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"Jaschareien": Ausstellung im Schlossmuseum zeigt Werke von Johann Jascha

Nora Heindl, 25.02.2022 08:43

LINZ. Mit seinen Happenings in den frühen 1970er-Jahren gehört Johann Jascha zur Avantgarde der Österreichischen Kunstszene. Anlässlich seines 80. Geburtstages zeigt die OÖ Landes-Kultur GmbH in einer umfassenden Ausstellung Fotos, Filme und Relikte seiner performativen Arbeiten. „Jaschareien“ kann bis 29. Mai im Schlossmuseum Linz besichtigt werden.

Johann Jaschas "Schreckensweltrekord", 1972 in München (Foto: Gerhard E. Ludwig)
  1 / 4   Johann Jaschas "Schreckensweltrekord", 1972 in München (Foto: Gerhard E. Ludwig)

„Das Diplom für Malerei an der Akademie der Bildenden Künste widmete ich meinem Vater, schnäuzte mich oftmals in die Urkunde und machte einen Knitterfetzen daraus.“ Diese nicht dokumentierte Aktion ist der Beginn von Johann Jaschas performativem Œuvre. Der Künstler geht 1967 in „Opposition“: zur Lehre an der Akademie der bildenden Künste, zum etablierten Kunstbetrieb und zu allen untragbaren gesellschaftlichen Verhältnissen. Jaschas „Geburtung“ fand am 13. Februar 1970 im Rahmen der Ausstellung Inklusivität im Atelier von Helmut Zobl statt. Schreiend sprengte er sich durch die „schützende Haut“ über seiner „Klogebärmuschel“ ins Gegenüber.

Das Motiv des Durchstoßens einer Haut, als symbolischer Akt der Wiedergeburt, Geste der Befreiung und der Überwindung von Hindernissen findet sich auch in seinen Aktionen „Es ist zum Aus-der-Haut-Fahren“ (März 1970) und „Akademische Kunstverhunzelung (Die lassen wir unter den Tisch fallen)“. Letztere fand im September 1970 im Rahmen einer vom Verein Blauer Adler in der Galerie Seilerstätte in Wien organisierten Gruppenausstellung statt. Diesmal durchstieß Jascha lautbrüllend die Gummihaut über einem Loch in seiner sogenannten „Frustrationsmensa“, als Protest gegen die Zustände an der Akademie der bildenden Künste.

Der Schrei als Kunstform

Jascha ist anarchisch, ironisch, aggressiv und laut. Der Schrei als „international verständliches, extremes Ausdrucksmittel“ ist ein zentraler Bestandteil seiner Performances: „von der gewalthaften Entladung bis zu feingewinselter Bedrängtheit, von kraftholendem Luftschnappen bis zu entatmendem Röcheln“.

Mit seinen Schreiaktionen brachte er sich selbst und sein Publikum an seine Grenzen. Während der Aktion „Ein-Manntheater“ in Graz brüllte er minutenlang, bis zur völligen körperlichen Erschöpfung in ein Mikrofon. Für seine Umgebung waren Jaschas Aktionen extrem irritierend. Die bekannteste fand während der Olympischen Spiele 1972 in München statt, dort trat er auf dem Gelände für das olympische Kulturprogramm auf und schrie mehr als fünf Minuten so laut, dass die Spiele unterbrochen werden mussten.

Begleitet wird der Schrei von körperintensiven spastischen Verrenkungen und wilden Grimassen, die sich im Laufe der Jahre zu einer unverkennbaren Choreografie verdichtet haben.

Provokation, um aufzufallen

Johann Jascha provozierte jeden, der sich dafür qualifizierte, und machte dabei vor allem vor bekannten Galeristen, Museumsdirektoren und Künstlern nicht halt.

1970 platzierte er unter dem Titel „Wix Jüri Wix“ unaufgefordert sein „Speiseobjekt zur Selbstbedienung“ in der Ausstellung Tangenten 70, im Museum für angewandte Kunst in Wien. Die von Peter Baum initiierte Ausstellung zeigte „Multiples“, die zuvor von einer Jury ausgewählt worden waren. Als Teil der Aktion verteilte Jascha zur Eröffnung ein Flugblatt, das die Jury mit deftigem Vokabular (geschmacklich eingeschränkte Führer der Avantgarde-Galerie, selbstherrliche, braune Meister der Gunsthochschule etc.) kritisierte.

Auch das 20er-Haus, damals pulsierender Ort für zeitgenössische Kunst in Wien, nahm er ins Visier. Im Sommer 1971 schleppte er sein Auto auf den Rasen vor das Museum des 20. Jahrhunderts. Dort zerstörte er es in einer spektakulären Aktion unter dem Titel „Allgemeines Schlagkunstwerk – Autozertrümmerung“ mit einer Hacke, bis die Polizei kam.

Zweimal richteten sich Jaschas Aktionen gegen Arnulf Rainer: Im September 1970 störte er die Vernissage der Ausstellung Face Farces in der Galerie nächst St. Stephan, indem er 50 Kopien eines „Schiachfotos“ von sich selbst ins Publikum warf (“Ein schönes Phuto für Nulfi von Hansi“). Noch ein zweites Mal setzte er Rainers Werken seine eigenen entgegen. Einige Monate später mischte er sich, laute Schnauf- und Presslaute von sich gebend, unter das Publikum der Eröffnung in der Fotogalerie Die Brücke und platzierte dort einen Stapel seiner „Maulborno“-Plakate auf dem Boden.

Seine Aktionen kommen für seine Umgebung oft völlig überraschend. Er hat Anfang der 1970erJahre noch kein Publikum das kommt, um ihn zu sehen, er performt einfach, anonym, und überall wo es ihm notwendig erscheint. Das bringt ihm neben Aufmerksamkeit und Anerkennung als Avantgarde-Künstler vor allem Lokalverbote und Ablehnung ein.

Jascha kultiviert das Hässliche

Sein Image als Enfant terrible verstärkt er durch sein rübezahlartiges Äußeres. Auch zum Schönen geht er in Opposition, er kultiviert das Hässliche, das Grausliche und Hinfällige.

Dieser Hang zum Antiästhetischen kulminiert in seinem Environment „Schöner Wohnen“. „Die Abfälle, Reste und Lurch des täglichen Lebens krochen über den Boden, Wände, Fenster, Tür und Decke. Die Materialien für den Bau der Exkrementationsobjekte: ausgelaugte Teebeutel, Tschick, Käsepapierln, Konservendosen geöffnet, Zehennägel, Körperhaare, Eierschalen, Orangenschalen, Öldosen, Vespateile, Schraubenschlüssel, Abgangspapierln, Aktionsrelikte, Objektkleider ... klettern die Wände hoch.“ Der Künstler hauste fünf Jahre in seinem Werk, bevor es 1975 abgebaut und im Rahmen der Ausstellung Oberösterreichs Avantgarde von Peter Baum in der Neuen Galerie in Linz gezeigt wurde. 2020 kaufte das Lentos den Ritualraum an. Das Ausgestoßen-sein sieht Jascha als Schule, als Ausbildung, als „Ichbildung bis zum Ichselbst“.

1970 formierte sich die Gruppe Salz der Erde aus den Mitgliedern von Zünd Up, Timo Huber, Bertram Mayer, Hermann Simböck, sowie Wolfgang Brunbauer und Günter Matschiner und Johann Jascha. Die Künstler setzten sich subversiv mit den großen architektonischen Vorhaben der frühen 1970er-Jahre in Wien auseinander. Zum einen war das die U-Bahn und zum anderen der soziale Wohnbau. Als Beitrag für ein italienisches Architekturjournal entstand 1971 die Fotostrecke „Mi Casa, su Casa“, fotografiert von Gert Winkler, welche die Gruppe in Jaschas Environment „Schöner Wohnen“ zeigte. Im selben Jahr wurde im Rahmen der Sendereihe Verbesserung Österreichs von Alfred Payrleitner der ORF-Film „Schöner Wohnen oder die Zerstörung des Wohnsargs“ gedreht, der die rührseligen Klischees der österreichischen Lebensweise karikiert. 

Performances für die Kamera

Mitte der 1970-Jahre endet die intensive Zeit der polemischen Aktionen vor Publikum, die Medien Fotografie und Video werden zunehmend wichtiger. Jascha inszeniert seine Performances für die Kamera. Dabei arbeitet er mit verschiedenen Fotografen zusammen, darunter Werner Mraz, Karl Heinz Koller, Gerhard Trumler, Kurt Sommer, Jörg Weissmann, Gert Winkler, Gerhard E. Ludwig, Marco Prenninger und Horst Stasny.

Die Fotoserie „Griff ins ich“, bei der Jascha sein Gesicht mit den Händen verformt und zu extremen Grimassen verzerrt, ist ein Projekt das er 1970 begonnen hat und bis heute fortführt. Bewusst provoziert er das Hässliche, das Lächerliche und Antiästhetische. Das Langzeitprojekt bringt auch die Vergänglichkeit ins Spiel, die an den allmählich auftretenden Spuren des Alters im Gesicht des Künstlers abzulesen ist.

Seit den 1990erJahren entstehen auch Artvideos in Zusammenarbeit mit dem oberösterreichischen Maler und Medienkünstler Claus Bruno Schneider. Jaschas charakteristische Performances werden von Schneider gefilmt und bearbeitet. Schneider spielt mit rhythmischen Schnitten, Verdoppelungen und Bildmontagen und fügte den Aktionen eine zusätzliche Bedeutungsebene hinzu.

Johann Jascha verlegt Mitte der 1970er-Jahre zwar den Fokus seines Schaffens aufs Zeichnen, das immer auch Teil seines Werks war, den Aktionismus gibt er aber nie auf. Er zieht sich durch sein gesamtes Œuvre, bis heute. Er sagt: „Der Reiz liegt in der Abwechslung zwischen anerkannter Schönheit und unerkannter Hässlichkeit.“

Geöffnet: Di-So und an Feiertagen 10-18 Uhr
Öffentliche Führungen: 1. April, 14. Mai, jeweils 16 Uhr; Anmeldung erforderlich (0732/7720-52222, kulturvermittlung@ooelkg.at)

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