
OÖ/LINZ. In einer Woche könnten die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie österreichweit gelockert werden. Während der Gesundheitsminister optimistisch ist, warnt der Bundeskanzler vor zu viel Euphorie. Welche Maßnahmen es braucht, um erneute Schließungen zu verhindern, wurde im JKU Corona Update am 30. November besprochen.
Virtuell zu Gast bei JKU Rektor Meinhard Lukas waren:
- Niki Popper, Simulationsexperte an der Technischen Universität Graz
- Martin Sprenger vom Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie der Medizinischen Universität Graz sowie ehemaliges Mitglied einer Covid-19-Arbeitsgruppe des Gesundheitsministeriums
- und Stephan Gerhard Huber, Leiter Forschung und Entwicklung der Pädagogischen Hochschule Zug (Schweiz) und Gastprofessor an der Linz School of Education der JKU.
Gemeinsam diskutierten sie darüber, was aus den ersten Schließungen im März gelernt wurde und was ab Dezember getan werden müsse, um erneute verschärfte Maßnahmen zu verhindern. Aufgegriffen wurden Massen-Schnelltests, der Beitrag der Schulen zum Infektionsgeschehen, die Nachverfolgung von Kontakten, Öffnungsschritte und die Impfung.
Effekte lassen sich nicht klar trennen
So lässt sich zum Beispiel festhalten, dass viele Bereiche nicht unabhängig voneinander betrachtet werden sollten. Popper führt aus, dass die Effekte der leichteren, wie der Ausgangsbeschränkung ab 20 Uhr, und härteren Maßnahmen, z.B. der ganztägigen Ausgangsbeschränkung, im Herbst verschwimmen. Der Zeitabstand dazwischen war zu kurz, um die ersten Maßnahmen zu evaluieren. Was den jetzigen Lockdown betrifft, so wird der Effekt wohl noch bis zum 14. oder 15. Dezember anhalten. Darüber hinaus seien die Infektionszahlen am Montag immer mit Vorsicht zu genießen, da am Wochenende weniger gemeldet wird.
Gezeigt habe sich bisher aber, dass das Virus im Sommer weniger aktiv sei. Ausschlaggebend für die Verschärfung von Maßnahmen war bisher die Auslastung der Intensivbetten in Krankenhäusern.
Digitale Maßnahmen sollten verstärkt werden
Was kann präventiv gemacht werden, dass es gar nicht so weit kommt? Dazu haben sich bereits alle eingeladenen Online-Gäste Gedanken gemacht. Huber meint etwa, dass mehr auf die Kommunikationsfunktion von Schulen gesetzt werden sollte, zum Beispiel zur Einhaltung der Hygienemaßnahmen. Auch digitale Maßnahmen könnten verstärkt genutzt werden. Das wird rund um die Nachverfolgung von Kontakten ebenfalls eingebracht. Hier brauche es laut Popper mehr Digitalisierung und Strukturen. Eine Person sollte nicht erst zwei Wochen nach einem Kontakt zu einem Infizierten informiert werden. Tatsächlich werden Listen mit der Hand und Excel geführt, ergänzt Sprenger. Hinzu komme, dass die Verfolgung von Kontakten personalintensiv sei und sich nicht alle kontaktierten Personen testen lassen würden.
Verhältnismäßig mehr Einfluss auf das Infektionsgeschehen erwarten sich Sprenger und Popper von Covid-19-Schnelltests und Impfungen. Popper sieht in den Massentests allerdings nur einen „Puzzlestein“. Man müsse so realistisch sein und einsehen, dass man mindestens bis in den Frühling mit gewissen Reduktionen und Maßnahmen werde leben müssen. Auch Sprenger ist von Massentests nicht gänzlich überzeugt. In der Steiermark sei bereits ein alternatives Konzept durchgeführt worden, das sich bewährt habe. Hier wurden nahe des Wohnortes ausschließlich die Personen getestet, die Covid-19-Symptome haben oder denken, sich mit dem Corona-Virus infiziert haben zu können. Danach wurden deren Kontaktpersonen informiert, wodurch Cluster identifiziert werden konnten.
Kommunikationsstrategie fürs Impfen
Überzeugter sind Popper und Sprenger von einer Impfung gegen Covid-19. Popper meint etwa, dass mögliche Nebenwirkungen weniger wiegen als die Zahl der bereits an Covid-19 Verstorbenen. Selbst nach der Einnahme einer Kopfwehtablette könne es zu Nebenwirkungen kommen.
Sprenger gibt zu bedenken, dass Vertrauen in Behörden und in die Regierung auch Voraussetzung für Vertrauen in den Impfstoff sei. Er schlägt daher eine Kommunikationsstrategie der Regierung vor. Ansonsten könne es zu einer Skandalisierung der Impfung kommen, wenn Todesfälle und die Einführung der Impfung zeitlich zusammenfallen.