"Es gibt keinen goldenen Wegweiser für's Bloggen."
ST. MARTIN IM MÜHLKREIS. Christoph Ulreich (26) aus St. Martin im Mühlkreis zählt in Oberösterreich zu den größten Food-Bloggern. Auf seinem Instagram-Account grizztoph verzeichnet er knapp 80 000 Follower und seit letztem Herbst führt er den Food-Blog muttikocht.net. Im Interview erzählt er wie er zum Blogger geworden ist, woher seine Inspirationen für die Postings stammen und verrät: „ich würde keinem 100k Fitness-Girl, die nur Bikini-Fotos postet, folgen.“ Er selbst sieht sich als Content Creator. Seine Message, die er von Beginn an vermittelt ist: „Es ist möglich, dass man sportlich aussieht und trotzdem in der Ernährung auf nichts verzichten muss, wenn man die Kalorienbilanz im Auge hat.“
Siehst du dich selbst als Blogger?
Meinen Instagram-Account gibt es schon länger, da habe ich anfangs eher private und unspektakuläre Fotos gepostet, die in Richtung Fitness waren. Dann vor zwei Jahren habe ich begonnen aus Satire und Parodie gegenüber den anderen Fitness-Accounts, das Gegenteil zu machen. Bei denen steht das Schöne und Präsenthafte im Vordergrund, ihr Essen ist aufwendig verziert und es wird als besonders gesund angepriesen. Ich habe ganz banal Süßigkeiten insbesondere Schokolade auf mein Essen gelegt. Zum Beispiel habe ich Tortenstücke auf meine Puddingoats platziert, also ich habe es völlig übertrieben und es ins Satirische gezogen. Das hatte eine gewisse Resonanz erzielt, denn ich habe damals nicht unsportlich ausgesehen. Zudem war Instagram oder generell der Lebensmittelmarkt nicht so „süß“ unterwegs. Es hat mir Spaß gemacht und das war mitunter ein Grund, warum ich mich entschieden habe meine Postings regelmäßiger zu gestalten.
Alltag eines Bloggers?
Ich bin kein Lifestyle-Blogger, der irgendwas repräsentieren muss oder auch Content vorbereiten sowie mit zehn verschiedenen Outfits an unterschiedlichen Hotspots Fotos schießen muss. Bei mir gestaltet sich der Arbeitsaufwand einfacher. Ich süße beispielsweise Topfen und mische Schokolade oder andere Süßigkeiten dazu, dann knipse ich noch ein Foto davon. Den passenden Text überlege ich mir wenn ich am Vormittag im Fitnessstudio am Laufband stehe und mich warm laufe. In dieser Zeit bereite ich den Post vor, den ich nach dem Trainieren hochlade. Mittags bin ich bei meinen Eltern im Restaurant arbeiten, dort wird im Optimalfall die Mama ein wenig beim Kochen gefilmt und ich poste es in die Instagram-Story. Der Nachmittag gestaltet sich unterschiedlich, je nachdem was ansteht, bin ich entweder auf der Uni oder in der Bibliothek. Denn ich studiere Jus und stehe vor meiner Diplomarbeit. Sonst unternehme ich gerne etwas mit Freunden oder engagiere mich ehrenamtlich beim Roten Kreuz.
Was inspiriert dich für deine Texte?
Ich hatte immer schon eine sarkastische Schreibe, dass war auch das Lustige am Anfang. Ich habe mich über die Fitnessszene lustig gemacht, da so viel falsches Wissen und Unwissenheit vorherrscht. Ich habe Dinge miteinander in Bezug gestellt, diese übertrieben dargestellt und so für einen Lacher bei meinen Followern gesorgt: „Zum Beispiel habe ich geschrieben, dass Smarties bunt sind und daher kalorienfrei. Oder auch ein Donut hat ein Loch in der Mitte, sieht aus wie eine Null und hat daher null Kalorien.“ Auch jetzt noch achte ich darauf, dass ich das Sarkastische nicht verliere. Die Texte, die ich schreibe, fallen mir immer spontan ein. Ich stehe am Laufband im Fitnessstudio, sehe mir das Foto an, picke mir einen Aspekt raus und baue rundherum die Geschichte, die ich erzählen will. Manchmal erzähle ich auch was ich gemacht oder an diesem Tag noch geplant habe. Wenn es allgemeinen Gesprächsstoff gibt, zum Beispiel die Fußball-WM bau ich diesen auch ein.
Besteht ein Austausch mit anderen Bloggern?
In Instagram folge ich um die 160 Accounts, die meisten davon kenne ich persönlich, also das Interesse an anderen Bloggern ist nicht vorhanden. Ich lese mir auch kaum Sachen von anderen durch, ich bin jetzt eher nicht der Kunde von Instagram sondern mehr derjenige, der Content liefert und bereitstellt. Der Austausch mit anderen Bloggern an sich, findet bei diversen Treffen statt. Grundsätzlich ist es mir relativ egal was andere machen oder schreiben. Ich treffe mich dennoch wahnsinnig gerne mit anderen im realen Leben, die etwas Ähnliches wie ich machen und tausche mich beispielsweise über Content Marketing aus. Das ist schon cool, dass man mit Menschen in Kontakt tritt, die einem vorher noch nicht bekannt waren.
Hast du einen Lieblingsblogger?
Nein, habe ich nicht wirklich. Ich müsste mehr Zeit darin aufwenden und mich bei anderen Profilen durchzappen. Aber es gibt viele gute Accounts, die coolen Content liefern. Ich mag Menschen, die bodenständig und authentisch sind. Ich würde keinem 100k Fitness-Girl folgen, dass nur Bikini-Fotos postet, so etwas juckt mich überhaupt nicht.
Hast du durch Instagram neue Freunde gewonnen?
Ja, ich habe dadurch schon sehr gute Freunde gefunden. Und auch durch diverse Veranstaltungen lernt man immer wieder neue Leute kennen. Das ist das coole am Bloggerdasein, man kann sich mit anderen austauschen und quatscht über Dinge, die einen verbinden.
Perspektivenwechsel: Wie beschreibst du selbst deinen Feed? Aus welchen Gründen folgen dir knappe 79 000 Menschen?
Wenn du eine gewisse Regelmäßigkeit rein bringst und wirklich Tag für Tag Etwas postest, wird mehr eben mit mehr belohnt. Meine Reichweite ist über die letzten zwei Jahre hinweg kontinuierlich gestiegen, dass erzeugt einen gewissen Reiz auch mal zwei Fotos an einem Tag hochzuladen. Warum Menschen mir folgen kann ich in mehrere Sparten aufsplitten. Zum einem, weil sie wissen möchten, was es Neues im Supermarkt an Süßigkeiten gibt. Da ich mich diesbezüglich informiere und sie sobald diese Dinge erhältlich sind auf meinem Essen platziere. Zudem gebe ich eine Bewertung ab, wie sie mir schmecken also mache so eine Art Review. Zum anderen folgen mir leider auch Menschen, die eine Essstörung haben. Diesen Grund finde ich persönlich nicht schön, aber diese Follower sind nun mal vorhanden. Das sind Menschen, die verbieten sich selbst bestimmte Dinge zu essen und stillen so ihr Verlangen auf Süßes, anhand meinen Bildern. Obwohl sie im Hinterkopf immer den Gedanken haben, diese selbst nie zu essen. Dann gibt es eben noch Follower, die sich über meinen Content freuen. Also über die Texte, die ich unter jedem Bild verfasse. Da besteht schon ein gewisser Austausch in den Kommentaren. Zudem traue ich mich zu behaupten, dass ich im Foodblogger-Sektor einer bin, der eine wirklich gute Fotoqualität aufweist, weil ich in Studioqualität fotografiere.
Wie sieht die geografische Verteilung deiner Follower aus?
Zum Großteil folgen mir Menschen aus Deutschland. Denn es ist so, wenn du deutsche Texte schreibst, scheinst du auch im deutschsprachigen Raum auf. Zudem ist Deutschland ja um vieles größer als Österreich. Ich hätte voll gerne mehr österreichische, vor allem regionalere Follower.
Kannst du deine Follower beschreiben?
Interessenstechnisch ist es schwer zu sagen, wie die Verteilung aussieht. Nach personellen Fakten funktioniert das natürlich. Dreiviertel meiner Follower sind Frauen, der Rest sind Männer. Die meisten sind zwischen 18 und 24 Jahren.
Wie erklärst du dir, dass dir so viele Frauen folgen?
Davon abgesehen, dass Instagram von jeher frauendominanter war, liefere ich eher einen Content, der Frauen anspricht. Ich schreibe eher feminin und biete somit Männern kaum einen Mehrwert. Wenn ich meine Texte verfasse, stelle ich mir eine 25-jährige Frau vor, die ich mit meinen Content erreichen möchte. Catcontent -also Fotos mit meiner Katze - kommt bei der Frauenwelt super an. Es ist ja bekannt, dass Katzen oder Schokolade bei Frauen besser ankommen.
War das schon immer so?
Anfangs entsprach mein Account eher einem Fitness-Account. Denn ich wollte den aufklärerischen Faktor aufgreifen, dass es möglich ist sportlich auszusehen und trotzdem Süßigkeiten insbesondere Schokolade zu konsumieren. Aber auf diesem Weg habe ich schon bald gemerkt, dass man damit regelrecht gegen eine Wand redet. Man erreicht eben nicht jeden und bekommt jeden Tag erneut die gleichen Fragen gestellt. Es war aber auch nie meine Vision, dass ich mit meinem Schreiben Andere bekehren will. Es gestaltet sich sehr schwierig, da die Fitnessszene an sich voll mit teils Unwahrheiten sowie Unwissenheit gefüllt ist. Grundsätzlich kannst du Menschen, die eine feste Meinung haben nicht umstimmen, denn das ist ein ewiger Kreislauf indem diskutiert wird.
Gibt es Follower, die du persönlich kennst? Hast du vielleicht sogar Groopies?
Groopies habe ich keine. Zum Glück, denn ich stehe selbst als Person eher ungerne im Mittelpunkt. Ganz selten werde ich wiedererkannt. Ich bin ja ohnehin weniger an den Hotspots unterwegs, da ich nicht direkt in Linz wohne. Kürzlich hat mich in der Passage ein Mädl angesprochen und wir haben kurz gequatscht. Hat mich gefreut und ist mir auch viel lieber, als wenn in der Straßenbahn zwei Mädls miteinander tuscheln und kein Wort zu mir sagen.
Was ist die Message, die du in Instagram vermitteln möchtest?
Die Übermessage war zumindest am Anfang, als das Fitnessthema noch mehr im Vordergrund war, dass der Verzicht und sich selbst Dinge zu verbieten nicht langfristig zielführend sind. Dessen bin ich mir treu geblieben, dass ich aufzeige das es möglich ist jeden Tag eine Tafel Schokolade zu essen und trotzdem eine ausgewogene Ernährung zu haben. Wenn ich eine Message jetzt spontan formulieren soll, wäre die dann wohl in die Richtung: „Genuss mit Maß und Ziel“. Ein konkretes Sprichwort habe ich mir nie wirklich überlegt.
Seit letztem Jahr hast du auch einen Blog muttikocht.net, wie ist dieser zustande gekommen?
Kurz vorweg muss ich sagen, dass der Blog seit Monaten steht, es kommt momentan nichts Neues. Dennoch ist er online und man kann ihn aufrufen. Die Entstehungsgeschichte ist einfach erklärt, ich habe letzten Herbst am WIFI den Content Marketing Redakteur Lehrgang gemacht und als Abschlussarbeit/-projekt diente die Realisierung eines Content Marketing Konzepts. Für mich bot sich somit die Gelegenheit die Nachfrage meiner Follower zu stillen, da ich vermehrt Anfragen wegen der Rezepte von den Süßspeisen meiner Mutter bekommen habe. Zudem habe ich den Blog muttikocht.net meiner Mutter gewidmet und erzielte somit eine Win-Win-Situation. Der Blog spiegelt wieder was mir schmeckt, von herzhaften bis süßen Speisen. Der Content kam nicht nur von meiner Mutter, zudem hatte ich auch Unterstützung von zwei anderen Mädls, deren Rezepte ich gut fand. Auch wenn nicht alle Rezepte von mir selbst sind, sind es dennoch Rezepte, die einen starken Ich-Bezug haben, von denen ich überzeugt bin und die mir schmecken.
Wie sieht die Weiterentwicklung aus?
Die Gewichtung meines Instagram-Accounts ist deutlich höher als die vom Blog, auch aus monetärer Sicht. Denn es ist nicht möglich seine gesamte Freizeit mit Sachen zu verbringen, an denen du ohnehin wenig bis nichts verdienst. Eine Weiterentwicklung strebt nach Regelmäßigkeit und diese ist zeitaufwendig.
Eine mittelfristige Vision ist es aber doch, gemeinsam mit meiner Mutter und ihren Rezepten weiter an ihrer Reichweite zu arbeiten und vielleicht E-Books rauszubringen. Dort wäre dann muttikocht.net die Landingpage.
Mit deiner Reichweite wirst du bestimmt auch Kooperationen haben oder?
Es macht einen Unterschied ob man langfristig oder nur für gewisse Projekte mit Unternehmen zusammenarbeitet. Bei der rosa Sportmarke (GymQueen) bin ich seit gut einem Jahr Bestandteil, bei deren Influencerteam. Da es für Blogger auch schon Jobportale gibt, in denen Unternehmen gezielt nach Influencern suchen, entstehen auch kurze Kooperationsprojekte. Wie zum Beispiel Kinobesuche oder Produkttestungen.
Wie lukrativ ist das Bloggerdasein wirklich?
Ich bekomme nicht wirklich viele Anfragen, da ich mit dem eher süßen Content mehr in einer spitzen Nische bin und da die Kooperationsnachfrage ohnehin nicht so groß ist. Da diese großen Konzerne ihre eigenen Strategien verfolgen und eher im Bereich Spitzensport ihre Influencer haben. Bezüglich der Frage wie lukrativ es ist. Ich habe Bekannte, die verdienen extrem gut damit. Ich hingegen bin sehr lange werbefrei gewesen, bis zur 50 000 Follower Marke. Erst dann habe ich langsam angefangen Anfragen anzunehmen, die für mich interessant und authentisch waren. Anzumerken ist auch, dass die Anzahl der Follower nicht immer ausschlaggebend für den Verdienst ist. Denn es gibt Blogger, die sind in ihrem Genre sehr bekannt und andere kennen ihn/sie trotzdem nicht auch wenn er/sie mehrere tausend Follower hat.
Was rätst du Jungbloggern um mehr Reichweite zu erzielen?
Es gibt keinen goldenen Wegweiser für das Bloggen. Wichtig ist regelmäßiger, authentischer und hochqualitativer Content. Auch die Qualität von Fotos ist ausschlaggebend, dies ist leicht händelbar da die Kameras von Smartphones wirklich gute Fotos schießen. Was den Umgang mit Kooperationen betrifft, rate ich nicht sofort bei den ersten paar tausend Followern jede Anfrage anzunehmen, sondern sich seiner Basis bewusst werden und authentisch auswählen mit wem man eine Zusammenarbeit eingeht. Das heißt konkret sich seine eigene Nische zu suchen, wo sich Authentizität und Kooperationen vereinbaren lassen und sich ein Mehrwert verwirklichen lässt.
Wenn man sich die Positionierung des Kanals grafisch als Baum vorstellt, da bildet der Baum selbst das Überthema. Dann gehe ich ins Detail, also klettere einem Ast nach und spezialisiere mich auf einen Zweig. Ich detailliere meine Vorstellung solange weiter bis ich bei einem Blatt angelangt bin und genau diesen einem Blatt drücke ich meinen Stempel auf und verwirkliche meine persönliche Marke.
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