Neubauprojekte am Römerberg: „Ein Stück Linzer Geschichte geht für immer verloren“
LINZ. Auf dem Römerberg, seit Jahrhunderten ein beliebtes Ausflugsziel, sind derzeit einige Neubauprojekte geplant. Erst im Sommer hat der Abriss eines geschichtsträchtigen Hauses in der Römerstraße 76 für Aufregung gesorgt. Die Initiative „Schöner Römerberg“, an der sich innerhalb kurzer Zeit über 1.500 Linzer beteiligt haben, warnt vor einer „Zubetonierung ohne Maß und Ziel“ und kritisiert die Rolle der Stadtpolitik.
„Es ist ein Goldrausch“, so Karl Freilinger, Sprecher der Initiative „Schöner Römerberg“, der seit 1958 selbst dort wohnhaft ist.
Immer öfter würden kleine Altbauten verschwinden und durch große Komplexe ersetzt werden, auch dort, wo Bebauungspläne ursprünglich anderes vorsehen.
Aus einem alten Haus werden zwölf Wohnungen
Ein Beispiel dafür biete unter anderem das „Gasthaus zum goldenen Hirschen“ in der Hirschgasse Nummer 7, das vor wenigen Jahren einem Neubau weichen musste. In dem historischen Haus war 1891 die SP Oberösterreich gegründet worden.
Kritisiert wird auch ein Neubauprojekt in der Hirschgasse 47. Dort werde ein altes, zweigeschossiges Wohnhaus abgerissen.
Laut Rupert Herzog, ebenfalls Teil der Initiative und Anrainer der Hirschgasse, soll an dessen Stelle ein Neubau mit zwölf Wohnungen entstehen, wie dieser im Gespräch mit Tips verrät. Ein Blick auf den genehmigten Bauplan zeigt, der Komplex wird deutlich größer als das ursprüngliche Gebäude.
„Der Bebauungsplan sieht zwei Geschosse vor, aber durch geschickten Dachausbau machen die Architekten vier. Ein Volksschulkind sieht fünf Stockwerke – aber der Plan schwindelt uns zwei Geschosse vor“, so Herzog.
Die meisten Neubauprojekte würden dabei von Investoren umgesetzt werden:
„Investoren nutzen gezielt Schwachstellen. Da wird die Leichtsinnigkeit von Eigentümern ausgenutzt, oft ältere Leute oder Menschen, die finanziell oder fachlich nicht so stark sind“, so Freilinger.
Fehlender Bebauungsplan
Im Jahr 2023 stieß ein anderes Projekt, das mittlerweile umgesetzt wurde, auf wenig Gegenliebe von Seiten der Anrainer. In der Freinbergstraße 10 ließ Ex-Figurella-Chefin Rosa Cech einen Wohnkomplex errichten.
Kritisiert wurde insbesondere die Dimension des Gebäudes. Da es zu dem damaligen Zeitpunkt keinen gültigen Bebauungsplan in dem Areal gab, herrschte ausschließlich die oö. Bauordnung.
„Es ist nicht normal, dass in einer Herzgegend von Linz plötzlich die oberösterreichische Bauordnung gilt, weil es keinen Bebauungsplan gibt. Das kann mir keiner erklären, dass das normal ist. Nein, da ist was dahinter. Und was glauben Sie, was dahinter steckt? Die sozialistische Stadt Linz und die Turbokapitalisten stecken unter einer Decke“, so Karl Freilinger.
Im März 2024 hieß es von Seiten des damaligen Planungsstadtrats Dietmar Prammer (SPÖ): „Aktuell sind bereits zwei Projekte vor der Umsetzung, die bereits vor längerer Zeit genehmigt wurden und die in ihrer Größe nicht mehr den Zielen unserer Stadtplanung entsprechen. Um weitere Projekte in diesem Umfang zu unterbinden und einen klaren rechtlichen Rahmen zu schaffen, wollen wir ein Neuplanungsgebiet festlegen.“
Als Stadt stehe man dem Thema der Nachverdichtung grundsätzlich aber positiv gegenüber, hieß es damals.
Mehr lesen: Wegen umstrittener Bauprojekte: Stadt will Neuplanungsgebiet am Freinberg.
Von Vorgärten zu „nackten Wänden“
Besonders emotional diskutiert wird auch der Verlust des historischen Ortsbildes. Viele Vorgärten, die früher das Bild prägten, seien verschwunden. Spaziergänger, die täglich über den Römerberg gehen, müssten auf einmal auf hohe, fensterlose Rückseiten blicken.
Auch die soziale Struktur verändere sich rapide. „Früher waren wir eine Nachbarschaft, jetzt werden aus drei Wohnungen zwölf – Anonymisierung ist die Folge“, so Herzog.
Die Rolle der Politik
Kritik üben die Anrainer an der Stadtpolitik. Bebauungspläne würden „regelmäßig geändert“, oft unmittelbar vor Grundstücksverkäufen. Die Abhängigkeit von der Zustimmung des Bürgermeisters ist für viele ein Kernproblem: „Wenn der Bürgermeister nicht will, geht praktisch nichts. Der Bürgermeister hat unglaubliche Macht.“
Mit dem Rückbau früherer Satzungen, das sei vor allem durch den ehemaligen Bürgermeister der Stadt Linz, Franz Dobusch (SPÖ), vorangetrieben worden, seien Einschränkungen aufgehoben worden. Die letzte Schutzschicht sei dadurch gefallen.
Vorbild Chemnitz
Die meisten Gebäude auf dem Römerberg stehen nicht unter Denkmalschutz. Dort, wo sie nicht zu den „98, 99, 100 Punkten“ der höchsten Schutzstufe gehören, bleibe nur die Stadt Linz als Schutzinstanz. „Aber die Stadt tut nichts. Null Unterstützung. Das interessiert die nicht“, so Freilinger im Gespräch mit Tips.
Die Initiative verweist auf internationale Beispiele, die Vorbild sein könnten. In Chemnitz etwa wurde ein gesamtes Villenviertel unter Schutz gestellt. Dies werde dort als bewusstes Kulturprojekt kommuniziert.
„In Chemnitz hat man einen ganzen Stadtteil geschützt. Ein niederschwelliger Kulturgüterschutz – genau das, was wir bräuchten“, so Freilinger.
Auch für den Römerberg sei das möglich, betonen die Vertreter der Initiative. „Der Römerberg ist seit 2400 Jahren durchgehend besiedelt. Es ist einer der wichtigsten Orte der Stadt.“
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