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"Bauer unser": Regisseur Robert Schabus im Interview

Karin Seyringer, 11.11.2016 11:05

OÖ. Schneller, billiger, mehr: Robert Schabus wirft in der neuen Doku „Bauer unser“ einen kritischen Blick auf die Entwicklung in der heimischen Landwirtschaft. Bauern produzieren Lebensmittel. Der Handel vertreibt die Lebensmittel. Alle kaufen die Lebensmittel. Man möchte meinen, alle in diesem Kreislauf profitieren von diesem Verhältnis untereinander. Die Realität stellt sich aber ganz anders dar. Einhelliger Tenor: So kann es nicht weitergehen. Der Film feierte im Hollywood Megaplex in Pasching Vorpremiere. Tips hat sich mit Regisseur Robert Schabus und dem Mühlviertler Biobauern Ewald Grünzweil unterhalten.

Robert Schaubs rückt die Landwirtschaft in den Fokus. Foto: Johannes Puch
photo_library Robert Schaubs rückt die Landwirtschaft in den Fokus. Foto: Johannes Puch

Tips: Herr Schabus, sie werfen einen sehr unromantischen Blick auf die Landwirtschaft.

Schabus: Ja – das war auch das Ziel. Die Dinge so darzustellen, wie sie eben sind.

Tips: Ist das ein Thema, dass Ihnen schon länger unter den Nägeln gebrannt hat?

Schabus: Es ist jedenfalls ein Thema, das mich schon länger begleitet, weil ich ja selber auch von einem Bauernhof komme, den heute mein Bruder mit seiner Frau bewirtschaften. Auch bei uns im Dorf ist diese Entwicklung – also der Strukturwandel – ablesbar. Als ich ein Kind war, hat es da noch 10, 12 Familien gegeben, die einen Bauernhof hatten. Und jetzt gibt es noch zwei. Und das geht natürlich weiter. Diese Entwicklung ist überall ablesbar, die Betriebe werden größer, die Ausrichtung auf den freien Markt verlangt diese Intensivierung in vielen Bereichen – das ist natürlich ein Problem. Und ich wollte mir das einfach anschauen, warum das so ist. Wer übt Druck aus? Wer verdient? Was passiert zwischen dem Ort, an dem die Lebensmittel produziert werden – dem Bauernhof – und dort wo sie gegessen werden. Und deshalb auch der Titel des Filmes „Bauer unser“, der auch mit dem religiösen, also dem „Vater unser“ spielt. Aber mir ist es ja vielmehr darum gegangen, zu thematisieren, dass dieser Berufsstand des Bauern viel mehr ist als einfach nur der Beruf. Das ist ein Gemeingut für die Gesellschaft, weil es da eben um soziale Verhältnisse geht, um das Leben am Land, Ökologie, Tourismus, Landschaftspflege und, und, und... Also es geht nicht nur ums Produkt – es geht um viel mehr. Und das unterscheidet diesen Berufsstand von anderen, meiner Ansicht nach.

Tips: Herr Grünzweil, Sie sind Protagonist im Film. Sie sind Biobauer im Vollerwerb?

Grünzwei: Wir sind Vollerwerb, aber  - wie soll ich sagen – wir leben seit Jahren von der Substanz. Wir haben zwei Erwachsene Kinder – beide gehen ihrem Job nach, weil wir sagen: Wir wissen nicht, wie das ausgeht. Mein Sohn hat zwar Interesse an der Landwirtschaft, aber wenn ich ganz ehrlich bin – in der momentanen Situation bin ich froh, dass es nicht so ausschaut – das hört sich jetzt brutal an – als hätten wir einen Nachfolger. Wenn sich nicht das ganze System ändert, dann gibt“s, da wo wir herkommen, diese Form von Landwirtschaft nicht mehr.

Tips: Herr Schabus – ihr Film ist eine Abrechnung mit dem System.

Schabus: Es ist ein sehr systemkritischer Film, es geht um dieses Neoliberale System und auch – und das ist das Zentrale – darum, dass sich die Politik zu sehr aus dem Spiel nimmt. Ich habe in fast allen Interviews für den Film den Satz gehört: In den Markt darf man nicht eingreifen. Der Markt ist so wie ein Mantra – der alles richtig macht und alles reguliert. Aber aus unserer Sicht kann es das nicht sein.

Tips: Es fällt ja auch das Schlagwort: Der Zwang zum Wachsen.

Schabus: Die Aufgabe der Milchquote – aus meiner Sicht – ist ein totaler Fehler. Eigentlich war das ein super Regulatorium, damit es nicht zu einer Überproduktion kommt. Die Quote ist gefallen, natürlich gibt es eine Überproduktion, der Preis sinkt. Das haben auch alle Ökonomen vorausgesagt. Aber trotzdem ist man darauf sozusagen losgegangen und die Sache ist: es wird nicht besser. Die Marge wird geringer, die Bauern versuchen das durch ein bissl Mehrproduktion in den Griff zu bekommen. Aber klar: Die sind halt ausgeliefert.

Grünzweil: Und noch ein Wort zu den Quoten: Da wird ja auch von der Standesvertretung gesagt: Die Quote hat ja eh nicht funktioniert. Wir haben schon vorher Krisen gehabt. Man muss dazusagen: Die Milchquote ist eingeführt worden in den 70er Jahren, und die ist von Haus aus um 25 Prozent zu hoch angesetzt gewesen. Also die hat ja auch nie dazu gedient, den Bauernmilchpreis hochzuhalten. Das muss man alles wissen. Man muss sich nur das kanadische System anschauen: Die setzen sich dreimal jährlich zusammen: Produzenten, Verarbeiter, Handel und Gewerkschaften – und sie schauen sich an: Welchen Preis brauchen wir, damit die Bauern so produzieren können wies passt, dann wird die Menge festgelegt und wer dann zu viel liefert, dem wird die Milch nicht abgenommen oder er muss zahlen, damit sie abgeholt wird. Die haben 60, 70 Cent Milchpreis – wovon wir nur träumen können. Und das wollen sie jetzt ruinieren, mit diesen Freihandelsabkommen. Dann wird von uns der billige Käse, den wir mit einem Minus produzieren, nach Kanada gebracht.

Tips: Es gibt ja auch die Faktoren Konsument, Tierwohl…

Schabus: Was den Konsument betrifft: Jeder ist angehalten, sich selbst bei der Nase zu nehmen, ganz dringend. Ich glaube wichtig ist aber auch, dass man sich nicht nur einfach als Konsument im Supermarkt wahrnimmt sondern auch politisch handlungsfähig ist. Das ist viel mehr als nur das Wählen – wobei das ganz wichtig ist – aber, da geht es auch darum, das man sich vernetzt, mit Leuten bespricht, vielleicht eine Einkaufsgemeinschaft macht, dass man sagt: Man kauft einmal im Jahr gemeinsam ein halbes Lamm, das man sich zusammentut und einen Bauern findet, bei dem man gemeinsam einkauft – wenn man die Gelegenheit hat. Es ist ein wenig mühsamer als in den Supermarkt zu gehen. Oder wenn man essen geht: Was ist das für ein Schnitzel, dass am Teller liegt.. einfach fragen, und die Themen einfach ansprechen. Im Supermarkt zum anderen Milchpackerl zu greifen ist sicher zu wenig. Aber: Über Konsum alleine kann man es trotzdem nicht in Griff bekommen, man muss die Politik auch in die Pflicht nehmen. Dieser Wirtschaftsbereich ist ein Bereich, der entpolitisiert worden ist. Also dieses Mantra: Der Markt macht immer alles richtig, ist einfach ein Fehler. Wenn der Markt schlagend ist, dann geht“s nicht um einen Standard oder um soziale Zusammenhänge oder um Ökologie. Da geht es nur ums Geld – ist eh klar. Das ist das, was der Markt am Besten kann. Wenn ich ein Geschäft machen kann, dann mach ich das.

Grünzweil: Was auch im Film interessant ist: Der Bauernbunddirektor sagt: Der Markt hat versagt. Das sind aber genau die – unsere Standesvertretung – die uns jeden Tag erklärt: Es gibt nur den Markt. Und dann kommt im Film von demjenigen, der dieses Mantra vertritt, die Aussage: Da versagt der Markt. Aber was heißt das jetzt? Lasse ich jetzt den Markt einfach Markt sein oder gibt es dann doch einen Rahmen. Und den freien Markt den gibt es ja so gar nicht. Wir haben überall Rahmenbedingungen, die die Politik für den Markt schafft.

Schabus: Man muss auch dazusagen: Wir haben im Lebensmittelbereich überhaupt keine Kostenwahrheit. Das Lebensmittel, das im Supermarktregal steht – die Milch zum Beispiel – die müsste eigentlich doppelt so viel kosten, damit auch der Bauer am Ende das kriegt, was er eigentlich braucht, damit er überleben kann. Und das geht ja nur durch dieses System der öffentlichen Gelder. Und das verfälscht das ja alles. Dann geht die Milch um 10 Cent rauf – dann gibt es auf der anderen Seite schon wieder Leute, die sich aufregen, weil so teuer. Es ist ja in Wahrheit alles viel zu billig. Und die Subventionen sind ja zumindest in großen Bereichen – natürlich: Bergbauernförderung außen vor – im Grunde ist das eine indirekte Konsumentenstützung oder eigentlich eine indirekte Stützung für die Konsumwirtschaft. Das wird im Film auch so angesprochen. Das ist schon ein totales Missverständnis: Das man diesen Wert der Lebensmittel – der ja ein großer ist – garnichtmehr am Preis ablesen kann. Und zum Tierwohl: Das ist natürlich eine Diskussion, die muss man führen, gesamtgesellschaftlich, auch politisch, weil die Produktion, so wie Landwirtschaft in größeren Betrieben funktioniert, das ist ja vielfach dem Konsumenten garnichtmehr erklärbar. In der Werbung sieht man, dass alles ganz anders ist – alles ganz idyllisch, Tiere haben Namen und sprechen – es ist alles vorindustriell, gibt keine Maschinen, das ist alles superschön – aber schrecklich. Das geht auch den Bauern wahnsinnig auf den Nerv, die haben wirklich eine Wut, wie die verkauft werden auch. Am Abend sehen sie diese Werbung und in der Früh gehen sie in den Stall und da schaut es ganz anders aus. Wenn du heute sagst, du bist Schweinemäster: Du kannst nicht mit 50 Weideschweinen überleben. Du kannst schon überleben – aber nicht wenn du vorher eine Halle gebaut hast, die du jetzt auf 20 Jahre finanzieren musst. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Diskussion in die man treten muss. Wollen wir das so? Wollen auch die Bauern das so? Das muss man auch fragen.

Tips: Ein gewagter Blick in die Zukunft: Wird es die kleinstrukturiere Landwirtschaft in Österreich noch geben in dieser Form?

Schabus: Also ich denke – wenn sich das System nicht ändert, dann werden wir die kleinstrukturierte Landwirtschaft zu einem großen Teil verlieren. Außer jene, die es schaffen, sich in einer Nische, über Direktvermarktung zu positionieren. Und die, die halt im Nebenerwerb noch weiter Jahrzehnte in die Selbstausbeutung begeben. Aber wir werden einen großen Teil dieser Landwirtschaft verlieren. Wir haben ja schon so viel verloren in den letzten Jahrzehnten. Und das wird nicht aufhören, wenn sich der Zugang nicht ändert.

Grünzweil: Ich glaube, dass wir die kleinstrukturierte Landwirtschaft schon gar nicht mehr haben, also nur mehr in ganz wenigen Bereichen. Diese Melancholie passt auch sehr gut zum Film – darum sehe ich auch wenig Perspektive. Uns Bauern und Bäuerinnen traue ich das selbst nicht mehr wirklich zu, dass wir die Kraft und die Solidarität haben, es anzugehen und zu ändern. Die Hoffnung wäre, das der gesellschaftliche Druck so groß wird, und das Interesse, das die Leute einfach sagen: Das haben wir nicht gewusst, das wollen wir anders haben. Da ist dieser Film ein tolles Werkzeug für uns – vielleicht kann der das bewegen.

Schabus: Aber vielleicht nur noch eine Anmerkung, damit wir nicht in Endzeitstimmung enden – das muss man auch sagen : Der Beruf des Bauern – so wie ich in erlebt habe zu Hause – ist einer der geilsten Berufe, wenn nicht der beste Beruf, den es gibt. Dort müssen wir wieder hin. In dieses Kreislaufdenken, wo die Produkte eigentlich herkommen. Und dann macht das auch Sinn, auch für die Leute in dem Bereich. Den Preisen hinterherzurennen und das Milchpulver nach China zu schicken – das ist nicht das Ziel.

Hinweis

„Bauer unser“: Filmstart: 11.11.2016, 92 Minuten; Regie: Robert Schabus, Verleih: Filmladen


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