Nachtwächter zu Lintze: "Ich laufe mit offenen Augen durch die Stadt"
LINZ. „Gott zum Gruße“ ertönt es, wenn Wolfgang Liegl mit seinem schweren, schwarzen Mantel und seiner Hellebarde durch die Gassen der Altstadt wandelt. Mittlerweile ist der Nachtwächter zu Lintze nicht mehr aus dem Stadtbild wegzudenken. Genau am 17. April werden es zwölf Jahre, dass Liegl mit seinem umfangreichen Wissen in vergangene Zeiten entführt.
Der 52-jährige kam aufgrund seiner Liebe zu England auf die Idee, auch in Linz Nachtwächter-Führungen anzubieten. Er bezeichnet sich selbst als „Englandfreak“, hat dort auch seine Frau geheiratet. In England sind solche Führungen weit verbreitet. „Ich war davon so begeistert, dass ich gesagt habe, das möchte ich auch in Linz machen“, so Liegl. Er wolle aber keine „Gschichtln“ erzählen sondern Geschichten. „Geschichten, wo man anhand von Dokumenten und Fakten sagen kann: So hat es sich damals wirklich abgespielt.“
„Im Prinzip Aussteiger“
Der Kleinmünchner ist natürlich großer Geschichtsfan, dennoch hat ihn seine berufliche Laufbahn in eine ganz andere Richtung verschlagen. Der gelernte Konditor ist in den USA in die Gastronomie eingestiegen, hat Hotelmanagement studiert und in Österreich auch ein Hotel geführt. „Im Prinzip bin ich jetzt ein Aussteiger.“
Dabei wollte er seine Führungen anfangs nur als Hobby machen.“Das das so gut ankommt, habe ich damals nicht gedacht und seit 2010 ist es mein Hauptberuf, ich durfte mein Hobby zum Beruf machen“.
Inzwischen ist sein Programm auf acht verschiedene Themen-Führungen angewachsen, vom klassischen „Nachtwächter“ über „Geister und Mord“, „Arkaden, Gewölbe und Gruften“, „Dem Volk auf's Maul g'schaut“, „Das Schloss und seine Geheimnisse“, „Prunk, Pracht und Reichtum“, bis zu Führungen in Kleinmünchen und bald auch Ebelsberg.
Auf den Spuren seiner Vorgänger
Seine klassische Nachtwächter-Tour führt auf beide Seiten des Hauptplatzes, „so wie der Nachtwächter damals seine Runden gezogen hat, innerhalb der Stadtmauer. Auf den Spuren meines Vorgängers gehe ich auch.“ Und es gibt viel zu erzählen. „Geschichte ist immer interessant, man findet auch immer wieder etwas Neues“. Vom 16./17. bis Anfang 20. Jahrhundert reichen die geschichtlichen Ausflüge, der überwiegende Teil, etwa 70 Prozent seiner Gäste, sind übrigens immer noch Linzer selbst, die mehr über die Geschichte ihrer Stadt erfahren wollen.
Militärmantel und Hellebarde
Wenn er durch die Stadt geht, fällt Liegl natürlich auch auf. Er trägt bei seinen Führungen ganz besondere Kleidung. „Ich trage einen schwarzen Mantel, ein Militärmantel, original nachgeschneidert, ein Signalhorn, Tasche, Schlüssel, Hellebarde, das war natürlich wichtig damals als Waffe, Laterne und Hut. Soldatenmantel deswegen, weil in Linz die Nachtwächter einfache Soldaten waren.“
Linz mit anderen Augen
Eine Geschichte die der Nachtwächter gerne gerne erzählt: „Ich habe eine Volksschulklasse geführt, habe erzählt wie man sich im Mittelalter von Flöhen und Läusen gereinigt hat. Nachdem wir ein Stück weitergegangen sind, sind 18 kleine Knirpse dagestanden und haben sich gekratzt und bei den anderen Läuse gesucht. Jeder hat geglaubt, er hat Läuse. Seitdem bin ich vorsichtig, vor Klassen soviel über Läuse zu erzählen“, lacht er.
Und Liegl sieht Linz natürlich auch mit ganz anderen Augen, „ich laufe mit offenen Augen durch Linz“. Ein Beispiel, an dem alle schon vorbei sind, was aber viele nicht wissen: „Wir haben am Hauptplatz das kleinste Haus von Linz. Jeder ist schon vorbei gegangen, fast jeder war schon drinnen.“
Kommentare sind nur für eingeloggte User verfügbar.
Jetzt anmelden