LINZ. Seit Anfang des Jahres 2022 verzeichnet die Krisenhilfe OÖ einen Anstieg bei Kontakten rund um das Thema Suizidalität. Anlässlich des Welttags der Suizidprävention am 10. September soll dieser Problematik besondere Sichtbarkeit verliehen werden. Die Hotline 0732 / 21 77 der Krisenhilfe ist rund um die Uhr erreichbar.
Bei vielen Kontakten der Krisenhilfe Oberösterreich schwingt aktuell das Thema Suizidalität mit. Vergleicht man das erste Halbjahr 2021 mit dem ersten Halbjahr 2022, verzeichnet die Krisenhilfe OÖ einen Anstieg um rund 20 Prozent bei den sogenannten KaT-Einsätzen (Krisenintervention nach akuter Traumatisierung). In Oberösterreich wurden im Vorjahr 190 Suizide verübt. Das Land Oberösterreich investiert nun 2,2 Millionen Euro in die Suizidprävention.
Äußere und innere Krisen verantwortlich
Die Covid-Pandemie habe bei vielen Menschen „die Batterien entleert“, so Sonja Hörmanseder, Leiterin der Krisenhilfe OÖ. Zu dieser schlechten Ausgangslage gesellen sich noch weitere gesellschaftliche Krisen dazu. Betroffene, die das Angebot der Krisenhilfe in Anspruch nehmen, würden sich meist aufgrund einer Kombination von belastenden Faktoren melden. Dazu zählen unter anderem finanzielle Sorgen, die auch durch die aktuelle Teuerungswelle befeuert werden, Zukunftsängste, Beziehungsthemen und häusliche Gewalt. Oft würden sich besorgte Angehörige melden, doch Suizidalität sei immer noch ein Tabuthema in der Gesellschaft, informiert die Expertin.
Gefährliche Mythen rund um das Thema
Aufgrund der Berührungsängste mit dem Thema gäbe es außerdem viele Mythen darüber. So würden sich besorgte Angehörige oft fürchten, das Thema Suizid anzusprechen, aus Angst, die Suizidgedanken damit zu befeuern. Auch dass Suizide nicht angekündigt würden sei ein gefährlicher Irrglaube, so Hörmanseder. Im Gegenteil: 80 Prozent der Betroffenen würden ihren Suizid in irgendeiner Form ankündigen. Manchmal wird es direkt ausgesprochen, es kann sich aber auch subtil äußern: durch den völligen Rückzug einer Person, eine deutliche Wesensveränderung, wenn Interessen plötzlich abnehmen oder die Person beginnt, Dinge zu verschenken sollte man genauer hinschauen. Im Zweifelsfall empfiehlt Hörmanseder, die Person anzusprechen: „Es ist bereits entlastend, wenn man ernstgenommen wird“.
Reden hilft
Als besorgter Angehöriger kann man sich an die Krisenhilfe OÖ wenden, oder die betroffenen Person auf das Angebot aufmerksam machen. In akuten Situationen wird jedenfalls dringend empfohlen professionelle Hilfe hinzuzuziehen. „Ein Leben besteht aus Krisen, man muss sie nicht alleine durchstehen. Reden hilft und im Bedarfsfall sollte man professionelle Hilfe in Anspruch nehmen“, betont Soziallandesrat Wolfgang Hattmannsdorfer. Er appelliert, das umfangreiche Beratungsangebot des Landes in Anspruch zu nehmen.
Mehr Jugendliche melden sich bei der Krisenhilfe
Neben der 24-Stunden-Hotline für akute Fälle bietet die Krisenhilfe OÖ auch eine E-Mail-Beratung und einen Chat an. Mit dem Ausbau des Chat-Angebots reagiert sie auch auf das Kommunikationsverhalten von Jugendlichen. Denn derzeit würden sich vermehrt Jugendliche bei der Krisenhilfe melden. Besorgten Eltern rät Hörmanseder genau hinzuschauen: bei Jugendlichen seien psychische Krisen schwerer erkennbar, da Wesensveränderungen auch der Pubertät geschuldet sein können.
Zentrale Stelle für Betroffene
„Eine große Stärke sind unsere unterschiedlichen Kommunikations- und Interventionsmöglichkeiten. Mit der telefonischen Krisenhotline, den persönlichen Gesprächen und den mobilen Angeboten können wir passgenau und kurzfristig Hilfe leisten“, so Sonja Hörmanseder. Um die Krisenversorgung in Oberösterreich flächendeckend und noch umfassender gewährleisten zu können, haben sich pro mente OÖ, EXIT-sozial, Rotes Kreuz, TelefonSeelsorge OÖ und Notfallseelsorge unter dem Namen „Krisenhilfe OÖ“ zusammengeschlossen. Im Hinblick auf Suizidalität kommt gerade den mobilen Einsätzen der Krisenhilfe OÖ eine lebenswichtige Bedeutung zu.
Zusätzlich zum trägerübergreifenden Angebot stehen zudem die TelefonSeelsorge Oberösterreich (Notruf 142, ohne Vorwahl) und die Notfallseelsorge im Ernstfall unterstützend zur Seite.
Suizide in Zahlen
Insgesamt starben im Jahr 2021 in Österreich 1.099 Personen durch Suizid – mehr als drei Mal so viele Menschen wie im Straßenverkehr. In Oberösterreich begingen 2021 insgesamt 190 Menschen Suizid. Mehr als drei Viertel der Suizidtoten sind Männer, was dadurch zu erklären ist, dass diese öfter sogenannte „harte“ Suizidmethoden wählen. Zu Suizidversuchen liegen keine verlässlichen Zahlen vor, da diese oft nicht als solche erkannt oder dokumentiert werden. Internationale Studien gehen jedoch davon aus, dass Suizidversuche die Zahl der tatsächlich durch Suizid verstorbenen Personen um das Zehn- bis Dreißigfache übersteigen, wobei Frauen häufiger Suizidversuche unternehmen als Männer.
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