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Onjuvi: So geht Jugendarbeit in der digitalen Welt

Nora Heindl, 10.04.2025 15:05

LINZ. Die digitale Welt ist längst ein zentraler Lebensraum für junge Menschen. Die Themen, die sie beschäftigen, unterscheiden sich aber kaum von jenen im analogen Raum. Um sie auch online bestmöglich unterstützen zu können, wurde vor einem Jahr das Online-Streetwork-Pilotprojekt Onjuvi ins Leben gerufen. Teamleiterin Jacqueline Pühringer gibt Einblicke in die Arbeit.

 (Foto: irena_geo/stock.adobe.com)
(Foto: irena_geo/stock.adobe.com)

Ob früher wirklich alles besser war, als sich Jugendliche noch in echt trafen, anstatt heute online, muss jeder für sich entscheiden. Auch Jacqueline Pühringer enthält sich ihrer Stimme. Die 40-Jährige gibt aber zu denken: „Ich glaube, dass Jugendliche heute genauso Freunde haben, wie wir Freunde gehabt haben, dass Jugendliche genauso rausgehen oder sich verabreden. Den digitalen Raum sollten wir vielleicht als erweiterte Möglichkeit sehen. Denn vielleicht hat es in unserer Jugend Kinder und junge Menschen gegeben, die einsam daheim gesessen sind, weil sie sich sozial vielleicht schwerer getan haben oder Interessen hatten, die vielleicht sonst keiner in der Klasse geteilt hat. Heute können sie sich online austauschen und werden in ihren Communitys so angenommen, wie sie sind.“

Auf Plattformen unterwegs

Onjuvi ist dort unterwegs, wo es auch die Jugendlichen sind: online. Die Sozialarbeiter bewegen sich vorrangig auf TikTok, Instagram, Snapchat und Discord, sind mit Content präsent, stellen sich vor, beobachten und reagieren gegebenenfalls. „Die Jugendlichen können uns einfach anschreiben, aber auf der anderen Seite schreiben auch wir die Jugendlichen direkt auf den sozialen Netzwerken an. Etwa wenn wir durch die Kommentare scrollen und sehen, dass jemand beleidigt worden ist. Wir fragen dann nach, erklären, wer wir sind und unser Angebot, und ob es jemanden zum Reden braucht. Wir haben da, glaube ich, ein relativ gutes Gespür entwickelt. Was ich aber betonen möchte, wir sind nicht da, um jemanden aufzudecken.“

Was dann passiert, ist komplett offen. „Der Jugendliche kann mir zurückschreiben, nicht antworten oder mich blockieren und ich sehe nie wieder was von ihm.“ Schreibt der Jugendliche aber zurück, ist die erste Hürde geschafft. „Das ist wirklich das Schöne bei uns. Wir können total individuell auf die Jugendlichen eingehen. Wir können gemeinsam herausfinden, was er oder sie braucht und daran arbeiten. Manchmal reicht es aber auch, einfach nur zuzuhören. Das ist im Übrigen eine Frage, die ich gerne stelle: ‚Möchtest du eine Lösung von mir oder willst du dich einfach auskotzen?‘.“

Schreiben leichter als reden

Im ersten Jahr wurden rund 400 Jugendliche im Alter zwischen 12 und 24 Jahren begleitet, sprich, es gab einmal einen direkten Kontakt. Die Themen, die die jungen Menschen beschäftigen, sind analog, wie digital die gleichen: familiäre Probleme, Überforderungen, psychische Belastungen.

Anhand der Beiträge in den sozialen Medien ist für Jacqueline Pühringer ersichtlich, wem es nicht gut geht, sei es anhand der Videos oder direkter Wortmeldungen. „Es ist um einiges leichter, zu schreiben, dass es einem scheiße geht, als es zu sagen.“ Einige der Jugendlichen haben vielleicht sogar schon mal was gesagt, wurden aber nicht gehört. Andere haben sicherlich Angst davor, analoge Angebote aufzusuchen. „Vor allem, wenn man glaubt, dass das eigene Problem vielleicht zu klein ist. Online haben sie die Möglichkeit, sich heranzutasten, zu schauen, wie jemand reagiert.“

Früher waren psychische Probleme ein Tabuthema, das ist heute zum Glück nicht mehr so. „Die Jugendlichen sind viel besser aufgeklärt. Und was man schon auch mal sagen muss. Es wird in den Medien oft so dargestellt, dass die psychische Gesundheit der Jugendlichen ach so schlecht ist, aber das sind nicht alle. Es gibt auch viele Jugendliche, denen es einfach gut geht.“

Aufbau stabiler Beziehungen

Eine Besonderheit, die Onjuvi von anderen Angeboten wesentlich unterscheidet, ist das Beziehungsangebot. „Wir arbeiten nicht nur ein Thema ab und dann ist es erledigt, bei uns geht es um mehr. Wir bieten den Jugendlichen an, mit uns in Kontakt zu bleiben, eine stabile Beziehung aufzubauen, angelehnt an die analoge Streetwork.“

Es braucht also nicht unbedingt ein Problem, um den Kontakt zu suchen. „Wir nehmen online weiterhin an ihrem Leben teil. Wenn mir eine Jugendliche erzählt, dass sie auf eine Mathe-Schularbeit hinfiebert, dann schreibe ich mir das auf, wünsche ihr kurz vorher noch Glück und frage danach, wie es gelaufen ist.“ Mal wird Gutes verkündet, mal Schlechtes besprochen, manchmal meldet sich der Jugendliche, mal fragt Jacqueline Pühringer nach, wie es denn so geht. Das Wichtigste dabei, die Jugendlichen wissen, da ist jemand an den sie sich wenden können. „Es geht darum, gemeinsame Erlebnisse zu schaffen. Ich habe schon online Pizza gebacken, häkeln gelernt und Perlen gefädelt. Und es geht darum, die Jugendlichen zu stärken. Ihnen zu sagen ‚Du machst das super‘ und ‚Du bist genug, so wie du bist‘.“

Natürlich ist es nicht möglich, mit allen Kontakt zu halten, wollen sie auch gar nicht. Jacqueline Pühringer hat aber tatsächlich drei Jugendliche, die sie schon seit drei Jahren begleitet. „Ich bin jetzt seit über drei Jahren in der Online-Jugendsozialarbeit und seit einem Jahr bei Onjuvi als Teamleiterin angestellt. Ich muss ehrlich sagen, ich wusste davor nicht, was für intensive Beziehungen man online führen kann.“

Vom Pilotprojekt zum Fixstarter:
Das oö. Online-Streetwork-Angebot Onjuvi wurde am 1. Jänner 2024 ins Leben gerufen und wird vom Verein I.S.I, dem größten Streetwork-Träger Oberösterreichs, umgesetzt. Nach einem Jahr steht fest: Onjuvi wird über die geplanten zwei Jahre als fixer Bestandteil der oö. Streetwork-Landschaft fortgeführt. Außerdem dient es mittlerweile als Vorbild für Initiativen in ganz Österreich. Finanziert wird das Projekt von der Kinder- und Jugendhilfe OÖ.
Zu den Plattformen: www.onjuvi.at

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