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1 Jahr Covid-19: Auswirkungen auf Menschen mit Beeinträchtigung

Nora Heindl, 06.04.2021 14:40

OÖ. Die Corona-Schutzmaßnahmen haben auch Menschen mit Beeinträchtigung und ihre Angehörigen hart getroffen. Die Tagesstrukturen waren Großteils im Notbetrieb – das heißt nur für jene Menschen geöffnet, die keine Betreuungsalternative zur Verfügung hatten. Auch Besuche in den Wohneinrichtungen waren und sind nur eingeschränkt möglich. Pauschale Regelungen würden in diesem Bereich aber kaum Sinn machen, zudem seien die psychosozialen Auswirkungen auf die Kunden zum Teil massiv. 

  1 / 2   IVMB-Obmann Alfred Prantl berichtete wie Covid-19 den Alltag von Menschen mit Beeinträchtigungen verändert hat. (Foto: Land OÖ/Denise Stinglmayr)

„Für Menschen mit Beeinträchtigungen ist ihre Tätigkeit in den Werkstätten oft die einzige Möglichkeit außerhalb ihres Wohnbereichs soziale Kontakte zu pflegen. Deshalb ist es wichtig, Schutzstrategien zu etablieren, die ihnen so lange wie möglich erlauben, ihrer Tätigkeit nachzugehen. Cluster-Bildungen in Einrichtungen sollen durch häufige Tests verhindert werden und nicht durch soziale Isolation der Klientinnen und Klienten!“, appelliert Alfred Prantl, Obmann der Interessenvertretung f. Menschen mit Beeinträchtigung, an die Verantwortlichen.

„Leider gab es und gibt es Kundinnen und Kunden, die unter der beschränkten Verfügbarkeit von einigen Leistungen wie etwa bei den mobilen Diensten oder auch bei den Beschäftigungseinrichtungen, sehr leiden“, so Edith Zankl, stv. Sprecherin IV-Sozialunternehmen und Geschäftsführerin Volkshilfe Lebensart: „Zum Beispiel, weil die sinnstiftende und tagesstrukturierende Tätigkeit fehlt oder einfach auch nur der Kontakt zu den anderen Menschen oder zum Betreuungspersonal abgeht. Wir müssen für die Zukunft daraus lernen. Die psychosozialen Auswirkungen bei den Kundinnen und Kunden sind spürbar und massiv. Einige Entwicklungen sind sehr negativ im Sinne von Kompetenzverlusten, besonders herausforderndem Verhalten oder starke Rückzugssymptomatiken – einige aber auch positiv durch Reizreduktionen, bewusstere Resilienzstärkungen und grundsätzliche Krisenkompetenz.“

Menschen mit Beeinträchtigung würden weder automatisch zum Hochrisikobereich noch automatisch zum Bereich der Alten- und Pflegeheime gehören, wie es in so manchen Verordnungen pauschaliert worden sei. „Leider wurden wir nicht gefragt, was wir tatsächlich brauchen und welche Bedürfnisse wir in der Pandemie hatten und haben. Wir waren in den Krisenstäben, genauso wie die Träger, nicht vertreten. Das war ein Rückschritt in Sachen Inklusion. Auch die Ausstattung mit Covid-19-Schutzkleidung erfolgte im Behindertenbereich sehr spät“, betont Prantl.

Erfahrungswerte nutzen

Für die Zukunft sei es wichtig, dass Leistungen und Standorte nicht mehr geschlossen werden, sagt Gernot Koren, Sprecher der IV-Sozialunternehmen und Geschäftsführer pro mente OÖ: „Das bringt viel mehr Schaden als Nutzen. Wir müssen die Leistungen offen halten, natürlich unter Einhaltung bewährter Risikoabschätzungen und Präventionskonzepte. In unserer Arbeit geht es um essentielle Leistungen für Menschen mit Beeinträchtigungen. Wichtig ist auch die zielgruppen- und leistungsspezifische Risikoabschätzung, pauschale Regelungen machen in unserem Bereich kaum Sinn. Unser Verwaltungsaufwand war teilweise sehr hoch, eine Entbürokratisierung würde dem entgegenwirken. Und schließlich müssen Menschen mit Beeinträchtigungen besser und von Anfang an in Entscheidungsprozesse eingebunden werden. Inklusion im Sinne von Partizipation, Teilhabe und Mitwirkung darf nicht nur ein Schönwetter-Schlagwort sein, wir müssen diese auch – und vor allem in Krisenzeiten – mit Leben füllen.“

Infektionsgeschehen in den ChG-Einrichtungen

Mehr als 12.700 Menschen mit Beeinträchtigungen haben im Jahr 2020 Leistungen nach dem Oö. Chancengleichheitsgesetz (Oö.ChG) in Anspruch genommen. Rund 4.800 haben eine Wohnbetreuung erhalten, weitere 2.316 eine Mobile Betreuung und Hilfe oder Persönliche Assistenz in Anspruch genommen. 5.595 Personen waren in einer Tagesstruktur (integrativ oder in Werkstätten) beschäftigt.

In den 593 Wohn- und Beschäftigungseinrichtungen hat es bis bisher insgesamt 1.734 bestätigte Covid-19-Infektionen gegeben – davon waren 801 Klienten und 933 Mitarbeiter betroffen. Die meisten von ihnen hatten einen leichten Krankheitsverlauf, 32 Personen sind an den Folgen ihrer Covid-Erkrankung leider verstorben. Aktuell sind in 16 oberösterreichischen Einrichtungen 36 Mitarbeiter sowie 30 Klienten positiv auf Covid-19 getestet (Stand: 4. April 2021).

„Das letzte Jahr hat unseren Arbeitsalltag extrem gefordert“, sagt Gernot Koren. „Ich bedanke mich bei allen Mitwirkenden für die hohe Professionalität in dieser Krisenzeit. Dies war auch einer der Gründe dafür, dass es relativ wenig Covid-19-Erkrankungen und Todesfälle gab.“

Impfstatus in Einrichtungen nach dem Oö. ChG:

Oberösterreichweit hat das Sozialressort in Kooperation mit den Trägern im Behindertenbereich 17 Impfzentren eingerichtet. Bisher wurden insgesamt 7.824 Impfdosen mit dem Impfstoff Moderna an Menschen mit Beeinträchtigungen in Einrichtungen nach dem Oö. ChG verabreicht, davon haben 6.417 Personen eine erste Teilimpfung bekommen. Rund 68 Prozent der Personen, die ein Impfangebot erhalten haben, haben sich impfen lassen. Die Impfquote bei den Bewohnern von Wohneinrichtungen liegt bei 75 Prozent. Mittlerweile wurde an rund 1.400 Personen bereits eine zweite Teilimpfung verabreicht.

„Ich appelliere weiterhin an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, das Impfangebot anzunehmen, leistet die Impfung doch den besten Schutz vor einer COVID-19-Erkrankung mit schwerem Verlauf“, ruft Landesrätin Birgit Gerstorfer auf.

Angebotserweiterung

Im vergangenen Jahr haben in Oberösterreich rund 4.800 Menschen mit Beeinträchtigungen eine Wohnbetreuung erhalten. Da der Wohnplatzbedarf damit noch nicht gedeckt ist, hat das Sozialressort bereits 2018 eine Ausbauoffensive gestartet – bis zum Jahr 2022 werden so oberösterreichweit mehr als 500 neue, zielgruppengerechte Wohnplätze geschaffen. Beispielsweise hat erst kürzlich das Wohnhaus „Hubkogl“ in Bad Ischl mit 14 Plätzen den Betrieb aufgenommen. Außerdem bietet das neue Haus einen Kurzzeitwohnplatz und einen Akut-Kurzzeitwohnplatz. Das Sozialressort des Landes OÖ hat die Errichtung mit rund 1 Million Euro unterstützt. Auch in Unterweißenbach bekommen 15 Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung demnächst ein neues Zuhause.

Insgesamt werden alleine in diesem Jahr 94 Plätze für voll- oder teilbetreutes Wohnen entstehen. 133 weitere Plätze werden 2022 geschaffen.


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