lesung ist der mittlerweile 92-Jährige am Samstag, 18. September, zu Gast im Linzer Central.
Die Orbán-Biographie, die Paul Lendvai 2016 herausbrachte, ist Ergebnis einer akribisch genauen Recherche. Der Autor führte Interviews – vor allem mit Gegnern des orbán’schen Regimes – und studierte ungarische Quellen, die einem deutschsprachigen Leser ansonsten verborgen blieben.
In „Orbáns Ungarn“ zeichnet er den Lebensweg des ungarischen Regierungschefs: vom Rechtswissenschaftsstudenten in Budapest angefangen, wo Viktor Orbán einen loyalen Freundeskreis aufbaute, der heute in den obersten Rängen des ungarischen Parlaments sitzt, über seine Zeit als rebellischer Jungpolitiker vor dem Zerfall der Sowjetunion, bis hin zu dem, was er heute ist: ein machthungriger Regierungschef, der alle mundtot macht, die ihm widersprechen. Sein Regime hat auch zu einer Spaltung der ungarischen Gesellschaft geführt: Während die breite Bevölkerung Ungarns immer ärmer wird und die Zahl der Arbeitslosen stetig steigt, konnte sich eine kleine Schicht durch die finanz- und wirtschaftspolitischen Regelungen bereichern (vgl. Verlag Kremayr & Scheriau).
In der erweiterten Neuauflage der 2018 mit dem Europäischen Buchpreis ausgezeichneten Biographie beschreibt der nunmehr 92-jährige Paul Lendvai auch das ambivalente Verhältnis anderer europäischer Länder zu Orbáns Politik. Insofern ist „Orbáns Ungarn“ eine besorgniserregende Lektüre, und das nicht nur für die ungarische Bevölkerung – sie sollte zumindest zum Nachdenken anregen.
Zu Paul Lendvai
Paul Lendvai, geboren 1929 in Ungarn als Sohn jüdischer Eltern, überlebte dank eines Schweizer Schutzpasses den Holocaust. Nach dem 2. Weltkrieg studierte er Rechtswissenschaften und arbeitete als Journalist im kommunistischen Ungarn, wo er 1953 verhaftet wurde und Berufsverbot erhielt. 1957 floh er nach Wien, 1959 erhielt er die österreichische Staatsbürgerschaft. Er arbeitete jahrelang als Korrespondent für die Londoner Financial Times sowie für diverse österreichische, deutsche und Schweizer Zeitungen. Zudem war er Chefredakteur für die Osteuropa-Redaktion des ORF und schreibt bis heute Kolumnen für die Tageszeitung Standard.
Seine Bücher über Mittel- und Südosteuropa wurden in zehn Sprachen übersetzt und erhielten viele Auszeichnungen, unter anderem 2008 den Ehrenpreis des österreichischen Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln und 2020 den Bruno-Kreisky-Preis für das politische Buch für Paul Lendvais publizistisches Gesamtwerk. 2001 bekam er zudem das Große Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich.
Kommentare sind nur für eingeloggte User verfügbar.
Jetzt anmelden