Kinderschutz in Coronazeiten: Erhöhte Sensibilität gefordert
OÖ. Die Osterfeiertage stehen vor der Tür und die Corona-Krise hat unser Leben in den letzten Wochen drastisch verändert. Dies trifft ganz besonders auf Kinder und Jugendliche zu. Wie die Anfragen bei der Kinder- und Jugendanwaltschaft zeigen, stehen in vielen Familien Streit und Beschimpfungen an der Tagesordnung. Die Gefahr, dass solche Situationen eskalieren, ist groß. Die Kinder- und Jugendanwaltschaft OÖ ruft zu erhöhter Sensibilität auf.
„Kinder haben ein Recht auf Schutz vor Gewalt. Gerade jetzt ist erhöhte Sensibilität von uns allen gefordert, um Kinderrechtsverletzungen vorzubeugen und einen gesellschaftlichen Schutzschirm über unsere Kinder und Jugendlichen zu spannen“, so der Appell der oberösterreichischen Kinder- und Jugendanwältin Christine Winkler-Kirchberger.
Wenn die Beziehungen zuhause ohnehin schon angespannt sind bzw. latente oder gar manifestierte Gewaltstrukturen vorliegen, kann die derzeitige Kontaktbeschränkung für Kinder und Jugendliche dramatische Folgen haben. „Dass kein Unterricht in der Schule stattfindet, erhöht die Gefahr, da die wesentliche Schutzfunktion der sozialen Kontrolle wegfällt. Überdies ist für gewaltbetroffene Kinder und Jugendliche der Kontakt nach außen oft die einzige Chance, Hilfe zu holen oder Signale auszusenden, die von anderen verstanden werden“, so die Befürchtung der Kinderschutz-Experten der oberösterreichischen Kinder- und Jugendanwaltschaft (KiJa).
Gewalt hat viele Gesichter
Obwohl Gewalt in der Erziehung seit über 30 Jahren verboten ist, gehört sie in vielen Familien immer noch zum Alltag. Wie eine Studie des Instituts Spectra aus dem Jahr 2019 im Auftrag der KiJA OÖ belegt, ist immer noch jeder fünfte Oberösterreicher der Meinung, eine „leichte Watsche“ würde „keinem Kind schaden“ oder sei sogar „gesund“, bzw. sei es entschuldbar, wenn einem „einmal die Hand ausrutschen“ würde. Auch psychische Gewalt wird häufig immer noch nicht als solche erkannt und dadurch als „nicht so schlimm“ bewertet. Nur ein Drittel der Befragten stuften massive Abwertungen, Beschimpfungen oder den Entzug der Zuneigung eindeutig als Gewalt ein.
Bei einer Untersuchung des Familienministeriums anlässlich „30 Jahre Gewaltverbot in der Erziehung“ im November 2019 gaben 14 Prozent der Eltern an, dass sie schwere Körperstrafen anwenden würden. Experten gehen weiter davon aus, dass immerhin jedes zehnte Kind von sexualisierter Gewalt betroffen ist. Überdies erleben allzu viele Frauen häusliche Gewalt – die Hälfte von ihnen hat Kinder, die durch das Miterleben der Gewalt an ihren Müttern ebenfalls traumatisiert werden.
Beratungspraxis zeigt: Nur die Spitze des Eisberges
Diese erschreckenden Zahlen seien jedoch nur die Spitze eines Eisberges, denn die Dunkelziffer sei bei Gewalt an Kindern und Jugendlichen sehr groß, so von der KiJa. Das zeigt auch die Beratungspraxis der Kinder- und Jugendanwaltschaft, stehen doch bei rund einem Viertel der vertraulichen Anfragen Berichte von Kindern und Jugendlichen über Konflikte in der Familie bis hin zu Gewaltausübung ihrer Eltern im Mittelpunkt.
Für Eltern gilt: Rechtzeitig über Stress und Überforderung sprechen
Gerade jetzt können Eltern im Umgang mit ihren Kindern jeglichen Alters schnell an ihre Grenzen kommen. Bevor es in so einer Situation zu einem „Ausrutscher“ gegenüber dem Kind kommt, ist es besser, sich eine kurze Auszeit zu nehmen. Es zeugt von Stärke, sich einzugestehen, dass man sich überfordert fühlt, und sich Unterstützung zu suchen: Ein kurzes Telefonat mit einer nahestehenden Person kann hier schon sehr hilfreich sein. Wenn das soziale Netzwerk nicht mehr zur Entlastung beiträgt, ist es wichtig, rechtzeitig die kostenlose und vertrauliche Unterstützung von professionellen Beratungseinrichtungen in Anspruch zu nehmen.
Kinder und Jugendliche ermutigen, sich Hilfe zu holen
Die Kinder- und Jugendanwaltschaft ermutigt junge Menschen, sich Hilfe zu holen und gerade bei schwierigen Familiensituationen und Gewalterfahrungen mit Vertrauenspersonen darüber zu sprechen. Auch die „KiJa“ kann hier mit ihren Beratungshotlines und Online-Informationen eine wichtige Stütze sein. Auf Instagram, YouTube und Facebook informiert die „KiJa“ jetzt direkt die Zielgruppe der Jugendlichen in kurzen Videoclips über aktuelle Themen, wie Cybermobbing oder Einsamkeit.
Kinderschutz betrifft jeden
Sensibilität ist gerade jetzt gefordert. Es gibt viele Möglichkeiten, Kindern und Jugendlichen in schwierigen Situationen zu helfen. Gespräche anbieten, direkt nachfragen. Aber auch in der Nachbarschaft sollte man nun vermehrt aufmerksam sein und verdächtige Geräusche nicht „überhören“.
Wer sich unsicher ist, kann sich Unterstützung durch Kinderschutz- und Beratungseinrichtungen holen. Bei akut wahrgenommener Gewalt ist jedenfalls die Polizei zu verständigen.
Unterstützung
Die „KiJa“ bietet spezielle Informationsmaterialien an, die helfen sollen, Herausforderungen in Familien zu meistern und Kinder und Jugendliche vor Gewalt zu schützen. Die Leitfäden für Eltern und Betreuungspersonen „Gemeinsam als Familie durch die Corona-Krise“, sowie die Broschüren „Damit es mir gut geht. Was Eltern über Kinderrechte wissen sollten“ und „Gewalt an Kindern – Information, Hilfsangebote, Prävention“ stehen auf der Homepage www.kija-ooe.at zum kostenlosen Download zur Verfügung.
Hilfreiche Video-Tipp informieren auf unserer Homepage und in den sozialen Medien (Instagram, YouTube und Facebook) über aktuelle Themen.
- Hotline - Kinderrechtliche Beratung der KiJA OÖTelefon: 0732/77 97 77; SMS/WhatsApp: 06647600 72 14004; Montag bis Freitag von 10 bis 12 Uhr und Montag, Dienstag, Donnerstag von 14 bis 16 Uhr; E-Mail: kija@ooe.gv.at
- Hotline - Mobbingberatung der KiJA OÖ Telefon: 0664/152 18 24; Montag von 7.30 bis 12 und 14 bis 17.30 Uhr sowie Dienstag, Mittwoch und Donnerstag von 7.30 bis 12.30 Uhr; E-Mail: mobbingstelle.kija@A1.net
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