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Aus dem Gerichtssaal: Verhandlung im Fall Christa P.

Anna Fessler, 19.11.2024 17:43

LINZ. Am Dienstagvormittag musste sich in Linz ein 44-jähriger wegen „Imstichlassen einer Verletzten“ und „Störung der Totenruhe“ vor Gericht verantworten. Er wurde zusätzlich zu einer bestehenden Verurteilung (18 Monate Haft) zu weiteren sechs Monaten unbedingter Haft verurteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Nur ein kleiner Teil der Personen, die sich für die Verhandlung am Landesgericht Linz interessieren. Im Gerichtssaal reichten die Sitzplätze nicht aus, ein Teil der Zuschauer musste stehen. (Foto: Tips/af)

Es herrscht ein Gedränge vor und im Gerichtssaal, manche Zuschauer müssen während der Verhandlung stehen. Die Angehörigen und Freunde von Christa P. rutschen bereits ungeduldig auf ihren Sitzen hin und her, aber es kann noch nicht losgehen, der Angeklagte fehlt noch. Nach ein paar Minuten betritt er zögerlich den Gerichtssaal, die Kapuze seiner Daunenjacke hat er sich tief ins Gesicht gezogen. Bevor die Richterin die Anklage verliest, zieht der schmale Mann mit graumeliertem kurzen Haar die Kapuze wieder herunter. Er spricht sehr leise, die Zuhörer in der zweiten Reihe beugen sich während der Verhandlung mehrmals nach vorne, um zu verstehen, was er sagt.

Vorgeworfen wird dem 44-jährigen Herrn M. das „Imstichlassen einer Verletzten“ und „Störung der Totenruhe“. Er bekennt sich schuldig, die Verhandlung startet.

Der Staatsanwalt sagt, M. habe „alles falsch gemacht habe, was man falsch machen konnte“. Er wirft ihm vor, dass er nichts unternommen habe, als Christa P. in seiner Wohnung gesundheitliche Probleme bekam und er sie darüber hinaus in einem Feld vergrub, nachdem sie verstorben war.  

Was über den Fall bekannt ist

Zur Erinnerung: Am 14. Oktober 2023 verschwand die 55-jährige Linzerin Christa P., ihr letzter bekannter Aufenthaltsort war die Wohnung ihres Bekannten M. Acht Monate später wurde Christa P.s Leichnam in einem Feld in Ebelsberg ausgegraben – nachdem Herr M. einem Verwandten erzählt hatte, dass Frau P. in seiner Wohnung verstorben war und er sie dort verscharrt habe. Der Verwandte informierte die Polizei. Ein toxikologisches Gutachten ergab, dass Christa P. mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit an einer hohen Dosis Morphinen gestorben ist.

„Wusste nicht, dass sie sowas nimmt“

Was in dieser Nacht passiert ist, können nur zwei Menschen mit völliger Sicherheit wissen: Christa P. und Herr M. Letzterer sagt vor Gericht, sie hätten gemeinsam Alkohol konsumiert, er habe später auch Substitol (das Morphin enthält) genommen und sich dann hingelegt. Der stark alkoholisierten Christa P. habe er davor ins Schlafzimmer geholfen, ob sie Substitol konsumiert habe, wisse er nicht, er sei jedenfalls nicht dabei gewesen. Er beteuert mehrmals, dass er nie gedacht habe, „dass sie stirbt“. Er habe nicht einmal gewusst, „dass sie so was nimmt.“

Dreimal mit Freund telefoniert

Was fest steht ist, dass M. in dieser Nacht drei Mal mit einem Freund telefoniert hat. Insgesamt 2000 Sekunden lang, sagt der Angehörigenanwalt, der als Nebenkläger auftritt. Der Freund, mit dem Herr M. telefoniert hat, ist auch als Zeuge vor Gericht geladen. Diesem soll Herr M. während einem der Telefonate erzählt haben, dass Christa P. nicht mehr wach zu bekommen sei. Daraufhin habe der Freund Herrn M. geraten, sofort einen Notarzt zu rufen. Vor Gericht schwächt der Freund die Aussage ab, Herr M. sei durcheinander gewesen, die Rede davon, dass Christa P. stark betrunken sei. Herr M. habe ihm gegenüber gemeint, er werde die Rettung rufen und sei schließlich nicht mehr erreichbar gewesen. Der Freund sagt auch: Herr M. habe gewusst, dass Christa P. Substitol konsumiert habe, das habe er ihm auch am Telefon gesagt.

Der Anwalt der Angehörigen will im Zuge der Verhandlung von Herrn M. wissen, wie es ihm möglich gewesen sei, Christa P. alleine zu tragen und in dem Feld zu vergraben. Herr M. antwortet ihm, er habe damals 15 Kilogramm mehr gewogen als jetzt, habe mittlerweile stark abgenommen.

Urteil nicht rechtskräftig

Nach einer Stunde und 20 Minuten verliest die Richterin das Urteil: Sechs Monate Zusatzstrafe, die zu einer 18-monatigen Haftstrafe wegen eines anderen Vergehens hinzukommen. Herr M., so die Richterin in der Urteilsbegründung, hätte die Möglichkeit gehabt, Hilfe zu leisten, dies aber nicht getan. Zudem habe er die Familie monatelang im Unklaren gelassen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

So wie die Richterin den letzten Satz gesprochen hat, beginnt ein Tuscheln im Saal, die Angehörigen und Freunde von Christa P. sind sichtlich unzufrieden mit dem Ausgang der Verhandlung. Vor dem Landesgericht stehen sie in einem Kreis zusammen. „Eine Frechheit!“, macht eine Verwandte von Christa P. ihrem Unmut Luft, „Es ist ein weiterer Stich ins Herz der Familie“, sagt ein anderer. Offen bleiben im Fall Christa P. viele Fragen, zum Beispiel, was mit ihrem Handy passiert ist oder wer hinter dem Posting steckt, das von Christa P.s-Facebook Account aus Monate nach ihrem Tod veröffentlicht wurde. Für die Justiz wird der Fall abgeschlossen sein, sobald es ein rechtskräftiges Urteil gibt.

 

 


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