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Gewaltschutzzentrum OÖ: „Lieber früher melden als zu spät“

Anna Stadler, 24.07.2018 10:55

LINZ/OÖ. Über 2.500 Personen suchten im vergangenen Jahr beim Gewaltschutzzentrum OÖ Hilfe. Die große Mehrheit davon Frauen – das Hauptproblem: häusliche Gewalt.

Das Gewaltschutzzentrum OÖ hilft Opfern von Gewalt. Foto: Lolostock/Shutterstock.com
Das Gewaltschutzzentrum OÖ hilft Opfern von Gewalt. Foto: Lolostock/Shutterstock.com

Kathi* ist kein Opfer – zumindest stellt man sich so kein „klassisches“ Opfer vor. Inzwischen ist Kathi wieder lebenslustig und fröhlich. Das war jedoch nicht immer so: Kathi war Mitte 20, als sie ihn kennenlernte und sich verliebte. Bald wurde eine gemeinsame Wohnung bezogen. Die Freunde spielten zweite Geige. Wenn Kathi mit Freundinnen fortging, wurde er immer eifersüchtiger, beschimpfte sie schließlich, wenn sie nachhause kam: „Du Hure!“ Am nächsten Tag war er reumütig und schenkte ihr Blumen: „Ich habe dich ja so lieb!“ Sie verzieh ihm. Die Mädelsabende wurden einfach immer weniger. Schließlich wurde Kathi schwanger.

Das Glück schien perfekt: ein Mann, den sie liebt, und eine kleine gemeinsame Tochter. Dann kam die erste Ohrfeige. Ein Ausrutscher – dachte Kathi –, er liebt sie ja und schwor, dass so etwas nie wieder passieren würde. Nie wieder kam dann doch recht bald. Aus der Ohrfeige wurde ein blaues Auge. Kathi hatte Angst. Eine Familie, die sie unterstützte, hatte sie nicht. Ihre Freunde waren weg. Sie war von ihm abhängig – schließlich ging er arbeiten und sie kümmerte sich um die gemeinsame Tochter. Eine Situation, die schier ausweglos erschien. Kathi schaffte den Ausstieg dennoch. Die Motivation: Ihre damals 3-jährige Tochter sollte ein Leben ohne Schläge führen.

Kathis Fall ist leider kein Einzelfall, wie man im Gewaltschutzzentrum OÖ in Linz weiß. Dort ist man täglich mit Geschichten wie jener von Kathi konfrontiert.

81 Prozent Frauen

Das Gewaltschutzzentrum berät und unterstützt Personen, die in der Familie oder im sozialen Umfeld von Gewalt betroffen sind, ebenso wie Stalking-Opfer. Im Jahr 2017 wurden 2.536 Personen beraten. Die Zahl steigt. 81 Prozent der Opfer sind Frauen, welche zu 98 Prozent der Gewalt von Männern ausgesetzt sind. „Die meisten Betroffenen erleben Gewalt durch ihre Ehemänner bzw. Lebensgefährten – 41 Prozent – und durch ihre Ex-Ehemänner und -Lebensgefährten – 18 Prozent“, so Sonja Ablinger, Vorstandsvorsitzende des Gewaltschutzzentrums OÖ. „Sehr oft beginnt es mit in Liebe verpackter Kontrolle. Er kontrolliert zum Beispiel ihre Sozialkontakte.“ Danach kommen Herabwürdigungen, Ohrfeigen, Schläge oder auch sexualisierte Gewalt. „Aus unserer Erfahrung ist es auch so, dass die Abstände zwischen den Vorfällen kürzer werden.

Hochrisikofälle werden mehr

„In den vergangenen Jahren auffällig war eine Steigerung der Hochrisikofälle und Tötungsdelikte. Im Jahr 2017 gab es österreichweit laut Kriminalstatistik 54 Tötungsdelikte, 36 im Familienkreis. 2014 wurden 38 Personen getötet, 17 davon im Familienkreis. „Es muss uns bewusst sein, dass die Wahrscheinlichkeit für Frauen, getötet zu werden, im Familienkreis am größten ist. Um die Zahl der Morde zu verringern, braucht es genaue Forschung und Analysen der Ursachen, eine multiinstitutionelle Zusammenarbeit aller Akteure und entsprechende Maßnahmen“, fordert Eva Schuh, Geschäftsführerin des Gewaltschutzzentrums OÖ, die betont, wie schwierig es ist, sich aus der Gewaltspirale zu lösen.

Abhängigkeit überwinden

„So schwierig es zu glauben ist, Frauen gewöhnen sich auch an Gewalt“, erklärt Ablinger. Hinzukomme, dass die Frauen oft durch das Erlebte traumatisiert würden und ihr Selbstwertgefühl verlören. Ein weiteres großes Hindernis, sich aus der Beziehung zu lösen, ist die finanzielle Abhängigkeit.Hier setzte das Projekt „Perspektive Arbeit“ in den vergangenen drei Jahren erfolgreich an. 125 Frauen bekamen dank des Projekts einen Arbeitsplatz. 45 konnten trotz der Schwierigkeiten, die eine solche Situation mit sich bringt, ihren Arbeitsplatz erhalten. Weitere 26 machten eine Ausbildung. „Das Projekt läuft leider aus. Wieder eigenständig Fuß fassen zu können, ist ein wesentlicher Punkt“, bedauert Schuh die mangelnde Finanzierung.

Bei Unbehagen anrufen

„Für uns ist es wichtig, dass sich eine Frau früh meldet – ganz egal, was sie dann vorhat“, so Ablinger. „Wir haben auch Frauen, die einfach nur fragen „Ist das normal?““, ergänzt Schuh. Das sei gut, denn „lieber früher melden als zu spät“.

*Name von der Redaktion geändert

Gewaltschutzzentrum OÖ

www.gewaltschutzzentrum.at/ooe/

Stockhofstraße 40/Wachreinergasse 2, 4020 Linz

Außenstellen in Ried i.I., Freistadt, Rohrbach, Perg, Gmunden, Bad Ischl, Kirchdorf, Steyr

Telefon: (+43 732) 60 77 60

E-Mail: ooe@gewaltschutzzentrum.at

Autonomes Frauenzentrum

www.frauenzentrum.at

Starhembergstraße 10, Ecke Mozartstraße, 2. Stock, 4020 Linz

Telefon: (+43 732) 60 22 00

E-Mail: hallo@frauenzentrum.at

Frauenhaus Linz

www.frauenhaus-linz.at

Notruf rund um die Uhr:0732 606700

E-Mail: office@frauenhaus-linz.at

Alle OÖ Frauenhäuser (Linz, Wels, Steyr, Vöcklabruck und Ried) unter  www.frauenhaus.at


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