Studien: Rauchen schwächt Immunsystem und begünstigt schwere Covid-19-Verläufe
OÖ/LINZ. Da das neue Corona-Virus vor allem die Lunge in Mitleidenschaft zieht, ist zu erwarten, dass Raucher ganz besonders gefährdet sind. Mitunter widersprüchliche Thesen und Aussagen sorgen diesbezüglich jedoch für Verunsicherung. Anlässlich des Weltnichtrauchertages am 31. Mai gibt Lungenexperte Bernd Lamprecht, Vorstand der Klinik für Lungenheilkunde am Kepler Uniklinikum und Generalsekretär der Österreichische Gesellschaft für Pneumologie, eine Übersicht über den aktuellen Wissenstand.

Das Wissen über Covid-19 wächst täglich. Jüngste Erkenntnisse haben gezeigt, dass die durch das Corona-Virus SARS-Cov-2 hervorgerufene Erkrankung nicht ausschließlich die Lunge schädigt, sondern im Krankheitsverlauf auch noch andere Organe, vor allem die Nieren, in Mitleidenschaft ziehen kann. Dennoch sind primär Lunge und Atemwege davon betroffen. Daher ist die Vermutung naheliegend, dass Raucher durch das neue Corona-Virus besonders gefährdet sind.
Vielfältige negative Auswirkungen
Generell sind die negativen Auswirkungen des Tabakkonsums auf die Gesundheit vielfältig. Hinreichend bekannt ist der Zusammenhang zwischen Rauchen und diversen Atemwegs- und Lungenerkrankungen wie chronisch obstruktiver Lungenerkrankung, COPD, oder Lungenkrebs bzw. auch, dass Rauchen das Herzkreislaufsystem schädigt mit mitunter lebensbedrohlichen Auswirkungen.
Rauchen schädigt Immunsystem
Außerdem wird das Immunsystem geschädigt: Raucher erkranken zum Beispiel zweimal häufiger an Grippe und erleiden dann auch schwerere Krankheitsverläufe als Nichtraucher. Zusätzlich beeinträchtigen die Schadstoffe im Tabakrauch die Funktion der Flimmerhärchen der Atemwegschleimhäute, wodurch der Selbstreinigungsmechanismus der Bronchien gestört wird und Krankheitserreger wie Viren ein leichteres Spiel haben.
Raucher vermutlich anfälliger für Infekt
Verhält es sich mit dem neuen Corona-Virus ähnlich? Ein Indiz dafür wäre: In China, Italien, dem Iran und Südkorea rauchen bedeutend mehr Männer als Frauen und dies spiegelt sich auch eindeutig in der Verteilung der Corona-Infektionen in diesen Ländern wider. Deutlich mehr vor allem alte Männer erkrankten dort an Covid-19 als Frauen. Dennoch: „Ob das SARS-Cov-2-Infektionsrisiko für Raucher per se höher ist als für Nichtraucher, ist noch umstritten und lässt sich zur Zeit aufgrund der Dunkelziffer noch nicht mit Bestimmtheit sagen. Aber prinzipiell ist davon auszugehen, da Raucher anfälliger für Influenzaviren und Infekte der oberen Atemwege und der Lungen sind“, so Bernd Lamprecht, Vorstand der Klinik für Lungenheilkunde am Kepler Universitätsklinikum in Linz.
Schwerere Krankheitsverläufe und höhere Sterblichkeit
Als gesichert gilt jedoch, dass aktive Raucher, die an Covid-19 erkranken, ein weitaus größeres Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf mit Komplikationen aufweisen als Nichtraucher oder ehemalige Raucher. Lungenspezialist Lamprecht: „Eine Analyse, in der Studien mit in Summe 2.473 bestätigten Covid-19-Fällen analysiert wurden, zeigt, dass aktive Raucher ein um 45 Prozent höheres Risiko haben, einen komplikationsbehafteten schweren Verlauf einer Covid-Erkrankung zu erleiden“, so der Lungenspezialist. „Eine weitere Studie zeigt, dass Raucher im Vergleich zu Nichtrauchern eine 2,4-mal höhere Wahrscheinlichkeit aufweisen, auf eine Intensivstation verlegt und beatmet werden zu müssen. Auch die Sterblichkeit ist im Vergleich zu Ex- oder Nichtrauchern deutlich erhöht.“
Risikogruppe COPD-Patienten
Patienten, die an COPD leiden, also einer Erkrankung, die im Regelfall als Folge des Rauchens auftritt, haben gar ein 88 Prozent höheres Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf als Patienten ohne COPD. „Dies zeigt, dass sowohl aktive Raucher als auch ehemalige Raucher, die an Rauch-assoziierten Erkrankungen leiden und deren Lungengewebe schon Schädigungen aufweist, in Bezug auf Covid-19 eindeutig gefährdeter sind“, so Lamprecht.
Fragwürdige Thesen sorgen für Aufsehen und Verunsicherung
Für Aufregung sorgte jene französische Beobachtungsstudie im April, die zu dem Schluss kam, Nikotinkonsum könne vielleicht sogar vor einer Infektion mit Covid-19 schützen. Der vermutete Grund: Nikotin belege bestimmte Rezeptoren und könne dadurch die Vermehrung der Viruszellen bremsen. Doch weist die Studie schwere Mängel auf: So wurden unter anderem die am schwersten betroffenen Patienten, also jene auf Intensivstationen, nicht berücksichtigt. Lamprecht: „Die Studie wurde außerdem veröffentlicht, bevor es ein sogenanntes Peer-Review gab, also bevor die Arbeit von unabhängigen Experten desselben Fachgebiets bewertet wurde. Ein absolut ungewöhnliches Vorgehen in der Wissenschaft. Außerdem weist der Haupt-Studienautor seit Jahren ein gewisses Nahverhältnis zur Tabakindustrie auf.“
Negative Effekte überwiegen
Basierend auf vorhandenen Daten müsse, so Lamprecht, vor dem Rauchen in Zusammenhang mit Covid-19 zweifellos eher gewarnt werden, als dass man ihm eine vor dem Virus schützende Wirkung zusprechen könnte. Und selbst wenn sich Hinweise rund um einen möglichen Nikotin-Schutzeffekt verdichten sollten, sei es höchst unwahrscheinlich, dass dies die vielen eindeutig nachgewiesenen negativen Effekte des Zigarettenrauchens überwiegen kann.
Kann Passivrauchen Corona übertagen?
Nachdem sich 53 der 61 Sänger eines US-Chores bei einer Chorprobe mit dem SARS-Cov-2-Virus angesteckt hatten, obwohl die Abstandsregeln strikt eingehalten worden waren, wird wieder intensiv die Gefahr einer Übertragung durch Aerosole diskutiert. Kann Passivrauch also, neben den vielen anderen negativen Auswirkungen, womöglich auch das Corona-Virus übertragen? Lamprecht: „Zu der Frage, ob das Coronavirus durch Zigarettenrauch übertragen werden kann, gibt es keine wissenschaftlichen Studien. Doch sind die durch Niesen und Husten entstehenden Tröpfchen – neben der Schmierinfektion – aus heutiger Sicht sicher die Hauptüberträger der Erkrankung. Aber im Sinne des Schutzes vor Passivrauch an sich sollten Raucher im Freien in jedem Fall einen Mindestabstand von zwei Metern zu ihren Mitmenschen einhalten. In geschlossenen Räumen sollte aus Rücksichtnahme auf andere sowieso gänzlich aufs Rauchen verzichtet werden.“
Rauch-Stopp zahlt sich gerade jetzt aus
Raucher sollten auf jeden Fall die Schutzmaßnahmen ganz besonders beherzigen, um sich vor einer Infektion zu schützen. Und wer zum Beispiel Shisha raucht, sollte jetzt keinesfalls seine Shisha mit anderen teilen. Das Beste aber wäre, die Corona-Pandemie dazu zu nutzen, dem blauen Dunst für immer abzuschwören. Lamprecht: „Zu Rauchen aufhören zahlt sich immer aus – aber ganz besonders jetzt in Zeiten von Corona, zählen doch Raucher im Falle einer Infektion mit dem Corona-Virus zu den besonders gefährdeten Gruppen.“
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